Der Ruf des Kojoten. Regan Holdridge

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Der Ruf des Kojoten - Regan Holdridge

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erst bei der zweiten Box angelangt war und damit nicht weit entfernt vom Eingang stand, konnte ich jedes Wort, das draußen gesprochen wurde, verstehen. Neugier war selten etwas, was ich zähmen konnte und deshalb äugte ich erst einmal aus der Box heraus, was dort vor sich ging.

      Tom hatte heute in aller Früh angefangen, ein paar der jungen, noch ungerittenen Pferde an den Sattel zu gewöhnen und stand jetzt mit einem von ihnen am Anbindebalken neben dem Tor, als der unerwartete Besuch vorfuhr.

      „Was willst du hier?“ Es klang schroff und genervt.

      „Mit dir sprechen, das ist alles!“ Die junge Frau strich sich das blonde Haar aus dem Gesicht und ich fand – nicht ganz ohne Neid – dass sie sehr hübsch aussah. Kein Wunder, dass sie der Typ Frau war, auf die Männer wie Tom McCullough abfuhren. Ich konnte nicht anders und die Augen verdrehen – alle Klischees erfüllt. Ich gab mir einen Ruck und kratzte weiter den Mist zusammen, jedoch nun sehr darauf bedacht, keine Geräusche zu verursachen.

      „Ich wüsste nicht, worüber wir noch sprechen sollten!“ Sein tiefer Bariton ließ vermuten, dass die Konversation hiermit für ihn beendet war. „Und jetzt muss ich weiter arbeiten.“

      „Ach, Tom!“ Der Tonfall der jungen Frau klang genervt und flehend zugleich. „Könnten wir nicht alles bei einem Abendessen in Ruhe bereden?“

      „Hör zu“, sagte er und es war offensichtlich, dass seine Geduld bald am Ende angelangt sein würde. „Ich habe weder Zeit, noch das Verlangen, irgendetwas mit dir durchzukauen, was sich für mich schon längst erledigt hat! Würdest du jetzt bitte so nett sein und mit deinem Wagen da wegfahren? Du stehst im Weg.“

      Selbst diese Frage klang aus seinem Mund irgendwie sarkastisch und ich warf einen schnellen Blick hinaus in den Hof. Ihn konnte ich nicht sehen, weil er hinter dem Tor stand, doch die junge Frau verharrte genau in meinem Winkel und zu meinem Erstaunen entdeckte ich auf ihrem hübschen Gesicht einen Anflug von Zorn.

      „Dann mach’ doch was du willst!“ Sie wirbelte herum und stapfte auf ihren hohen Absätzen wenig damenhaft zurück zu ihrem Wagen. „Aber bild’ dir ja nicht, dass du dann eines Tages daherkommen könntest!“

      „Habe ich nie vorgehabt!“

      Der Motor heulte auf und im nächsten Moment brauste das Auto davon. Ich grinste still in mich hinein, während ich den Rancher von draußen leise fluchen und schimpfen hörte, jedoch keines der Worte verstand, was vielleicht auch besser war. Meine Augen wanderten zurück in Richtung Tor, von wo nun Schritte zu vernehmen waren. Im nächsten Augenblick erschien seine große, kräftige Gestalt in der Tür zur Box.

      „Na?“, fragte er und seine Stimme brachte mein Herz zum Stolpern. Ich starrte ihn eine Sekunde regungslos an…diese dunklen, unergründlichen Augen. Was hatte Randy erzählt? Sein Vater sei ein Halbblut-Indianer gewesen? Daher vermutlich auch die dunklen Haare und der braune Teint, der bei allen anderen Hellhäutigen wohl nur durch regelmäßige Solariumbesuche zu erreichen war.

      „Mein Bruder meinte, du machst dich ganz gut und ich kann auch nicht klagen.“ Er schaute sich die Box an, die ich bereits fertig gemistet und frisch eingestreut hatte. „Vielleicht schaffst du’s, dir heut noch ein paar Sättel vorzunehmen. Müssen dringend geölt werden.“

      „Mal sehen, was sich machen lässt.“ Ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden. Verdammt! Was war denn nur in mich gefahren?

      „Gut“, sagte Tom, nickte, lächelte kurz und wandte sich in die andere Richtung, um wieder zum Tor hinaus zu verschwinden.

      Ich atmete aus und merkte erst jetzt, dass ich die ganze Zeit wie ein Soldat vor dem General dagestanden hatte. Zornig schaufelte ich den Pferdemist weiter zusammen. Ich ärgerte mich nicht nur über mich selbst, sondern über die ganze Situation und wie sie verlaufen war. Ich wollte ihn nicht attraktiv finden! Ich hatte mir geschworen, mich niemals wieder zu verlieben und das war auch bislang nicht allzu schwer gewesen, bei der Auswahl an Männern, die zur Verfügung standen. Aber bei ihm…er war so anders, so außergewöhnlich. Er hatte etwas mit mir angestellt, vom ersten Augenblick an, das mich niemals wieder loslassen würde und das ärgerte mich noch viel mehr. Hatte Myrtle mich nicht extra noch vor ihm gewarnt?

      Gegen Mittag kam sein Onkel, der meist irgendwo rund um das Gelände anzutreffen war und die schwereren Arbeiten, draußen bei den Rindern, seinen beiden Neffen zu überlassen pflegte. Immer wieder betonte er, dass er in seinem Leben mehr als genug Rindviecher gescheucht und gebrannt hätte – jetzt könne er es auch ein bisschen ruhiger angehen lassen mit fast siebzig.

      „Bist du fertig?“ Mit diesem Satz steckte er den Kopf zur Tür herein. Ich hockte auf dem Boden der Sattelkammer, mit einem der Zaumzeuge beschäftigt und fuhr erschrocken herum.

      „Fast“, gab ich ihm zur Antwort und betrachtete ihn für einen langen Augenblick. Der alte Rancher war immer höflich und freundlich zu mir und wenn ich sein faltiges Gesicht mit den grauen Haaren so betrachtete, glaubte ich immer, die Schönheit darin noch erkennen zu können, die es einstmals ausgezeichnet haben mussten.

      „Na, dann mach’ mal Schluss für heute!“ Er zwinkerte mir übermütig zu. „Meine Frau hat vor einer halben Stunde frischen Kuchen aus dem Ofen geholt. Es gibt ihren Spezialkaffee dazu – na, was ist?“

      Beim Wort „Kaffee“ konnte ich noch niemals widerstehen – auch, wenn ich mittlerweile wusste, dass die Spezialausführung hierzulande gefühlt zehnmal stärker war als der, den ich von Zuhause kannte. Er löste regelmäßig Herzrasen bei mir aus und doch war ich nicht fähig, dem lockenden Duft und der Vorfreude auf den Geschmack zu entsagen.

      Die Sonne schien warm und einladend vom blauen Himmel herab, während ich es mir auf der überdachten Veranda vor dem Eingang zum Ranchhaus gemütlich machte. Die Senior-Chefin hatte bereits den rechteckigen Tisch gedeckt und der Kuchen stand darauf, unter einer Haube geschützt, aufgeschnitten und bereit zum Verzehr. Der Rancher lud uns beiden ein großes Stück auf die Teller und schenkte in die Pötte Kaffee ein. Seine Frau hatte an alles gedacht – Milch und Zucker für mich standen ebenfalls bereit.

      „Na, er lässt dich ganz schön malochen, was?“, sagte er nach einer Weile und lächelte mir zu. „Mach’ dir nichts draus, er versucht dich bloß zu testen!“

      „Sowas dachte ich mir schon“, erwiderte ich grinsend und schob eine Gabel Apple-Pie in den Mund. Ein entschlossener Ausdruck trat auf mein Gesicht. „Aber keine Sorge! Der wird sich noch wundern!“

      Ein Schmunzeln zuckte um die Lippen des Ranchers. „Ah, mach’ dich nicht verrückt. Er ist halt ein bisschen kompliziert, aber ansonsten der beste Nachfolger, den jemand wie ich sich wünschen könnte.“

      Ich hob die Brauen. Meine Augen fixierten ihn für einen Moment durchdringend. „Willst du dich etwa ganz zurückziehen?“

      „Der Tag wird kommen, mein Kind!“ Er lächelte und schob seinen leeren Teller ans andere Ende des Tisches. „Aber ich mach’ mir keine Gedanken darüber, ob Tom der Sache hier gewachsen sein wird. Er ist ein Rancher, wie ich immer einer gewesen bin: Mit Herz und Seele, verstehst du? Das muss man sein, wenn man hier draußen, in der Einsamkeit und Wildnis durchkommen will.“

      Ich nickte. Die Inbrunst und Überzeugung, mit der er diese Worte aussprach, beeindruckten mich. Ich hatte schon länger verstanden, dass die Menschen hier anders waren, traditionsbewusster, mehr verwurzelt mit ihrer eigenen Geschichte und denen ihrer Vorfahren, als es bei uns noch üblich war.

      „Es ist besser geworden wie früher, als noch zu meiner Kindheit. Es gibt schnelle Autos, Radio,

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