Der Ruf des Kojoten. Regan Holdridge

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Der Ruf des Kojoten - Regan Holdridge

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seine Bestimmung war es, der nächste in dieser Reihe zu sein.

      Der junge Mann seufzte tief. Er war nun siebenundzwanzig Jahre alt und manchmal überkam in das geradezu panische Gefühl, dass sein Leben an ihm vorüberzog, ohne dass er es jemals wirklich genossen hatte oder auch nur verspürt, was es bedeutete, glücklich zu sein. Genau, wie seine verstorbene Mutter Fey vor vielen Jahren, fand er die Befriedigung nur im geschriebenen Wort, in Büchern und Zeitungen und damit in der Gewissheit, dass diese Welt noch mehr zu bieten hatte als ein Fleckchen Erde im Westen dieses unüberschaubar riesigen Landes. Er war schon immer getrieben von dem unstillbaren Verlangen, danach zu greifen, alles daran zu setzen, dass es ein „Mehr“ wurde. Ein Mehr an allem, nicht nur an materiellem Besitz, in erster Linie an Selbstbestätigung und dem Bewusstsein, dass er Größeres für sich schaffen konnte als lediglich der Erbe einer einfachen Rinderranch zu sein. Die Vorstellung bekam mit jedem Mal, da er sich dies vor Augen führte, einen bittereren Nachgeschmack.

      Sein Schimmel scheute vor einem Vogel, der aus einem Gestrüpp flog und sprang mit einem mächtigen Satz zur Seite. Im letzten Moment gelang es Byron, sich am Sattelhorn festzuklammern, um nicht im hohen Bogen herabzustürzen. Er stieß einen leisen Fluch aus und griff in die Zügel. Der Wallach schnaubte und rammte seine Beine in den Boden. Byron richtete sich auf und drückte seinen schmutzigen Stetson tiefer ins Gesicht. Es war eben ein Tag, wie so viele andere davor und doch war er es nicht.

      Die grelle Sonne stand hoch am Himmel, ließ den Sand im Innenhof beinahe weiß erscheinen; das Zwitschern der Vögel drang durch die offenen Fenster zum Wohnraum hinein. Das Pendel der schweren, alten Standuhr schwang tickend hin und her und brachte Charlotte dazu, alle paar Minuten auf das Ziffernblatt zu sehen – schon gleich halb fünf Uhr nachmittags! Entsetzlich! Draußen herrschte das herrlichste Wetter und sie saß nutzlos hier im Haus herum und weshalb?

      „Kuck doch nicht immer, wann du endlich gehen kannst“, bemerkte Sarah schließlich gereizt, als ihre Schwester schon wieder nach der Uhr schielte und setzte den nächsten Stich, um den Knopf an Stacys Hemd anzunähen. „Deine Ballettstunde läuft dir schon nicht davon!“

      „Ach, du hast doch keine Ahnung!“ Genervt verzog Charlotte das Gesicht zu einer bösen Grimasse und schüttelte den Kopf so heftig, dass ihr Pferdeschwanz rechts und links gegen ihre Ohren schlug. „Es ist jedesmal dasselbe, seitdem Tante Harriet ins Altersheim gezogen ist! Ständig müssen wir ran und den Haushalt schmeißen!“

      Rügend verzog Sarah die Lippen. „Tante Harriet hat sich seit Mutters Tod um uns gekümmert und alles für uns getan! Sie hat ein gutes Recht, sich einen schönen Lebensabend zu gönnen, jetzt, wo wir erwachsen sind! Außerdem kann sie sich kaum noch selbst versorgen, das weißt du. Wie sollte sie uns da eine Hilfe sein?“

      „Ja, ja, ich weiß“, versuchte ihre Zwillingsschwester beinahe verzweifelt vor lauter Ungeduld, den Haussegen zu wahren. „Es ist doch bloß, dass ich es hasse, zu spät zu kommen! Und nachdem der Wagen ja mal wieder nicht da ist, muss ich das Fahrrad nehmen!“

      „Das kann dir nicht schaden!“ Es war nicht so böse gemeint, wie es klang, doch Charlottes hellbraune Augen blitzten zornig auf.

      „Du bist ja nur neidisch!“, rief sie aufgebracht. „Weil du zum Tanzen überhaupt kein Talent hast! Darum hast du nach ein paar Stunden auch schon aufgegeben!“

      Sarah seufzte und schüttelte den Kopf. „So ein Blödsinn! Früher habe ich für die Schule lernen müssen und jetzt habe ich einen Job! Außerdem gehe ich lieber reiten als ins Ballett!“

      „Sicher“, kommentierte ihre Schwester ungerührt. „Ich erinnere mich noch sehr lebhaft daran, dass du jahrelang von nichts anderem gesprochen hast als davon, Mannequin zu werden oder sowas!“

      „Mach’ dich nicht lächerlich!“ Sarah biss sich auf die Lippen und stach sich mit der Nadel in den Finger. „Dazu bin ich überhaupt nicht hübsch genug.“

      „Nein, du nicht!“, erwiderte Charlotte giftig und fuhr fort, das Loch in der Hose ihres ältesten Bruders zu stopfen. Oh, wie sie sie hasste, diese lästigen Hausarbeiten!

      Die beiden 19jährigen Zwillingsschwestern schwiegen für eine lange Weile. Sie wollten sich nicht zanken und doch geschah es in den letzten Monaten beinahe täglich, dass sie aneinandergerieten. Es schien wie eine Art Zwang – beide mussten der jeweils anderen beweisen, dass sie recht hatte.

      Nach Beendigung ihrer Schullaufbahn hatte für beide das Arbeitsleben begonnen. Charlotte fand eine Anstellung in einer Modeboutique, was ihr recht gut gefiel. Ihre natürlich-elegante Art, ihr hübsches, zartes Gesicht mit den vielen, kleinen Sommersprossen und der unwiderstehliche Charme, mit dem sie jede Kundin einzuwickeln vermochte, machten sie für den Laden mittlerweile fast unentbehrlich. Es war nicht das, was sie sich für ihr Leben erträumt hatte, aber immer noch besser als die meisten anderen Optionen, die ihr nach der Highschool offengestanden hatten.

      Sarah hingegen hatte keine allzu großen Wahlmöglichkeiten gehabt. Ihre Noten waren trotz aller Bemühungen nicht die besten gewesen und zudem besaß sie weder das hübsche Gesicht, noch die Ausstrahlung ihrer Schwester. Obwohl sie Zwillinge waren, so entwickelten sich im Laufe ihres Heranwachsens doch unterschiedliche Eigenschaften sehr prägnant aus; sie waren eben zweieiige Zwillinge und das nicht nur äußerlich. Für Sarah war schließlich eine Stelle im Büro in einem der Supermärkte übriggeblieben. Sie half bei der Buchhaltung und dem Schriftverkehr und brachte dem Chef den Kaffee, wenn er danach plärrte, war sozusagen Mädchen für alles.

      „Ach, ich hab’ die Nase voll!“ Charlotte schleuderte die Hose beiseite. Sie musste sich nun wirklich beeilen, wenn sie noch halbwegs pünktlich zu ihrer Ballettstunde kommen wollte. Sie rannte hinüber zur Garderobe, wo bereits ihr Turnbeutel mit den Schuhen und ihrer Kleidung lag.

      Sarah warf einen kurzen Blick über ihre Schulter zurück. Es hatte keinen Sinn, sich deswegen schon wieder zu streiten, sie wusste es. Ihr Vater stand in solchen Fragen immer und ohne Ausnahme hinter Charlotte. Irgendetwas bewog ihn zu glauben, sie habe ein großes Talent fürs Ballett und das Tanzen – im Gegensatz zu seiner anderen Tochter, die eigentlich gar nichts richtig konnte. Sarah verdrängte den Gedanken schnell und widmete sich wieder Stacys Hemd. Dann würde eben sie die Näharbeiten erledigen, damit ihre Brüder und ihr Vater wieder ordentlich herumlaufen konnten.

      „Wenn Pa zurückkommt und nach mir fragt, kannst du ihm ja sagen, dass ich nicht länger warten konnte!“ Charlotte stürmte hinaus, die Haustür flog mit einem Knall ins Schloss. Lange blickte Sarah ihr nach, ihr Kopf fühlte sich leer und müde an. Sie seufzte tief. Ach ja, das waren noch schöne Zeiten gewesen, als Tante Harriet sich um alles gekümmert, ihnen die Mutter ersetzt hatte! Wenn wenigstens Charlotte nicht ständig motzen und dann abhauen würde, wenn sie keine Lust hatte, sich um etwas zu kümmern! Aber nein, Charlotte konnte es sich ja erlauben, Charlotte durfte alles, was sie wollte!

      „Ich dachte, du wolltest noch mit der Stute ausreiten?“ Sarah zuckte erschrocken zusammen. Es war Stacy. Sie hatte ihn nicht kommen bemerkt. Er stand in der jetzt wieder offenen Haustür und klopfte seinen hellbraunen, verstaubten Hut an den ledernen Überziehhosen ab. „Onkel Jon will auch mit.“

      „Oh, Stace!“ Entrüstet legte Sarah ihre Näharbeit beiseite und schob ihren Bruder zurück, über die Türschwelle, auf die überdachte Veranda. „Ich habe erst heute Morgen frisch den Boden gewischt und jetzt liegt wieder alles voller Dreck und Sand!“

      Entschuldigend verzog ihr Bruder sein hübsches Gesicht. „Das mit dem Sand lässt sich so schlecht vermeiden! Er klebt nunmal überall!“

      „Das sagt Pa auch immer und ich habe dann die Arbeit damit!“

      Stacy

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