Ein fast perfekter Sommer in St. Agnes. Bettina Reiter
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Читать онлайн книгу Ein fast perfekter Sommer in St. Agnes - Bettina Reiter страница 24
„Man kann dich keine Sekunde aus den Augen lassen, Annielein“, äußerte sich Flatley lachend, „und schon versucht ein anderer sein Glück bei dir.“
Roger kniff die Augen zusammen. „Wer ist noch mal der Typ?“
„Obwohl es Sie nichts angeht“, erwiderte Flatley eisig, „Ich bin Annies Verlobter.“
Mit offenem Mund starrte sie zu Flatley. Im nächsten Moment Roger hinterher, der wütend die Treppe hinaufstapfte. Als er verschwunden war, zog Flatley den Arm von ihrer Schulter, als hätte sie eine ansteckende Krankheit.
„Was sollte das?“, stammelte Annie, die sich schlagartig nüchtern fühlte. „Davon abgesehen: Nennen Sie mich nie wieder Annielein!“
„So viel dazu, dass ich Sie vor diesem Mann gerettet habe.“
„Niemand braucht mich vor Roger zu retten. Das schaffe ich schon allein.“
„Was man deutlich gesehen hat“, höhnte er. „Nicht lange und Sie hätten sich die Klamotten vom Leib gerissen!“
„Na und? Auch das wäre meine Sache gewesen.“
„Stimmt. Ich Trottel habe mich ohnehin nur auf dieses Schauspiel eingelassen, weil mich eine Verrückte um Hilfe gebeten hat. Angeblich, weil ihre Freundin von einem Mann belästigt wird. Damit sie Ruhe gibt, ließ ich mich breitschlagen. Wer konnte ahnen, dass es ausgerechnet Sie sind? Doch dann habe ich die Worte dieses Rogers gehört. Für einen kurzen Augenblick hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass ich eingreifen sollte. Eine Fehleinschätzung, wie sich nun herausstellt.“
Annie schaute ihn herausfordernd an, obwohl sie sich gedanklich in den Boden sinken sah. Es war ihr peinlich, dass er Rogers verletzende Worte mitbekommen hatte. „Wieso? Weil mein Ex betont hat, dass ich eine Granate im Bett bin?“, nahm sie das Vorteilhafteste von dessen Aussage als Schutzschild, um nicht ganz blöd dazustehen.
„Nein, vielmehr war es seine Anspielung auf Ihre … ist ja egal.“ Flatley klang, als wäre er plötzlich zu müde, um sich länger zu streiten.
„Houston, wir haben kein Problem mehr.“ Auf einmal stakste Josie mehr oder minder elegant über die Treppe herunter, wobei sie sich krampfhaft am Geländer festhielt. „Die Gefahr ist gebannt!“, säuselte sie. „Roger hat das Weite gesucht und das Lokal verlassen. Das müssen wir begießen. Ah, da ist ja der Retter in goldener Rüstung.“
„Ist Ihre Freundin immer so schräg drauf?“, flüsterte Flatley Annie zu, die glaubte, ein Schmunzeln zu erkennen. Andeutungsweise zumindest.
„Nur, wenn sie getrunken hat.“
„Kommen Sie, junger Mann, lassen Sie uns einen heben. Selbstverständlich auf meine Kosten, Geld spielt keine Rolle. Vielleicht gebe ich Ihnen noch etwas mit, damit Sie sich morgen eine andere Krawatte zulegen können. Bei den vielen Punkten wird einem extrem übel.“ Josie war tatsächlich kalkweiß.
„Leider muss ich passen, in beiderlei Hinsicht“, wies Flatley ihre Angebote mit Blick auf seine goldene Rolex zurück. „Ich werde nach Hause fahren.“
„Sie sind doch gerade erst gekommen“, stellte Josie verwundert fest.
„Ich habe eine Viertelstunde für einen Drink eingeplant. Die ist nun vorbei. Meine Damen.“ Er beugte leicht den Kopf. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“ Leichtfüßig eilte er über die Treppe hinauf. Josie starrte ihm unverhohlen nach.
„Was für ein knackiger Zeitgenosse“, bewertete sie Flatley und lehnte sich wie ein nasser Sack an die Wand. „Der ist bestimmt auf der Durchreise. Schade.“
„Für wen? Für dich oder für ihn?“
„Für dich, du Dummerchen. Der stellt Roger gnadenlos in den Schatten und ein Abenteuer hilft am besten über eine alte Liebe hinweg.“
„Ich bin keine für einen One-Night-Stand, so gut solltest du mich kennen.“ Annie war durcheinander. Ob wegen Roger oder Flatleys Eingreifen konnte sie jedoch nicht sagen. „Das war übrigens Jack Flatley.“
„Der Limo-Mann?“ Josie wurde um einige Nuancen blasser und hätte mittlerweile getrost eine Leiche in einem Film mimen können. Leider vertrug ihr Magen im seltensten Fall Alkohol. Morgen würde sie den ganzen Tag über dem Klo hängen.
„Richtig. Der Limo-Mann.“
„Wow, du hast gar nicht erwähnt, dass er so attraktiv ist.“
„Weil es nicht wichtig ist. Und bevor du weitersprichst: Er hat Familie.“
♥
Jack verließ mit Leni die St. Agnes Bakery. Da er sich gestern dazu entschlossen hatte, bis zum Abriss in der Villa zu bleiben, musste er Lebensmittel besorgen. In das Hotel zog es ihn ohnehin nicht zurück, allerdings war es eine neue Erfahrung, für sich selbst sorgen zu müssen. Bisher hatte sich stets seine Haushälterin Greta um alles gekümmert. So gesehen wäre er dumm, würde er Annie schon heute entlassen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte. Immerhin konnte sie etwaige Botengänge übernehmen, für einen gutgefüllten Kühlschrank sorgen und die Mahlzeiten zubereiten. Zu putzen gab es in dem leeren Haus ohnehin kaum etwas. Allerdings würde er sich für die Übergangszeit einige Möbel besorgen müssen.
„Mein Dad geht zu Fuß!“, freute sich Leni, die ihm eine Einkaufstasche abnahm. Ihr Haar war zerzaust, als wäre sie gerade aus dem Bett gestiegen und ausnahmsweise war sie heute ganz in Schwarz gekleidet. Hoffentlich wurde sie nicht zum Grufti, aber er durfte nicht hinter jeder neuen Moderichtung irgendeine Bedrohung sehen. Das hatte er zumindest gestern auf Google gelesen, als er nach Erziehungstipps suchte.
„Ein Fußmarsch, zu dem mich meine Tochter förmlich gezwungen hat.“ Jack lächelte.
„Um dir zu zeigen, wie schön es hier ist. Nie zuvor habe ich einen idyllischeren Ort gesehen. In New York ist alles so hektisch, als müsste jeder mithalten und sich deswegen doppelt anstrengen. Ein Gedränge wie auf der Überholspur. In St. Agnes kann man hingegen die Seele baumeln lassen. Der Ort fühlt sich an wie eine Hängematte. Ich sage nur: Hinlegen und entspannen. Kein Hupen, kein Trubel, nur Meeresrauschen.“
Jacks Schritte waren mit jedem Wort langsamer geworden, bis er schließlich stehenblieb. Es dauerte, bis es Leni bemerkte, die umkehrte und mit fragender Miene vor ihm stoppte. „Sag mal, aus welchem Film hast du das denn?“
„Aus keinem. Sind meine eigenen Worte.“ Sie blinzelte. Das tat sie meistens, wenn sie flunkerte. „Ich beobachte eben genau und werde langsam erwachsen.“
„Und das soll ich dir glauben?“
„Ach Dad, ich will nur, dass du es dir mit der Villa noch einmal überlegst.“
Jack ging weiter. Leni folgte ihm. „Wieso ist dir das so wichtig?“
„Weil ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl habe, dass es ein Zuhause werden könnte“, erwiderte sie leise. „Kein Loft mit Designermöbeln und einer Aussicht über Hunderte von Wolkenkratzern. Hier grüßen einen die Menschen sogar. In New York tun das nur die Leute, die wissen, dass ich deine Tochter bin.“
„Dein Großvater und ich haben andere Pläne,