Der Ruf des Kojoten. Regan Holdridge

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Der Ruf des Kojoten - Regan Holdridge

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wollte nachsehen, wie weit du mit dem Essen bist.“

      „Es ginge schneller, wenn nicht alle zehn Minuten jemand käme und verkündete, er habe Hunger!“

      Jon seufzte ungeduldig. Er war schlecht im unsinnige Reden halten. „Wie geht es dir, Fey?“ Er wusste, dass sie ihm nicht ehrlich antworten würde, aber auf irgendeine Art musste er versuchen, an sie heranzukommen. „Ich meine, wie fühlst du dich wirklich?“

      „Gut“, antwortete Fey prompt und nickte heftig, doch ihre blauen Augen blieben trüb und ausdruckslos, ohne Licht. „Es geht mir sehr gut.“

      Jonathan erwiderte nichts. Es war eine Lüge und er wusste es, doch er wusste auch, dass er kein Recht besaß, sie mit weiteren Fragen zu drangsalieren. Er war nur der Vormann, der sich als Freund der Familie fühlte, nichts weiter. Langsam wandte er sich ab und verließ das Wohnhaus über die Veranda.

      Am nächsten Tag waren die Schneemassen vom Winterdienst so weit von den Straßen geschoben worden, dass ein Versuch gewagt werden konnte, mit dem Lieferwagen in die Stadt zu fahren. Jon übernahm die Aufgabe, eine neue Ladung benötigter Lebensmittel zu holen. Die Straßen der Stadt waren schmutzig und nass, weil der Schnee dort bereits taute oder von den Reifen der Räder platt gedrückt wurde. Die Fahrt war ein kleines Abenteuer gewesen und mehrmals wäre er fast steckengeblieben, weil die Nebenstrecken nicht gut geräumt waren. Ächzend kletterte Jonathan aus dem alten Lieferwagen. Sein Kreuz machte ihm heute wieder einmal besonders schwer zu schaffen, das war dieses merkwürdige Wetter, die Kälte und der Schnee. Er fluchte leise.

      „Ah! Schön, Sie wieder einmal zu sehen, Jon!“, erklang in derselben Sekunde eine Stimme hinter ihm, die ihn erschrocken zusammenzucken ließ.

      Der Vormann wirbelte herum. Vor ihm stand Doktor Frederik Milford, der Allgemeinarzt, der in Quincy seine Praxis betrieb. Der einzige Mediziner in einem weiten Umkreis, der aufgrund dessen immer auf dem Sprung zu seinen Patienten war und auch jetzt in Eile zu sein schien. Auf dem sich lichtenden braunen Haar trug er einen schicken Hut, der ihn mit seiner runden Brille wie einen Oststaatler wirken ließ. Die tiefliegenden, dunklen Augen hinter den dünnen Gläsern wirkten müde und erschöpft, beinahe ausgemergelt.

      „Wie geht es Ihnen?“ Aufrichtig erfreut schüttelte Doktor Milford dem anderen Mann die Hand. „Und vor allem: Wie geht es Mrs. McCullough?“

      „Oh, danke der Nachfrage! Wie Sie sehen, lebe und gedeihe ich prächtiger denn je!“ Eigentlich konnte auch Jon keine Zeit für ein Schwätzchen erübrigen, aber wie lange hatte er den Arzt nun schon nicht gesehen? Viel zu lange jedenfalls! Da musste eben selbst die Ranch einmal warten. „Ehrlich gesagt, um Fey mache ich mir ein wenig Sorgen. Vielleicht könnten Sie ja, wenn der Schnee es zulässt, im Laufe der Woche mal rein zufällig bei uns vorbeischauen? Sie verstehen schon.“

      Der Ausdruck auf Doktor Milfords Gesicht wechselte von Erstaunen zu Ungläubigkeit. „Ja, aber…“ Seine Brauen zuckten. „Sie war doch erst vor einigen Wochen bei mir!“

      „Wie?!“ Verdutzt blieb Jon der Mund offenstehen. Seine Gedanken überschlugen sich, er wagte kaum zu atmen. Also, doch! Sein Instinkt hatte ihn auch diesmal nicht getäuscht!

      „Aber ja, natürlich!“ Unangenehm berührt trat Doktor Milford auf der Stelle. Er war Arzt, er hatte ein Schweigegelübde abgelegt, auch, wenn er es in diesem Fall unmöglich einhalten konnte. Das hier war eine Ausnahme, es war seine moralische Pflicht, dieses Gelübde zu brechen und die Wahrheit auszusprechen, selbst, wenn genau dies von seiner Patientin offensichtlich vermieden worden war.

      „Haben Sie etwas Zeit, Jon? Dann würde ich Sie bitten, kurz mit mir in meine Praxis zu kommen.“

      Den ausgetrampelten Pfad zwischen den Schneehäufen zum Wohnhaus war er wohl noch nie in dieser Geschwindigkeit entlang gestürmt. Er war völlig außer sich, als er oben die Haustür aufriss und in den Wohnraum stürzte.

      „Fey!“

      Das Haus war ruhig. Er wusste, dass Harold hinausgeritten war, zu den Winterquartieren der Jungpferde, um dort nach dem Rechten zu sehen und dass die beiden Jungs auf der Nachbarranch mit dem dortigen Sohn verabredet waren. Aber die Zwillinge mussten hier sein und damit auch Fey irgendwo in der Nähe.

      Jon rannte mit langen Schritten in die Küche, in der sicheren Annahme, Fey dort vorzufinden. Er täuschte sich, dort herrschte gähnende Leere und kein Anzeichen, dass seit dem Frühstück jemand hier gewesen war. Ohne lange zu überlegen, eilte er ins Obergeschoß hinauf. Er hatte hier nichts zu suchen und er war auch noch nie hier oben gewesen, doch das hier war eine Situation der besonderen Art.

      „Fey?“

      Die Tür zu ihrem Schlafzimmer war nur angelehnt, ungeduldig trommelte er mit der Hand dagegen – sie schwang lautlos auf. Die Vorhänge waren zugezogen, sodass ein dämmriges Licht den großen Raum beherrschte. Es dauerte eine Sekunde, ehe Jon die Umrisse der Möbel erkennen konnte und dann entdeckte er sie: Sie lag auf dem Bett, angekleidet und friedlich schlafend. Erleichtert trat er zu ihr, mit einer Hand schüttelte er die Frau seines Arbeitgebers sacht an der Schulter. Ihre eingefallenen, ohnehin schon schmalen Gesichtszüge wirkten erschreckend blass, als seien sie nicht von einem lebenden, sondern von einem toten Menschen und das, obwohl sie gerade einmal fünfunddreißig Jahre alt war. Der Gedanke erschreckte Jon so sehr, dass ein Schauer über seinen Rücken jagte.

      „Fey? Bitte, wach auf!“ Er schüttelte sie kräftiger und endlich erhielt er eine Reaktion.

      Sie regte sich und öffnete verwundert die Augen. Sie schien nicht zu wissen, wo sie sich befand. „Was…Jon! Wie kommst du…“

      „Entschuldige, Fey!“ Zuvorkommend half er ihr, sich aufzusetzen. „Ich hab’ überall nach dir gesucht. Aber das spielt jetzt keine Rolle, erzähl mir lieber endlich die Wahrheit, wenn du schon deinem Mann gegenüber offenbar nicht ehrlich bist! Ich habe Doktor Milford in der Stadt getroffen!“

      Feys Atem ging schwer und unregelmäßig. Es dauerte einige Minuten, ehe sich ihr Zustand besserte. „Dann weißt du es also“, brachte sie endlich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Sie hielt sich die Hände vor den Bauch.

      „Oh, Fey! Wenn…wenn dir etwas passiert wäre!“ Es klang schärfer und vorwurfsvoller als er beabsichtigt hatte.

      „Viel kann mir wohl nicht mehr zustoßen“, entgegnete sie zynisch und legte die Stirn in Falten. „Außer, dass ich in absehbarer Zeit dahinscheiden werde.“

      „Fey, bitte!“ Er wollte so etwas nicht hören.

      „Hat dir Doktor Milford nicht alles gesagt? Ach ja, die Schweigepflicht!“ Es klang beinahe verächtlich. „Nun gut, wenn dich die grausame Realität wirklich interessiert: Ich bin krank und kein Arzt dieser Welt kann mir noch helfen! Doktor Milford meint, es ginge vielleicht noch ein paar Monate, aber länger nicht.“

      „Das kann nicht wahr sein!“ Der Schmerz war so stark, dass Jon glaubte, er würde sein Innerstes zerreißen. Sie war noch viel zu jung! Sie hatte vier kleine Kinder, die ihre Mutter brauchten, ihre Fürsorge, ihre Liebe! Das konnte nicht gerecht sein, das konnte auch nicht gewollt sein von dem da oben, von diesem Gott, zu dem er täglich betete. Das durfte, durfte, durfte einfach nicht passieren! Seine großen, mit Hornschwielen übersäten Hände pressten die ihren ineinander.

      „Wir müssen es akzeptieren.“ Plötzlich klang ihre Stimme wieder ganz gewohnt – ruhig, überzeugt und beherrscht. Sie schien sich auch damit bereits abgefunden zu haben, genau wie mit allem anderen, was ihr Leben

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