Der Ruf des Kojoten. Regan Holdridge
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Читать онлайн книгу Der Ruf des Kojoten - Regan Holdridge страница 22
Als er in den Spiegel über seiner Kommode blickte, erschrak er über seinen eigenen Anblick: Dunkle Ränder zeichneten sich unter seinen Augen ab und an der Stelle am Hals, wo Tyrone Clifton ihn gewürgt hatte, prangte eine blau unterlaufene Linie. Seine rechte Hand schmerzte außerdem von den beiden Schlägen, die er dem Schmied verpasst hatte. Auch seine Nase war noch ein wenig geschwollen, auch wenn er sich nicht erinnerte, weshalb sie überhaupt geblutet hatte. Nein, er sah sich wirklich außerstande für einen Kirchenbesuch.
Stacy betrat als letzter den Wohnraum, wo der Frühstückstisch gedeckt auf ihn wartete. Die einzigen beiden, die ihm keinen vorwurfsvollen Blick zuwarfen, waren seine beiden Schwestern. Sie schenkten ihm ein Lächeln und ein munteres „Guten Morgen!“, das er jedoch aufgrund seiner Kopfschmerzen kaum ertrug. Liebevoll strich er Sarah im Vorübergehen kurz durch das goldbraune Haar, bevor er sich neben seinem Vater ums Tischeck, auf seinem Stammplatz niederließ. Der Geruch des Rühreis mit Speck drehte ihm fast den Magen um, doch er bemühte sich, es zu verbergen. Er besaß noch keinen Nerv, sich – wie meistens nach diesen Tanzveranstaltungen und schon überhaupt nicht nach der gestrigen – eine Standpauke seines Vaters anzuhören.
Wortlos nahm Sarah den Teller ihres Bruders und füllte ihn. Immer wieder wanderte ihr Blick zu seinem blassen Gesicht und den rotgeschwollenen, müden Augen. Sie hatte ihn nie danach gefragt, weshalb er sich Samstagabend immer so lange in der Stadt herumtrieb, aber sie konnte es sich denken und ihr waren auch entsprechende Gerüchte zugetragen worden. Andere junge Männer und auch Byron schienen sich da wesentlich besser im Griff zu haben als Stacy und sie fragte sich, was ihn wohl dazu brachte, sich so schrecklich danebenzubenehmen, wo er doch wusste, dass ihr Vater regelmäßig einen Wutanfall deswegen bekam.
„Ich hoffe, dein Gesichtsausdruck ändert sich noch zum Positiven, bis wir bei der Kirche angelangt sind“, bemerkte Harold wie nebenbei, doch sein strenger, finsterer Blick offenbarte Stacy sehr genau, was sich hinter diesen Worten verbarg.
„Ich werde mich bemühen“, murmelte er so leise, dass sein Vater ihn kaum verstand. Ihm gegenüber saß Byron, der ihn regungslos anstarrte, als wartete er auf irgendetwas und Stacy erahnte die Zusammenhänge. Dieser Verräter!
„Hoffentlich.“ Harolds Stirn legte sich in tiefe, kritische Falten. „Es ist mehr als entrüstend zu erfahren, dass der eigene Sohn sich mit einer bestimmten Art…“ Er hüstelte unangenehm berührt, als er die gespannten, fragenden Blicke seiner Töchter spürte. „…nun, nennen wir es Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts abgibt.“
Ruckartig warf Stacy den Kopf zurück. Seine Kopfschmerzen waren vergessen. „Wieso sprichst du nicht einfach aus, was du denkst und schon weißt?! Dass ich mich regelmäßig mit einer Nu…“ Er biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge und warf einen raschen Seitenblick auf seine kleinen Schwestern, die ihn ein wenig verwirrt und ahnungslos anstarrten. Sie begriffen nicht, weshalb ihr Vater und Stacy sich auf einmal stritten. Sie hatten beide keinen Schimmer, worum sich das Gespräch überhaupt drehte.
„Also, mit einer bestimmten Frau treffe!“, vollendete er schließlich. Seine blauen Augen blitzten zornig.
„Dass du dich dauernd mit irgendwelchen Mädchen triffst, ist ja nichts Neues“, bemerkte Charlotte prompt und grinste herausfordernd. „Es ist doch im weiten Umkreis bekannt, dass niemand außer dir so viele Verehrerinnen um sich scharen kann!“
Harold erstarrte, seine Miene verfinsterte sich noch mehr. „Ich glaube kaum, dass dies ein geeignetes Thema für einen Frühstückstisch am Sonntagmorgen ist!“, donnerte seine tiefe Stimme durch den Raum und erstickte jeglichen Wunsch seiner Tochter, noch mehr stichelnde Kommentare von sich zu geben. „Beeilt euch lieber, pünktlich in der Kirche zu erscheinen, wie es sich gehört!“
Byron hatte Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen und senkte daher schnell den Kopf, damit niemand das Zucken um seine Mundwinkel bemerkte. Er konnte nicht unbedingt behaupten, dass er Schadenfreude verspürte – er hasste es, wenn sein Vater wegen seines kleinen Bruders üble Laune verbreitete. Ihm lag lediglich die Bemerkung auf der Zunge, dass Charlotte in der Hinsicht Stacy in nichts nachstand. Nur mit dem Unterschied, dass sie es nicht gleich soweit kommen ließ, dass es ihretwegen zum Streit kam.
„Nein!“, schrie Stacy plötzlich wütend und sprang auf. Er schleuderte die Serviette auf sein unberührtes Essen. Hunger verspürte er sowieso keinen. „Ich habe diese ständige Bevormundung satt! Vater, du musst endlich begreifen, dass ich nicht vorhabe, schon mit Ende zwanzig an die Leine genommen zu werden!“
„In welchem Tonfall sprichst du denn mit mir?“, brauste Harold auf und erhob sich langsam von seinem Stuhl, es wirkte beinahe wie eine Drohgebärde. Er hatte geglaubt, seinen jüngsten Sohn zumindest halbwegs gut und anständig erzogen zu haben nach Feys Tod. Dass ihm das nicht wirklich gelungen war, dämmerte ihm schon seit längerem, aber dann erfuhr er von Byron gleich am Morgen, nach dem Aufstehen, was sein zweiter Sohn sich alles zu getrauen schien. Bisher hatte er versucht, dessen unmögliches Benehmen und die ständigen Raufereien, nach denen er ihn regelmäßig am anderen Morgen beim Sheriff abholen konnte, zu ignorieren und sie als jugendliche Ausschweifungen abzutun. Doch das hier ging entschieden zu weit!
„Ich bin trotz der Tatsache, dass du dich für erwachsen hältst, noch immer dein Vater! Und ich möchte keinen Sohn, der sich zum Stadtgespräch im negativen Sinne macht!“
„Ach nein? Und was sagst du dazu, wenn mich das ganz und gar nicht stört? Ich habe meinen Spaß und nur darauf kommt es an! Ich will nicht meine besten Jahre kaputtmachen, indem ich mir die Verantwortung für eine Frau und einen Haufen schreiender Bälger aufhalse! Das reicht noch, wenn…“
Der harte Schlag gegen seine linke Wange unterbrach seinen Ausbruch. Der Schmerz schoss ihm in den ohnehin schon dröhnenden Schädel. Regungslos starrte Stacy seinen Vater mit offenem Mund an. Es lag lange zurück, dass er sich das letzte Mal eine Ohrfeige von ihm eingefangen hatte. Er schluckte, seine Wange brannte und fühlte sich an wie taub, während das Blut in seinen Gehirnwindungen schmerzend pulsierte. Beinahe noch schlimmer empfand er jedoch den triumphierenden Blick aus Byrons dunklen Augen, der ihn, ruhig auf seinem Stuhl sitzend, anlächelte, als wollte er damit sagen: ‚Was bist du bloß für ein Vollidiot!‘
Harolds Gesicht hatte sich knallrot verfärbt und seine großen, kräftigen Pranken packten die Oberarme seines Sohnes unerwartet schnell und grob.
„Setz dich hin“, zischte er leise, „und iss dein Frühstück, damit wir endlich in die Kirche fahren können!“ Seine Stimme klang warnend, sie zitterte ein wenig vor überschäumendem Zorn. Als Stacy dem Befehl nicht sofort nachkam, packte Harold ihn unsanft und warf ihn auf den Stuhl zurück.
Im Wohnraum herrschte lähmende Stille. Nur das Ticken der Standuhr machte ihnen klar, dass die Zeit unaufhörlich voranschritt und diese schreckliche Situation irgendwann vorbei sein würde. Die Stuhlfüße kratzten auf den Holzbohlen, als Sarah sich behutsam erhob. Ihre kleine, zarte Hand legte sich auf den Unterarm ihres Vaters.
„Bitte, Pa, beruhige dich“, bat sie leise. „Denk an deinen Blutdruck!“
Es dauerte noch einige Sekunden, dann setzte Harold sich auf seinen Stuhl zurück, nahm seine Gabel wieder auf und aß weiter, als wäre nichts geschehen. Auch Byron und Charlotte taten es ihm nach. Niemand sprach ein Wort und die Spannung, die in der Luft zu explodieren drohte, war kaum zu ertragen.
Stacy brauchte einige Minuten, ehe er realisieren konnte, was passiert war: Er hatte versucht, sich gegen seinen Vater aufzulehnen und war gescheitert. Hätte ihm nicht so viel an dieser Ranch gelegen, die er nicht einmal erben würde, weil er nur der Zweitgeborene war – vermutlich wäre er jetzt auf und davon und über alle Berge. Sein