You Belong To Me. Sarah Glicker
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Hannah wirft mir einen bösen Blick zu, was mich dazu bewegt, entschuldigend die Hände zu heben. Wieder tippt sie wie wild auf ihrem Handy herum und beachtet mich nicht mehr.
Die wenigen Studenten, die sich ebenfalls hier draußen aufhalten, sitzen auf dem Rasen und nippen an den Wasserflaschen in ihren Händen. Für sie ist der Abend gelaufen. Ich habe auch ein wenig Alkohol intus, aber nicht genug, dass ich betrunken bin.
Denn heute ist der Todestag meiner Mutter und an dem möchte ich mich nicht besaufen.
Als sie ihren Blick von dem Handy in ihrer Hand löst, kann ich ihren genervten Gesichtsausdruck erkennen. Ich nehme an, dass die Nachricht ihres Freundes ihr nicht passt.
„Jonas möchte noch bleiben. Er ist mit den Jungs hinten im Garten. Wir sollen auch kommen“, erklärt sie und zeigt dabei in die entsprechende Richtung, in der wir ihn finden würden.
„Das ist kein Problem für mich. Ich kann auch alleine zurückgehen. Ich will nur noch in mein Bett und schlafen. Für heute reicht es mir“, entgegne ich mit fester Stimme.
„Bist du dir sicher?“, fragt sie, nachdem sie mich ein paar Sekunden skeptisch betrachtet hat.
Um meine Aussage zu unterstreichen, nicke ich einmal kurz.
„Ich wünsche dir noch viel Spaß“, rufe ich, während ich mich bereits umdrehe.
„Aber schreibe mir, sobald du im Wohnheim bist“, ruft sie mir noch hinterher, nachdem ich mit schnellen Schritten an den ersten Grüppchen vorbeigegangen bin.
Als ich den Bürgersteig erreiche, schlage ich den Weg n ach Hause ein. Mir ist bewusst, dass Hannah jetzt noch dasteht und mir nachschaut. In den letzten beiden Jahren hat sie mich nur ungern an diesem Tag alleine gelassen. Aber von Anfang an musste ich ohne Hilfe damit klarkommen, daher will ich nicht, dass sich jemand deswegen Sorgen macht. Mein Entschluss steht fest. Bevor ich mich ins Bett lege und den Tag endgültig hinter mich bringe, möchte ich noch ein paar Minuten meine Ruhe haben.
Gedankenverloren gehe ich die Straße entlang und begutachte die Häuser. In ihnen wohnen Familien und glückliche Paare. Kinder, die bei ihren Eltern aufwachsen können. Obwohl mein Herz bei diesem Gedanken schmerzt, gönne ich es ihnen. Es gibt nichts Schöneres, als bei seiner Familie zu sein. Leider wurde mir das Familienleben viel zu früh genommen.
Kurz bleibe ich vor einem Haus stehen, das dem ähnlich sieht, in dem ich mit meiner Mutter gelebt habe. Es ist von Blumen und Bäumen umgeben. Ein riesiger Garten führt von vorne nach hinten. In dem Vorgarten hängt eine Schaukel an einem Baum und ein weißer Zaun steckt die Grenze ab. Als ich hinter einem der Fenster Licht erkenne, stelle ich mir vor, wie eine Mutter gerade ihr Baby ins Bett legt.
Frustriert gehe ich weiter und stoße mit dem Fuß immer wieder einen Stein von mir weg. Meine Hände habe ich in den Hosentaschen vergraben und mein Blick ist auf den Boden gerichtet. Die Straßen werden nur spärlich von den Laternen beleuchtet, aber das Licht reicht aus, damit ich gegen kein Hindernis laufe.
Als das Wohnheim in Sichtweite kommt, höre ich plötzlich ein Geräusch hinter mir. Erschrocken drehe ich mich um. Da der Mann, der plötzlich vor mir steht, mindestens drei Köpfe größer ist als ich, muss ich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen schauen zu können. Und ich bin nicht klein. Mit meinen Eins siebzig überrage ich viele meiner Freundinnen und auch Hannah um ein ganzes Stück.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange ich darauf gewartet habe“, zischt er und kommt dabei auf mich zu. In dem trüben Licht erkenne ich das Messer mit der langen Klinge, welches er in der Hand hält. Der Anblick lässt mich zurückweichen.
So viele Fragen gehe mir durch den Kopf, aber ich schaffe es nicht, auch nur eine einzige von ihnen auszusprechen. Mein Blick ist auf das Stück Metall gerichtet, während jeder Zentimeter meines Körpers auf Flucht gepolt ist.
Was will er von mir?, frage ich mich immer wieder, während ich panisch nach einer Möglichkeit suche, ihm zu entkommen.
Ich bin nur noch zwei Häuser von meinem Wohnheim entfernt, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich nicht schnell genug rennen kann, um ihm zu entkommen. Seine Beine sind fast doppelt so lange wie meine. Sein breiter und muskulöser Oberkörper gibt mir zu verstehen, dass er regelmäßig das Fitnessstudio besucht. Ich brauche nicht groß über meine Chancen nachzudenken, um zu wissen, dass sie gegen null gehen.
Als mir das klar wird, steigt Verzweiflung in mir auf und mein Körper beginnt zu zittern. In den letzten Jahren habe ich genug von solchen Überfällen gehört, um zu wissen, dass sie selten gut ausgehen.
„Du hast Angst, das kann ich genau sehen.“ Seine Stimme geht mir durch Mark und Bein, allerdings nicht auf eine positive Art und Weise.
Hilfesuchend huschen meine Augen nach links und rechts, aber alles ist dunkel und still. Es ist fast so, als wäre ich mit ihm alleine auf der Welt.
In einem langsamen Tempo kommt er noch einen Schritt auf mich zu, während ich um dieselbe Distanz nach hinten zurückweiche. Als ich eine Mauer in meinem Rücken spüre, zucke ich erschrocken zusammen.
Auch er scheint das zu bemerken, denn er kommt immer näher und grinst mich dabei dreckig an. Als er den Lichtschein einer Laterne passiert, kann ich sein Gesicht erkennen. Seine Zähne sind strahlend weiß und unter seinem gestutzten Bart fällt mir das markante Kinn auf. Sein gefährlicher Blick lässt mich nicht los.
Bei jeder noch so kleinen Bewegung beobachtet er mich. Als mein Blick auf seine Stirn fällt, entdecke ich eine lange Narbe. Sie reicht von der linken Augenbraue so weit hoch, dass ein Teil von ihr von den Haaren verdeckt wird. Sie ist ungefähr zwei Zentimeter dick und wulstig. All das verstärkt sein gefährliches Auftreten.
Verzweifelt versuche ich, meine Angst zu verdrängen, aber gelingen will es mir nicht.
Wieso bin ich nicht auf dieser verdammten Party geblieben?, frage ich mich immer wieder.
„Du siehst ihnen so ähnlich.“ Nun steht er direkt vor mir.
Der Geruch eines viel zu starken Aftershaves dringt mir in die Nase und sorgt dafür, dass mein Magen sich beinahe umdreht. Seine dunklen Augen starren zu mir hinab.
„Du bist ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten.“
Nur langsam dringen seine Worte zu mir durch. Ich habe keine Ahnung, worüber er redet. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er seine freie Hand hebt, doch bevor er damit auch nur in die Nähe meines Gesichts kommen kann, drehe ich meinen Kopf ein Stück nach links.
„Du kannst dich nicht vor mir verstecken.“
Ein dreckiges Grinsen zieht sich über seine Lippen, während er sie sinken lässt.
„Was wollen Sie von mir?“, bringe ich endlich leise und stotternd hervor. Das raue Lachen, das in der nächsten Sekunde ertönt, sorgt dafür, dass sich eine Gänsehaut auf meinem Körper bildet.
Er antwortet nicht, sondern hebt die Hand, in der er das Messer hält, und dreht es hin und her. Die Klinge befindet sich so