Wind über der Prärie. Regan Holdridge

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Wind über der Prärie - Regan Holdridge

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es fängt doch schon damit an, dass wir den Maultieren nicht zumuten können, uns alle den ganzen Weg zu ziehen. Das würden sie vermutlich kaum überleben!“

      „Oh nein!“, rief Nikolaus erschrocken. „Nicht Hans und Otto!“

      „Und was, bitteschön, schlägst du dann vor? Ein zweites Gespann geben unsere finanziellen Ressourcen nicht mehr her!“ Friedrich kreuzte die Arme vor der Brust, seinem Ältesten einen strengen Blick zuwerfend. Etwas ging mit seinem Sohn vor sich, er widersprach so häufig wie nie, seit ihrer Ankunft in diesem sogenannten Land der großen Freiheit.

      „Wir müssen uns abwechseln. Jeder von uns muss einige Meilen pro Tag laufen und damit die Belastung für die Maultiere so gering wie möglich halten.“

      „Ich ganz bestimmt nicht!“, rief Juliane entrüstet und verschränkte ihre Arme trotzig vor der Brust. Luise versetzte ihr mit der flachen Hand einen unwirschen Schlag auf die Wange.

      „Sei still, wenn Männer miteinander reden!“

      „Ich werde laufen“, verkündete Nikolaus eifrig, allerdings nicht wirklich glücklich und runzelte die Stirn. „Ich will nicht, dass Hans und Otto sterben müssen!“

      Mit gemischten Gefühlen fuhr Friedrich sich mit den Händen übers Gesicht. Schließlich räusperte sich Doktor Retzner hinter ihm. „Verzeihung, aber...“

      „Haben Sie eine bessere Idee?“

      „Nein und ich denke, dass Ihr Sohn völlig richtig liegt. Wir haben keine andere Möglichkeit und jeder von uns wird sein Pensum pro Tag zu Fuß zurücklegen. Allerdings sehe ich darin keine allzu großen Probleme. Ein bisschen Bewegung ist besser für den menschlichen Körper als ständig nur herumzusitzen.“

      Friedrich seufzte gereizt. Er verabscheute die Vorstellung, neben dem Wagen herzustapfen, nachdem sie ihn schon für einen Haufen Geld erstanden hatten und offenbar nur dafür, dass er trotzdem seine Beine benutzen musste!

      „In Ordnung“, raunzte er den Doktor an. „Lassen Sie uns bloß hoffen, dass dieses Tor zum Westen nicht ganz so weit entfernt ist, wie es auf der Landkarte ausgesehen hat!“

      Tiefe Spuren von eisenbereiften Rädern zeichneten sich auf der Art Landstraße ab, die vom Regen der letzten Tage durchweicht war. Pferde schnaubten, Atemwölkchen vor den Nüstern bildend, und hin und wieder brüllte ein Ochse. Ein paar Kinder jammerten, weil ihnen kalt war und einige junge Frauen beschwerten sich, dass sie nicht mehr gehen konnten, weil sie entsetzliche Blasen an den Füßen hatten.

      „Wenn ich mir vorstelle, welchen Luxus wir in einem Zugabteil nun genießen würden“, sagte Luise inbrünstig und ein bisschen wehmütig, während sie ihre Jacke fester vor ihrer Brust zuzog. Ihr fröstelte. „Wenn ich mir ausmale, dass es täglich so weitergeht, bis Oregon...“ Sie brachte den Satz mit einem Kopfschütteln zu Ende. Sie fuhren zwischen unzähligen anderen Karren in eine Dunst von Nieselregen. Ein paar einzelne Reiter waren dazwischen zu entdecken, meist junge Männer, voller Tatendrang und Sehnsucht nach Abenteuern. Mindestens genauso viele marschierten jedoch zu Fuß, weil ihr Geld nicht ausreichte, um sich ein Fortbewegungsmittel zu erwerben.

      „Geh doch nach hinten, zu Nikolaus, und ruh dich ein bisschen aus“, schlug Juliane vor, ihre Mutter besorgt beobachtend. „Du bist ganz blass. Hardy und ich schaffen das hier oben auch alleine.“

      Der österreichische Arzt nickte zustimmend. „Sie sehen wirklich nicht gut aus!“

      „Ich fühle mich auch entsetzlich“, gab Luise zu und erhob sich. Ihren Rock und die Unterröcke raffend kletterte sie über die Lehne des Kutschbocks nach hinten, in den von der Plane überspannten Teil des Wagens. Dort schlief Nikolaus, müde und erschöpft von der nun bereits vier Wochen andauernden Reise.

      Doktor Retzner seufzte. „Diese verflixte Kälte!“

      Juliane schaute ihn an. Er hielt die Zügel der beiden Maultiere fest in der Hand. Der österreichische Arzt hatte sich nicht nur als hervorragender Kutscher, sondern auch als großartiger Kartenleser und Entfernungsberechner bewiesen. „Wann, glauben Sie, werden wir endlich in dieser Stadt zum Westen angelangt sein?“

      Doktor Retzner hob die Achseln, wobei sein zu lang gewordenes, strohblondes Haar sanft mitwippte. „Es sollte nicht mehr sehr weit sein.“ Überlegend richtete er den Blick gen Himmel. „Meinen Berechnungen nach, dürfte es sich nur noch um Stunden handeln.“ Er nickte zuversichtlich.

      Juliane seufzte tief und warf den geflochtenen Zopf ihres langen, rotblonden Haares zurück. „Wir sind jetzt beinahe vierzig Tage unterwegs und ich habe schon jetzt keine Lust mehr. Ich frage mich, ob es den anderen auch so geht...“

      Doktor Retzner lächelte. Seine grünen Augen bedachten sie mit einem liebevollen Blick. „Keine Angst, kleine Julie, lass uns erstmal in St. Louis ankommen und all die anderen treffen, die gen Westen wollen.“

      „Julie?“, wiederholte das junge Mädchen gedehnt und starrte ihn irritiert an. „Was ist das?“

      Doktor Retzner lachte leise auf. „Das ist die englische Form deines Namens! Du glaubst doch nicht etwa, dass ihr eure Namen hier allzu lange in der deutschen Form behalten werdet, hier, wo alles Englisch spricht? Eure Namen sind so kompliziert, dass sich die meisten die Zunge brechen würden!“

      Juliane lächelte. Wenn sie mit Doktor Retzner auf dem Kutschbock saß und ihr Vater und Bruder neben- oder hinterher marschierten, verging die Zeit immer schneller. Die Quelle seiner Geschichten und humorvollen Bemerkungen schien unerschöpflich und Juliane liebte es, ihm zuzuhören. Auch sein unglaubliches Wissen faszinierte sie. Er schien immer auf alles eine Antwort zu kennen, nichts schien ihm unbekannt. So fragte sie jetzt: „Wie würden die Leute uns dann auf Englisch nennen?“

      Doktor Retzner musste schmunzeln. Wie unglaublich naiv sie doch war! „Du hast nicht den Schimmer einer Ahnung, nicht wahr?“

      „Ahnung? Wovon?“

      „Dass sich nicht nur eure Namen mit diesem Land verändern werden, sondern auch ihr selbst...du und deine Eltern und deine Brüder und ich natürlich auch. Wir alle werden mit diesem Land, das wir besiedeln, wachsen – oder scheitern. Das steht in unserer Macht, aber wir werden unsere Vornamen auch deshalb anders aussprechen, weil wir dazugehören wollen, weil wir uns als ein Teil dieses ungezähmten, weiten Landes betrachten werden. Verstehst du?“

      Juliane starrte ihn lange an. Wenn er in solch ernste, philosophische Überlegungen ausbrach, bekam sein freundliches Gesicht immer einen eigenartigen Ausdruck, als befände er sich gar nicht mehr hier, sondern irgendwo weit fort, auf einer Wolke, die ihn von einem Gedanken zum nächsten trug.

      „Doch“, sagte sie schließlich, „ich verstehe. Wir werden keine Deutschen mehr sein, sondern Amerikaner.“

      Ein Lächeln bildete sich auf dem Gesicht des Österreichers, das von den zurückliegenden, anstrengenden Wochen eingefallen und müde wirkte.

      „Ganz recht. Wir werden alle irgendwann amerikanische Ausweise bei uns tragen. Du wirst Julie heißen, dein Vater vielleicht Frederick, deine Brüder Hugh und Nicolas und deine Mutter...nun, da bin ich mir offen gestanden nicht ganz sicher, aber ich glaube, sie müsste dann mit einem ‚ou‘ in der Mitte geschrieben werden.“

      „Julie“, sagte das junge Mädchen verträumt. „Mein Name ist Julie Kleinfeld. Klingt das nicht schon sehr amerikanisch?“

      Doktor

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