Wind über der Prärie. Regan Holdridge
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„Ja“, hörte er sich leise sagen. „Ich komme gern mit...sehr gern!“
Der Duft von frischer Gulaschsuppe lag in der Luft. Der kleine Herd verbreitete eine erstaunliche Wärme und das Feuer darin knisterte laut und heimelig. Friedrich saß aufrecht am Tisch, die Bibel vor sich aufgeschlagen und las leise darin. Die Predigt für den kommenden Sonntag musste vorbereitet werden.
„Deck den Tisch, Juliane“, sagte Luise in ihrem eigenen, strengen Tonfall und ihre Tochter, die eben noch über ihren Englischunterlagen gesessen hatte, sprang hastig auf. Sie räumte das Vokabelbuch beiseite, auf die Kommode im Eck und holte die Zinnteller und das Besteck aus dem Schrank. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in jeder freien Minute an ihren Sprachkenntnissen zu arbeiten.
„Die Tassen auch!“ Kopfschüttelnd betrachtete ihre Mutter ihr tun. „Kannst du noch nicht einmal einen Tisch decken?“
„Doch!“, versicherte Julie hastig. „Natürlich!“
Es lag nur daran, weil sie mit ihren Gedanken nicht bei der Sache war. Bei jedem kleinen Geräusch zuckte sie zusammen, weil sie glaubte, Hardy Retzner würde vor der Tür stehen. Es war keine gute Idee, dass er hierher kam. Je länger sie darüber grübeln konnte, desto überzeugter war sie davon. Ihre Eltern würden ihr nie erlauben, ihm zu assistieren und am Ende zerstritten sie sich womöglich noch alle und dabei wollten sie doch gemeinsam weiterziehen, sobald sich ein größerer Treck nach Westen aufmachte! Nur die schlechten Wetterprognosen und die anhaltenden Regenfälle verhinderten derzeit, dass irgendjemand es wagte, die lange, beschwerliche Reise fortzusetzen.
Luise seufzte. „Nikolaus müsste jeden Moment kommen und bei Hubert weiß man ja nie! Wir werden nicht auf ihn warten, sondern ihm das Essen auf den Herd stellen, dann kann er sich selbst nehmen, wenn er nach Hause kommt.“
„Die beiden Jungen sind unglaublich fleißig“, bemerkte Friedrich voller Stolz und schlug die Bibel zu. „Mit Huberts Lohn und dem, was ich bekomme, können wir uns in Oregon einen schönen Neuanfang leisten!“
„Trotzdem finde ich es nicht richtig, dass Nikolaus immer bis spät in die Nacht die Pferdeställe ausmisten muss“, warf Luise besorgt ein und trug den Topf hinüber an den Tisch. Sie setzte sich an ihren Platz, neben ihren Mann, als die Tür aufgerissen wurde.
„Ich bin da! Hat etwas länger gedauert!“, schrie Nikolaus. Ein Schlag ließ das Haus erzittern, als er die Tür hinter sich ins Schloss knallte.
„Mein Sohn!“ Friedrich warf ihm einen bösen Blick zu. „Was soll dieser unnötige Krach?“
„Entschuldige“, murmelte der Junge schuldbewusst und rutschte lautlos auf seinen Stuhl neben seiner Schwester, um die Hände zu falten und das gemeinsame Tischgebet zu sprechen.
Nach dem Essen begann Luise, das Geschirr zu spülen, wobei ihre Tochter ihr half, obwohl sie lieber ihre Englischkenntnisse erweitert hätte. Nikolaus verabschiedete sich ins Bett, er war sehr müde von der schweren, körperlichen Arbeit und Friedrich holte wieder seine Bibel hervor. Julie atmete auf. Es war schon so spät, da würde Doktor Retzner bestimmt nicht mehr kommen!
„Oh, es regnet schon wieder“, sagte Luise, als sie die Schüssel mit schmutzigen Wasser nach draußen, vor die Tür kippte. Das Pfarrhaus stand abgeschieden und geschützt unter Bäumen, doch die Lichter von St. Louis waren in der Dunkelheit wie unwirkliche Punkte zu erkennen.
„Und gleich wie aus Kübeln! Wenn das so weitergeht, haben wir bald Hochwasser!“ Luise blieb in der Tür stehen und schaute weiter hinaus in die Dunkelheit. Es zog kalt herein.
Julie lächelte kurz. Sehr gut, das kam ihr gerade recht. Doch der nächste Satz ihrer Mutter ließ sie zusammenzucken: „Ja, Hardy, sowas! Ja, kommen Sie doch herein! Welche eine Überraschung! Wir dachten schon, wir sehen Sie vor der Abreise gar nicht wieder!“
„Ah, geh!“, erwiderte der Österreicher und schüttelte sich die Regentropfen von der Jacke und dem Hut, ehe er eintrat. „Wer weiß, wie lange wir noch hier warten müssen, bis es endlich weiter Richtung Westen geht!“
„Kommen Sie, kommen Sie!“, bat nun auch Friedrich. Er schob die Heilige Schrift beiseite. Sein tiefer Bariton verriet, wie ehrlich er sich über den unerwarteten Besuch freute. „Setzen Sie sich! Luise, schenk’ unserem Gast Tee ein!“
„Bitte keine Umstände!“ Lächelnd nahm Doktor Retzner am Tisch Platz. Sein Blick traf Julie, die ihn ängstlich betrachtete. Ihre Hände umkrampften das Vokabelbuch, als wollten sie es zerreißen, doch er zwinkerte zuversichtlich und ihre Hoffnung auf einen friedlichen Verlauf des Abends schwand. Er würde wahrhaftig davon anfangen! Wie konnte sie es nur verhindern? Während sie noch verzweifelt nach einem Ausweg suchte, war es bereits zu spät.
„Ganz grundlos bin ich ja nicht da“, begann der österreichische Arzt jetzt und bedankte sich bei Luise, die ihm einen Zinnbecher reichte.
„Nein?“, fragte Friedrich erwartungsvoll und blickte dabei seine Tochter an, die jedoch schnell den Blick auf die Tischplatte richtete. Er glaubte, zu begreifen und unterdrückte ein Schmunzeln.
„Nein“, erwiderte Doktor Retzner und schluckte. „Wissen Sie, ich habe Arbeit und das nicht zu knapp, aber gewisse Verständigungsprobleme mit der hier ansässigen Bevölkerung.“
Begriffsstutzig starrte Friedrich ihn an. „Wie bitte?“
„Leider, ja.“ Hardy fuhr sich durch das strohblonde Haar. „Es ist zwar eine Schande für einen Arzt, aber ich bin der englischen Sprache alles andere als mächtig.“
„Oh!“, machte Friedrich verständnisvoll. „Das gleiche Problem hatte ich auch, aber seitdem ich für die Kirche tätig bin, bleibt mir nichts anderes übrig, als die Bibel auf Englisch zu lesen und jeden Tag ein paar neue Wörter dazuzulernen!“
„Natürlich“, versicherte Doktor Retzner eilig. „Nur habe ich diese Zeit leider nicht, weil es mehr Patienten gibt als zwei Ärzte bewältigen können. Mein Kollege Stankovski ist nicht mehr der Jüngste und sein Rheuma, nun ja, das erleichtert es ihm auch nicht gerade!“
„Ich habe davon gehört“, warf Luise ein und schaute von ihrer Strickarbeit auf, in die sie mittlerweile vertieft war. Sie hatte sich ihren Stuhl nahe an den Ofen gezogen, denn ihr war kalt, wie so häufig. Auch hatte sie durch die Strapazen an Gewicht verloren, was ihr deutlich anzusehen war. Sie lächelte bescheiden. „Der Doktor sah auch sehr blass aus, als er mir vorgestellt wurde.“
Hardy Retzner räusperte sich. „Aus diesem Grund bin ich hier.“
Friedrich verstand nicht, doch er nickte freundlich. „Wie können wir Ihnen helfen, Hardy? Wir tun es gern, keine Frage, aber ich sehe keinen Weg, wie...“
„Oh doch!“, warf Doktor Retzner schnell ein. Sein Blick wanderte zu Julie, deren große, bernsteinfarbene Augen ihm flehend zu verstehen gaben, nicht weiterzusprechen, doch es war nicht mehr aufzuhalten.
„Ich brauche eine fähige Krankenschwester,