Wind über der Prärie. Regan Holdridge
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Читать онлайн книгу Wind über der Prärie - Regan Holdridge страница 16
Friedrich streifte zwischen den eng beieinanderliegenden Zelten und Wagen umher. Er lächelte und nickte den anderen Siedlern zu, die ihn an seiner schwarzen Kutte erkannten und von denen er nur teilweise wusste, dass sie mit ihnen zogen. Die meisten sah er zum ersten Mal in seinem Leben. Dennoch grüßten sie ihn, denn jeder erkannte ihn als Geistlichen. Ein paar Kinder rannten im taufeuchten Gras umher, der sich über Nacht gebildet hatte. Sie lachten und freuten sich und Friedrich musste schmunzeln. Wie unbeschwert und herrlich zufrieden Kinder sein mussten! Sie lebten von einem Tag zum anderen, ohne Ängste und Überlegungen, was die nächste Woche, der nächste Monat ihnen bringen würde.
Zwischen ihrem Lager und den ersten Häusern von St. Louis bahnte ein schmaler, flacher Fluss sich seinen Weg, über den eine einfache Holzbrücke führte. Friedrich schlug diese Richtung ein. Von irgendwoher hörte er leises, helles Glockengeläut und sein Herz schlug schneller. Irgendwo musste es hier also auch eine Kirche geben! Er beschleunigte seinen Schritt und nachdem er die Seitengasse hinter sich gelassen hatte, gelangte er zur Hauptstraße – die erste Hauptstraße einer Stadt im mittleren Westen Amerikas, die er je zu Gesicht bekam: Ein Geschäft reihte sich ans andere, manche kleiner, andere größer, die meisten besaßen die sogenannten „falschen Fassaden“, die sie größer und mächtiger erscheinen ließen, als sie in Wahrheit waren. Seine Augen glitten die belebte, schmutzige Straße hinab, auf der Reiter, Kutschen und Fußgänger entlang eilten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte er drei junge Burschen, die den Gehsteig aus Holzbohlen hinauf marschierten. Sie trugen die typische Kleidung von Cowboys, wie er es von Zuhause aus den Illustrierten kannte und ihre Sporen klirrten bei jedem ihrer Schritte. Friedrich wusste nicht weshalb, aber mit einem Mal fühlte er sich diesem Land zugetan. Alles war neu und völlig anders als in der Heimat, aber es gefiel ihm. Seine Ohren vernahmen wieder das melodische Geläut der Kirchenglocke und er folgte ihm, die Straße nach rechts hinab, wo sie leicht anstieg und schließlich abrupt hinter einem Haus endete. Linkerhand, durch eine separate Auffahrt abgetrennt, stand eine weiße Kirche mit einem kleinen Türmchen. Friedrich lächelte. Wie hatte er das vermisst! Er wollte schon den unebenen und durch die Nässe der letzten Tage durchweichten Weg hinauf einschlagen, als eine Stimme ihn zurückhielt. Eine Stimme, die Deutsch sprach!
„Hochwürden! Warten Sie einen Moment!“
Erstaunt drehte Friedrich sich um. Ein kleiner, dünner Mann mit Brille und spärlichem Haarkranz trat freundlich lächelnd auf ihn zu.
„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie aufhalte!“ Sein Deutsch wies einen auffallenden Akzent auf und der Mann merkte es selbst. „Ich habe vom Sheriff gehört, dass unter den neu eingetroffenen Siedlern ein Pastor aus Deutschland ist. Und als ich Sie die Straße hinabgehen sah, wusste ich, dass nur Sie das sein können. Hochwürden, lassen Sie mich...“
„Kleinfeld“, unterbrach Friedrich ihn. „Pastor Friedrich Kleinfeld.“
„Entschuldigen Sie!“ Der fremde Herr lächelte. „Ich bin Joshua Hammerstein, der zweite Bürgermeister dieser...hmm, also...für gewöhnlich nenne ich sie meine persönlich allerliebste Stadt.“
„Freut mich sehr“, versicherte Friedrich, auch wenn er nicht recht erraten konnte, was der Mann von ihm wollen könnte.
„Sie ahnen gar nicht, wie sehr mich das erst freut!“, lächelte Joshua Hammerstein, dessen Name verriet, welcher Abstammung er war. „Würden Sie sich von mir zu einer Tasse Kaffee einladen lassen?“
Ein wenig verwundert schüttelte Friedrich den Kopf. „Sehr gerne, aber im Augenblick bin ich ehrlich gesagt ein wenig in Eile und...“
„Bitte, nur für fünf Minuten!“ bohrte der Bürgermeister und lächelte. „Bitte!“
Friedrich seufzte innerlich. Eigentlich war er darauf erpicht, zu seiner Familie zurückzukehren, denn er wusste, dass sie ihn erwarteten.
„Na, schön“, gab er dennoch nach, denn alles andere hätte nicht seinem Pflichtbewusstsein entsprochen. Es war seine Aufgabe, für seine Mitmenschen an erster Stelle da zu sein und erst dann sich um sich selbst zu kümmern. So folgte er der einladenden Handbewegung Joshua Hammersteins und ging mit ihm den Anstieg wieder hinab und die Straße entlang, bis zu einem kleinen Kaffeehaus.
„Nun halt doch still!“befahl Julie ungeduldig, während sie Nikolaus das dunkelbraune Haar bürstete.
„Aber das tut weh!“, rief ihr kleiner Bruder und verzog vorwurfsvoll das Gesicht, bevor er erneut versuchte, ihre Hand wegzustoßen.
„Gib mir eine Minute und dann kannst du wieder davonrennen“, vertröstete Julie ihn und tauchte die Bürste in die Schüssel kaltes Wasser, die sie extra vom Bach geholt hatte. Damit ließen sich die wilden Strähnen, die in alle Himmelsrichtungen abstanden, ein wenig besser bändigen.
„Ich möchte wirklich wissen, wo die alle stecken!“, sagte sie nun, mehr zu sich selbst und ließ von Nikolaus ab, der erleichtert vom Wagen sprang.
„Ich gehe sie suchen!“, rief der Junge mit der glockenhellen Stimme und wollte davonrennen, doch seine Schwester war schneller, sie erwischte ihn am Arm.
„Nichts da!“, entschied Julie und deutete auf die Wasserschüssel. „Du wirst Mutter jetzt um einen anderen Lappen bitten und mir helfen, hier sauberzumachen.“
Nikolaus verzog das Gesicht. „Oh, nein! Das ist Mädchenarbeit! Und Hubert wollte nur schnell Holz suchen gehen! Er hat gesagt, er kommt bald wieder und...“
„Ruhe!“, unterbrach Julie ihn energisch und raffte ihre Röcke. Nun sprang sie ebenfalls hinten vom Wagen herab. „Du hilfst mir!“
Ihre Mutter, die noch immer damit kämpfte, das Feuer am Brennen zu halten, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Bitte, Juliane, zügle deine Ausdrucksweise und deine Lautstärke! Es ist nicht sehr vorteilhaft für ein junges Mädchen in der Weltgeschichte herumzuschreien wie ein Fischhändler!“
Ihre Tochter seufzte verzweifelt, ehe sie sich umdrehte. Immer diese Standpauken! Sie konnte doch auch nichts dafür, dass sie nicht dem Bild eines braven, zurückhaltenden Mädchens entsprach. Es lag ihr nunmal nicht, ihren Mund zu halten, wenn sie das dringende Verlangen spürte, ihre Mitmenschen wissen zu lassen, dass sie von vielen Dingen mehr Ahnung hatte als viele ihrer männlichen Genossen. Das ziemte sich nicht und obwohl sie es innerlich sich immer und immer wieder vorsagte, konnte sie in entscheidenen Augenblicken doch nicht ruhig sein. Dann brodelte etwas in ihr und es gab keine Vernunft mehr, die ihr den Mund verbieten konnte.
Als Friedrich fast zwei Stunden später den Weg über die Holzbrücke zurückging, waren zwar weder der Tau verschwunden, noch die Temperatur gestiegen, aber es schien heller geworden zu sein. Heller, was das Tageslicht anbetraf und heller, ihre nahe Zukunft betreffend. Er summte einen Choral vor sich hin, grüßte wieder alle Siedler, die ihm begegneten und merkte kaum, dass ihm der Magen knurrte. Er hatte seit dem vergangenen Mittagessen nichts mehr zu sich genommen und als er jetzt ihren Wagen erreichte, erblickte er ein kleines Feuer daneben, über dem ein Topf stand. Luise lief umher, gab ihren Kindern Anweisungen, während sie alle paar Minuten mit einem Löffel in dem Topf rührte. Friedrich stieß einen zufriedenen Seufzer aus.
„Luise, meine Perle! Wie das duftet!“ Seine Frau trug eine Schürze um ihre üppige Taille gebunden und lachte. „Du warst aber sehr lange fort! Zwischenzeitlich hatte ich Hubert hinabgeschickt zu diesem Geschäft, das sie ‚General Store’ nennen, um