Der Ruf des Kojoten. Regan Holdridge
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Читать онлайн книгу Der Ruf des Kojoten - Regan Holdridge страница 10
Harold blickte von seiner Schreibtischarbeit auf. Ein feines Lächeln spielte um seine Mundwinkel als er die Lesebrille abnahm, um seine Frau besser betrachten zu können.
„Tja, er ist eben der Unvorsichtigste von den Männern in deiner Familie. Er ist ein kleiner Hitzkopf, manchmal zumindest. Bevor er Byron, Bruce oder Craig um Hilfe bittet, bricht er sich wieder mindestens eine Rippe.“ Er lachte leise in sich hinein.
„Ich kann daran nichts komisch finden!“ Vorwurfsvoll ließ Fey das Hemd in ihren Schoß sinken. Heute war der richtige Zeitpunkt. Sie konnte es auch nicht länger hinauszögern. Es war höchste Zeit, dass sie es Harold versuchte begreiflich zu machen. Jon hatte recht gehabt – es wurde nicht besser, indem sie es verschwieg und verheimlichte, denn irgendwann würde es ohnehin offensichtlich sein.
„Ach, nimm es nicht gleich so ernst! Stacy ist noch ein Kind!“
„Ja, aber er wird sehr bald erwachsen sein und dann wünsche ich mir, dass er ein Vorbild wird für seine beiden Schwestern. Die Mädchen brauchen hier draußen auch etwas anderes, als nur wilde Männer wie dich und Jon und die Cowboys! Sie verrohen mir ja völlig, wenn auch noch ihre eigenen Brüder kein Benehmen kennen!“ Wie, um Himmels Willen, sollte sie nur anfangen?
Harold starrte sie einen langen Moment wortlos an. Er konnte die Besorgnis seiner Frau ja ansatzweise nachvollziehen. Die beiden Mädchen waren Nachzügler gewesen, nicht mehr eingeplant und mit ständiger Besorgnis erwartet. Stacy war sieben Jahre älter und Byron sogar acht und beide Schwangerschaften hatten Fey bereits eine Menge Kraft gekostet und durch die monatelange Übelkeit ein Magengeschwür verursacht. Deshalb blieb sie auch immer dünn, fast mager, weil sie nie mehr viel essen konnte. Sie war einunddreißig gewesen, als Sarah und Charlotte geboren wurden und eigentlich hatten sie nicht mehr damit gerechnet, dass sie noch einmal ein Kind bekommen würden. Die schwere Nierenbeckenentzündung, an der Fey im Winter zuvor erkrankt gewesen war, hatte ihre letzten Hoffnungen auf weitere Kinder zunichte gemacht und dann war sie unerwartet doch wieder schwanger geworden. Dass es dann ausgerechnet auch noch Zwillinge sein würden und zwei Mädchen, das hatten sie am allerwenigsten erwartet, aber sie hatten Fey noch einmal alles abverlangt. Monatelang war sie gezwungen gewesen das Bett hüten, um keine vorzeitigen Wehen zu riskieren und die Geburt an sich war beinahe mehr gewesen, als sie hatte körperlich ertragen können. Es war kein Wunder, dass sie sich um die beiden kleinen Mädchen ganz besonders sorgte.
„Die Jungs sind nunmal gerne draußen“, warf Harold gedehnt ein. „Sie sind beide Rancher aus vollem Herzen! Gönn’ ihnen doch das Vergnügen, solange sie Zeit dafür haben!“
Fey seufzte tief. „Darum geht es nicht, Harold.“ Sie stockte. „Ich möchte nicht, dass sie keinen Platz in der Gesellschaft finden, wenn ich nicht mehr da bin, um sie zu führen.“
Ihre Wortwahl ließ ihren Mann von seinem Buch, in dem er während des Gesprächs bisher immer wieder geblättert hatte, aufblicken. „Was soll das heißen – wenn du nicht mehr da bist?“
Unbemerkt von seinen Eltern war Byron vor wenigen Minuten die Treppe herabgekommen. Er verspürte schrecklichen Durst und obwohl er wusste, dass seine Mutter es nicht gerne sah, wollte er die Gunst der Stunde nutzen und sich am nagelneuen Kühlschrank, den sein Vater erst im Herbst vom hart ersparten Geld erworben hatte, an der Milch bedienen. Wenn seine Eltern im Arbeitszimmer saßen, wie jeden Abend und die Ereignisse des Tages besprachen, bekamen sie meist ohnehin nichts mit. Oft spielte dazu das Radio recht laut und dann hatte er sie auch schon dabei beobachtet, dass sie miteinander tanzten. Doch an diesem Abend war es still und die einzigen Geräusche, die er vernahm, waren ihre Stimmen und das Knistern des Feuers im Kamin.
Der Junge verharrte auf der letzten Stufe und machte einen großen Schritt vorwärts, weil er wusste, dass die Planke direkt vor der Treppe knarrte und ihn verraten würde. Auf Zehenspitzen schob er sich an der Wand entlang, in Richtung Küche. Die Türe zum Arbeitszimmers seines Vaters stand halb offen und als er nun allmählich näher kam, konnte er auch verstehen, was sie sprachen.
„…muss ein Irrtum sein!“, hörte er Harold in Erregung ausrufen und zu seinem großen Erstaunen konnte er hören, dass sein Vater weinte. Er hatte seinen Vater noch niemals eine einzige Träne vergießen sehen und vielleicht führte diese Tatsache dazu, dass er wie gebannt auf der Stelle verharrte und den Stimmen lauschte.
„Nein, Harold, es tut mir leid, aber Doktor Milford hat mit mehreren Kollegen aus der Klinik in Sacramento Rücksprache gehalten und sie kamen alle zu dem selben Ergebnis.“ Das war seine Mutter. Sie schien ganz gefasst und sehr ruhig zu sein.
„Oh Gott, Fey!“ Sein Vater schluchzte, er weinte wirklich! Byron biss sich auf die Lippen. Was konnte seinen Vater nur dazu gebracht haben, derart seine Selbstbeherrschung zu verlieren?
„Ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte. Doktor Milford sagt, dieser Krebs käme immer sehr schleichend und zu einem späteren Stadium wird er sehr schmerzhaft sein. Im Moment ertrage ich es noch, aber irgendwann werde ich Schmerzmittel brauchen und dann…versprich mir, dass du den Kindern ersparst, mich zu sehen, wenn ich nur noch vor mich hin sieche! Versprich’ mir das! Sie haben es nicht verdient, ihre eigene Mutter in so einem Zustand sehen zu müssen!“
Der Junge blies seinen Atem pfeifend durch die Nase. Krebs. Das Wort hämmerte in seinem Schädel. Er wusste, was es bedeutete. Die Mutter eines Freundes aus seiner früheren Schulklasse war daran gestorben und danach waren er und sein Vater fortgezogen. Sie hatte auch Krebs gehabt.
Byron verspürte den sehnlichen Wunsch, jetzt ins Arbeitszimmer zu stürzen und seiner Mutter um den Hals zu fallen, doch er wusste, das durfte er nicht. Sonst bekämen seine Eltern heraus, dass er gelauscht hatte, heimlich, weil er Milch vom Kühlschrank stehlen wollte und dann würde sein Vater ihn wieder übers Knie legen.
So biss er sich auf die Lippen, ganz fest, bis es weh tat und der Schmerz in seinem Herzen ein wenig nachließ. Er würde mit niemandem darüber sprechen, auch nicht mit Stacy. Die beiden Mädchen konnten ohnehin noch nicht begreifen, was mit ihrer Mutter geschah und er wollte ihnen auch keine unnötigen Schmerzen zufügen – genauso wenig wie Stacy. Er wusste, dass sein jüngerer Bruder nicht sehr stark war, dass er es vermutlich nicht verkraften konnte, wenn er vorher davon erführe, dass ihre Mutter sterben würde.
Behutsam, um keine Geräusche zu verursachen, wandte Byron sich ab, um in sein Zimmer zurückzuschleichen. Dort legte er sich ins Bett, zog die Federdecke über seinen Kopf und weinte.
Im großen Schlafzimmer begrüßte der Sonnenschein des neuen Apriltages den sterbenden, vom Krebs geschwächten Körper Fey McCulloughs. Ihre letzten Kräfte schwanden mit jedem Herzschlag, die Krankheit siegte. Sie konnte ihre Augen kaum offenhalten, als sie tastend nach den Händen ihres Mannes suchte.
„Bist du da?“ Sie brachte die flüsternden Worte nur schwer und fast unhörbar hervor.
„Ja, ich bin bei dir.“ Tränen liefen über Harolds Gesicht. Jetzt konnte er seinen Gefühlen noch freien Lauf lassen, später musste er sich zusammennehmen – seinen Kindern zuliebe.
„Du hast ihnen nichts gesagt?“ Fey schien die Bestätigung zu brauchen, sie geradezu begierig zu erwarten.
„Nein.“ Harold schluckte und schüttelte den Kopf. Sie war so entsetzlich krank und seine innere Stimme sagte ihm, dass es besser war, jetzt vernünftig zu sein und einzusehen, dass es zu Ende ging. Der Krebs hatte sie längst umgebracht, es war nur noch eine Frage von Wochen gewesen, bis er ihren ganzen Körper befallen hatte. Der seidene Faden, an dem