Wind über der Prärie. Regan Holdridge
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Читать онлайн книгу Wind über der Prärie - Regan Holdridge страница 31
Lagerfeuer wurden angezündet, während sich die Wagen zu einem Kreis formierten. Die Zugtiere wurden abgespannt, getränkt und in die Mitte der Wagenburg getrieben und Wachen für die Nacht eingeteilt. Gleich darauf dufteten die ersten Mahlzeiten und Schüsse fielen, weil sich drei oder vier der jungen Männer aufgemacht hatten, frisches Fleisch zu besorgen.
„Hoffentlich treffen sie nicht versehentlich irgendeine Kuh, die einem Rancher gehört“, raunte Friedrich stirnrunzelnd und setzte sich an ihr Feuer, über dem Luise eine Suppe im Topf zum Kochen brachte. Dazu gab es trockenes Brot. Die Dämmerung brach schnell und unvorbereitet über dem Land herein, das noch unter dem Einfluss des langen Winters stand und dem Frühling nur allmählich gewährte, sich durchzusetzen.
„Meinst du, es gibt hier überhaupt Ranches?“, fragte Hugh, während er sich neben seinem Vater niederließ. Die Fahrt im Wagen und die Strapazen des Trecks hatten seiner Gesundheit nicht sonderlich gut getan. Er war blass und mager und fror sehr schnell. Mindestens alle vier Stunden kontrollierte Hardy Retzner seine Temperatur und den Puls, doch bisher war alles in Ordnung und der Österreicher hoffte inständig, dass es auch so bleiben würde, denn bei einer weiteren Erkältung oder gar einer nochmaligen Lungenentzündung gab er dem jungen Mann keine Überlebenschancen. Darüber sprach er selbstverständlich mit niemandem, aber das Wissen darüber belastete ihn.
Luise machte sich daran, die letzten Konservenbüchsen mit Bohnen und Karotten zu öffnen, die sie in St. Louis eingepackt hatten, um sie in die Brühe zu schütten.
„Bloß gut, dass wir bald in der nächsten Stadt sein müssten“, seufzte sie und holte den großen Topf hervor.
Friedrich schmunzelte. „Du wirst dich daran gewöhnen müssen, wieder ohne Konserven auszukommen! Bis Oregon liegt noch ein weiter Weg vor uns und...“
Er wurde durch ein lautes Klatschen unterbrochen. Im Schein der Lagerfeuer, die neben jedem der Wagen brannten, trat Charlie in die Mitte und hob die Hände zum Zeichen, dass er Aufmerksamkeit erwartete. Zum ersten Mal, seitdem sie ihn kannten, trug er nicht seinen breitkrempigen, schmutzigen Cowboyhut. Sein ungepflegtes Haar glänzte golden im Schein der flackernden Feuer und ließ ihn auf eigenartige Weise unnahbar und gleichzeitig geheimnisvoll aussehen. Er war überhaupt ein merkwürdiger Mensch.
„Was ist los?“, wollte Julie wissen. Sie hatte sich im Inneren des Wagens ihrer schmutzigen Kleidung entledigt, die sie nun zum Trocknen außen an die Holzverkleidung hängen wollte. Morgen wollte sie alles in dem kleinen Flüsschen auswaschen. Stattdessen trug sie jetzt einen langen Rock mit dazugehörigen Unterkleid und die unbequemen Schürschuhe.
„Ah, nichts weiter!“, erwiderte Hardy Retzner auf Deutsch und hob sie vom Wagen herab. Seine Hände legten sich um ihre schmale Taille und er hielt sie einen Moment länger fest als nötig. Eine kaum zügelbare Sehnsucht überkam ihn und er musste einen Schritt von ihr zurücktreten, um nicht die Beherrschung über sich zu verlieren. Sie hatte den Zopf gelöst, der ihr rotblondes Haar für gewöhnlich zusammenhielt und nun fiel es lang und glatt bis über ihre Schultern hinab. Er verspürte große Lust, seine Finger hindurchgleiten zu lassen, doch er glaubte zu wissen, dass er dadurch mehr zerstören als gewinnen konnte.
„Was will Mister Charlie?“, fragte Julie, ihren Blick nicht von dem Mann mittleren Alters abwendend.
Der österreichische Arzt grinste, ehe er sehr leise und auf Deutsch erwiderte: „Ich fürchte, er will uns mit einer Rede beglücken!“
Julie unterdrückte ein Kichern, doch ihre bernsteinfarbenen Augen glitzerten übermütig. Abwartend standen und saßen die Siedler vor und neben ihren Wägen, rund um die Lagerfeuer und wollten wissen, was ihr Führer ihnen mitzuteilen hatte.
Noch einmal hob Charlie den Arm, dann schallte seine tiefe, von dem amerikanischen Akzent stark geprägte Stimme, über die kleine Wiese: „Morgen Mittag werden wir die Town of Kansas erreichen! Macht euch keine Hoffnungen, wir werden uns dort nicht lange aufhalten! Ihr werdet gerade genug Zeit haben, um Lebensmittel zu kaufen oder was auch immer ihr sonst benötigt! Dann geht’s weiter!“
„Wie lange werden wir denn noch bis Oregon brauchen?“, rief jemand, von der Perfektion seines Englisch her vermutete Hardy, es könnte ein Brite sein. Seine grünen Augen betrachteten ihren – vom Äußeren einem Cowboy nicht unähnlichen – Treckführer eindringlich. Er spürte, dass das noch nicht alles gewesen war, was er ihnen zu sagen hatte.
„Oregon“, wiederholte Charlie gedehnt und bemühte sich, seine zu langen, struppigen Haare glattzustreichen, was ihm jedoch nicht gelang. „Oregon ist noch sehr weit fort! Wir müssen über die Rocky Mountains und durch Indianergebiet! Wir haben zwar immer wieder Forts und Städte auf unserem Weg, an denen wir Vorräte besorgen können, aber in Oregon wird sich dann jeder einen Platz für sich suchen müssen! Das wird nicht ganz leicht!“
„Wieso?“, rief jemand anderer. „Ich dachte, in Oregon gibt es noch fast keine Siedler!“
Charlie lachte leise und bellend auf. „Wo habt ihr das gelesen? In einer von euren Zeitungen in Europa?“ Er lachte noch einmal, diesmal lauter. „In Oregon gibt es längst Städte und jede Menge Farmen! Was glaubt ihr, wieviele tausend Leute wie ihr sich in den vergangenen Jahren dorthin auf den Weg gemacht haben und alle mit derselben Hoffnung! Glaubt ihr, die lassen sich das Land von euch einfach so besetzen?“
Ein lautes, protestierendes oder ungläubiges Murmeln ging durch die Menschen. Sie wollten nicht glauben, was sie hörten.
„Und was wollen Sie jetzt tun?“, rief eine aufgebrachte Frau. „Wo sollen wir dann hin?“
„Es gibt eine ganz einfache Lösung!“, schrie ihr Treckführer, beinahe triumphierend, zurück. Er schien genau auf diese Frage gewartet zu haben. „Dieses Land ist riesig! Es werden alle genug Platz finden! Wir werden die Town of Kansas morgen nicht in westlicher, sondern in südlicher Richtung verlassen! Dort unten gibt es noch jede Menge unbesiedeltes, unberührtes Land! Wir werden uns in Richtung Arkansas River aufmachen, bis zu einem Fort, das dort errichtet ist. Da können wir bleiben und...“
„Zum Arkansas River?“, wiederholte Hardy Retzner lauter als beabsichtigt. Alle Augen wandten sich ihm zu. Er hatte die Landkarte genau vor Augen und wusste, wovon Charlie sprach. „Das ist doch alles Indianergebiet!“
„Noch!“, entgegnete ihr Führer selbstbewusst. „Noch ist es das, aber nicht mehr lange! Die Regierung will so schnell wie möglich Verhandlungen mit den Indianern aufnehmen und das Gebiet für die Siedler nutzen.“
„Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist es doch verboten, sich dort niederzulassen!“
Charlie kniff die Augen zusammen. „Willst du mir erklären, welche Gesetze in diesem Land gelten? Welche Rechte ein Siedler hat? Schon einmal etwas von einem Heimstättengesetz gehört?“
„Allerdings“, erwiderte der junge Österreicher erzürnt und bereit, sich mit ihrem Treckführer anzulegen. „Und es besagt nicht, dass es auch für Land gilt, das den Indianern überlassen wurde! Wir haben keinerlei Rechte uns...“
„Rechte!“, brüllte Charlie unkontrolliert und die Geduld verlierend. „Es gibt schon lange Farmer dort unten, ohne dass jemand groß Notiz davon genommen hat! Und jetzt stell dir vor, was passiert, wenn das Land irgendwann zur Besiedlung freigegeben wird und wir bereits dort sind? Weißt du, was das bedeutet?“
„Und wenn es nicht freigegeben wird?“, bohrte Hardy unbeeindruckt nach. „Was dann?“
„Es