Wind über der Prärie. Regan Holdridge

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Wind über der Prärie - Regan Holdridge

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und blass war, konnte Hardy doch guten Gewissens behaupten, dass sie es vermutlich schaffen würde.

      Zwei Männer halfen Torbjörn beim Ausheben des kleinen Grabes und noch am frühen Vormittag fand die Beerdigung für das kleine Mädchen statt, das nicht einmal ein halbes Jahr alt geworden war und nie das Licht dieser Welt hatte erblicken dürfen. Geertje wollte dabei sein, doch Doktor Retzner erlaubte es nicht.

      „Sie müssen eine Woche lang im Wagen liegenbleiben, haben Sie mich verstanden?“

      „Aber, Doktor...“, wollte die junge Frau protestieren, doch Hardy ließ sie nicht aussprechen: „Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist und wenn Sie jemals Ihre neue Heimat zu sehen bekommen wollen, dann tun Sie, was ich Ihnen sage!“

      Seine eindringlichen Worte zeigten Wirkung und Geertje blieb mit Julie im Wagen zurück, wo sie haltlos weinte. Hilflos saß Julie neben ihr und streichelte ihren Rücken, während Geertje von lautem Schluchzen geschüttelt wurde. Sie fühlte tiefes Mitleid mit der jungen Frau, doch konnte sie ihren Kummer nicht wirklich nachvollziehen. Sie erschrak ein wenig über dieser Erkenntnis. Hatte ihr Vater sie nicht Zeit ihres Lebens gelehrt, dass es nichts Wertvolleres gab, als das Leben selbst?

      Nein, sie konnte es nicht, denn in ihrer Vorstellung wollte sie nicht zulassen, dass der Tod etwas Endgültiges, etwas alles Beendendes war. Es musste noch mehr geben, was danach kam, ein neues Leben vielleicht oder ein Dasein als Engel – irgendetwas! Julie senkte den Kopf und schloss die Augen. Nein, ihrem Vater durfte sie davon nichts anvertrauen. Es gab überhaupt niemanden, der ihre Überlegungen diesbezüglich hätte begreifen können, niemanden, mit dem sie darüber sprechen konnte und der sie vielleicht verstand.

      Vielleicht, dachte sie, bin ich ein törichtes, dummes Mädchen, ohne Verstand und Benehmen. Wahrscheinlich bin ich genau das.

      Die Tage zogen dahin, ohne, dass jemand es bewusst wahrnahm. Sonnenuntergang und Tagesanbruch schienen sich so schnell abzuwechseln, dass sie darüber aufhörten zu zählen, wieviele seit dem Aufbruch aus St. Louis mittlerweile hinter ihnen lagen. Bei Tage ging es ohne Unterlass durch rauhes, felsiges Land, mit all seinen unergründlichen Weiten und den unbekannten Gefahren, wie giftige Schlangen und Kojoten. Schließlich erreichten sie einen reißenden Fluss, der ungeheure Kräfte besaß und der von einem See zu einem anderen führte, wie Charlie ihnen erklärte. Sie folgten ihm ein gutes Stück in südlicher Richtung, bis in ebeneres Grasland und er sich dort in ein flaches, fast zahmes Wasser verwandelte. An einer besonders ruhigen Stelle konnten Menschen, Tiere und Wagen ungefährdet ans gegenüberliegende Ufer gelangen, wo ihr Treckführer bestimmte, dass das Lager für die kommende Nacht aufgeschlagen wurde. In zwei Tagen, so seine Einschätzung, würden sie Fort Gibson erreicht haben.

      „Stimmt etwas nicht?“, fragte Julie, als sie den finsteren Blick Hardy Retzners nach der Verkündung dieser Nachricht bemerkte.

      „Nein“, log dieser hastig. „Alles in Ordnung! Alles okay, wie wir jetzt sagen müssen, nicht wahr?“

      Es klang ironisch und Julie zog es vor, den Mund zu halten und ihrer Mutter bei der Zubereitung des Abendessens zu helfen, wie es ihre Pflicht war. Friedrich hatte sich in ein Gespräch mit einem der anderen Siedler vertieft und so blieben Hugh und Hardy alleine am Wagen zurück, um den Maultieren den Schweiß von den Leibern zu waschen, nach ihren Hufen zu sehen und sie an den Fluss zum Tränken zu führen.

      Die Striche, mit denen Doktor Retzner dem dunkelbraunen, kräftigen Tier mit dem alten Fetzen Stoff über das Fell fuhr, wurden mit jeder Minute wütender, bis Hugh es schließlich nicht länger aushielt: „Wenn Sie es meiner Schwester schon nicht anvertrauen wollen – das Vieh kann wohl kaum etwas für Ihre Laune!“

      Ein wenig beschämt senkte der junge Arzt den Kopf und hielt inne.

      „Nein“, murmelte er undeutlich. „Sie haben ganz recht, tut mir leid. Das Tier trifft nun wirklich die wenigste Schuld.“

      „Wen dann?“ Hugh wollte nicht aufgeben. Ihn interessierte, was ihren Begleiter so sehr beschäftigte. Ihm war schon seit Tagen die Veränderung an dem Österreicher aufgefallen, die immer deutlicher zum Vorschein kam. Hardy hob die Schultern. Sein Blick hing starr irgendwo an einem unbestimmten Punkt am vom Wolken verhangenen Abendhimmel.

      „Ich frage mich, weshalb noch keine Indianer versucht haben, uns aufzuhalten.“

      Verständnislos runzelte Hugh die Stirn. „Glauben Sie denn im Ernst, das würden sie tun? Ich meine, was könnten die schon ausrichten?“

      Kritisch blickte Hardy ihn an. „Wir sind bloß etwa siebzig Leute, die meisten davon Frauen und Kinder, gegen einen Stamm von Wilden, der womöglich ein paar hundert geübte Krieger zählt und wir befinden uns in einem Gebiet, das nicht uns, sondern denen gehört! Wir haben kein Recht, uns hier breitzumachen, einfach irgendeine Siedlung zu errichten! Das Land gehört nicht uns! Die Regierung hat es den Indianern zugesprochen!“

      „Hmm“, machte Hugh nachdenklich. „Aber doch nur vorerst gehört es noch ihnen! Wenn die Verhandlungen durch sind, wird das alles anders! Vater meint, wenn wir uns eine Parzelle abstecken, dann...“

      „Dann!“, unterbrach Hardy ihn ungehalten. „Dann hat er sich etwas genommen, was ihm nicht zusteht! Er hat gestohlen! Selbst diese ganzen Soldaten in diesem Fort können uns nicht zu dem machen, was wir von jetzt an nie wieder sein werden – nämlich ehrenhafte Bürger dieses Landes! Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, die wir von weit hergekommen sind, um ein besseres Leben zu führen! Ist es das, was wir alle wollten? Uns ein Stück Land rauben von diesem Volk, das lange vor uns hier gewesen ist und das jedes Recht besitzt, diese Ebenen bis aufs letzte Blut zu verteidigen?! Sag schon, ist es das, was wir wollten?!“

      Hugh schluckte und senkte den Kopf. Schlagartig begriff er, wovon Hardy Retzner sprach. In dieser Sekunde wurde dem jungen Mann bewusst, dass nicht einmal sein Vater unfehlbar war – und diese Erkenntnis traf ihn hart, härter, als er es im Augenblick ertragen konnte.

      „Von dieser Seite habe ich das Ganze noch nie betrachtet.“

      „Schau“, sagte der österreichische Arzt, sehr viel sanfter als zuvor. „Wir reden immer nur von ‚diesen Indianern‘, als seien sie ein Stück Vieh. Dabei wissen wir noch nicht einmal, wie sie aussehen! Vielleicht erkennen wir sie noch nicht einmal, wenn sie vor uns stehen, aber wir rauben ihnen ihr Land und erwarten dann noch, freundlich von ihnen empfangen zu werden! Hugh, alle hier scheinen zu denken, dass die Indianer nichts weiter sind, als irgendein dummes Volk von ungesitteten, ungezähmten Wilden! Vielleicht sind sie das bis zu einem bestimmten Grad, ich kann es nicht beurteilen, denn ich kenne sie nicht und ich habe mir bisher offengestanden herzlich wenig Mühe gegeben, mich mit ihrer Kulter auseinanderzusetzen. Ich kann nur von dem erzählen, was ich über ihre Plünderungen und Morde in den Zeitungen gelesen habe und das war alles andere als erbauend. Ich lege jedenfalls bestimmt keinen großen Wert darauf, einem von ihnen gegenüberzustehen, aber wenn wir nicht umkehren, wird sich ein Zusammenstoß kaum noch vermeiden lassen!“

      „Vielleicht“, begann Hugh zögernd, „lassen sie uns in Ruhe hier siedeln.“

      „Vielleicht“, gab Hardy resigniert zurück und fuhr fort, das Muli trockenzureiben. „Vielleicht werden sie uns vorerst in Frieden lassen, weil ihre Häuptlinge mit Washington verhandeln wollen, aber selbst, wenn das der Grund sein sollte, traue ich diesem Frieden nicht!“

      Der merkwürdig fragende Blick von Hubert entging ihm nicht. Er stand noch immer regunglos am selben Fleck, hantierte mit dem Lappen herum, den er noch eine Minute zuvor dazu benutzt hatte, um Otto, das andere Muli, zu putzen. Hardy Retzner runzelte die Stirn, während er in den Himmel hinaufstarrte.

      „Ich

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