Der Ruf des Kojoten. Regan Holdridge

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Der Ruf des Kojoten - Regan Holdridge

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fiel ich ihm ins Wort und mein Blick schweifte über den Innenhof hinweg, „ist es, als ob hier die Zeit langsamer vorangegangen wäre als anderswo.“

      Der alte Rancher betrachtete mich prüfend und ein Lächeln hob seine Mundwinkel. „Du kannst verstehen, was ich meine, was uns antreibt hierzubleiben, trotz der harten Arbeit, der wenigen Freizeit, wenn wir so etwas überhaupt kennen. All das kann uns nicht schrecken.“

      „Ja“, sagte ich leise und ohne mir dessen bewusst zu sein, legte sich ein verträumter Schleier über mein Gesicht, der verriet, dass ich eine Reise in eine andere Zeit und Welt angetreten hatte. „Ich würde sofort hierbleiben, wenn ich könnte. Jeden Tag nichts anderes tun als Pferde versorgen von morgens bis abends, Heu schaufeln und den Hühnerstall misten. Hinausreiten und Rinder brennen, sie im Herbst wieder zusammentreiben… Es ist genauso wie damals, als Opa und ich vor dem Fernseher gesessen haben. Er war John Wayne und ich war das wilde, ungezähmte Cowgirl.“ Ein Ruck ging durch meinen Körper. „Gott, hör’ bloß nicht auf mein Geschwätz!“

      „Wieso nicht? Ich wünschte, Tom wäre ein einziges Mal an eine Frau wie dich geraten in seinem Leben, anstatt an diese Schicksen, die er immer anbringt! Die halten es hier doch sowieso nicht lange aus und wenn sie dann fort sind, hat er wieder schlechte Laune.“

      Ich erinnerte mich an den Vorfall vom Vormittag und konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. „Sie scheinen ihn aber auch wirklich nicht in Ruhe lassen zu wollen, die Damen, meine ich.“

      „Ach!“ Der Rancher machte eine wegwerfende Handbewegung und brachte aus der Brusttasche seines Hemds eine Schachtel Zigarillos zum Vorschein. Einladend hielt er sie mir hin, einladend und herausfordernd zugleich, wie mir schien. Dankend nahm ich eine heraus. Sie rochen nach Vanille und besaßen keinen Filter.

      „Ich wusste gar nicht, dass du rauchst“, bemerkte er. Seine linke Braue hob sich, während er zuerst mir Feuer gab und dann seinen Glimmstängel anzündete.

      „Tue ich auch nicht, jedenfalls nicht regelmäßig“, erwiderte ich mit einem Zwinkern. „Ich mag keine normalen Zigaretten, nur solche Dinger da.“ Ich deutete auf den Zigarillo. „Das andere Zeugs schmeckt nicht – aber das schon.“

      Ein leises, tiefes Lachen drang aus der Kehle des Ranchers. „Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die eine von mir genommen hat!“

      „Ich bin keine richtige Frau“, erwiderte ich selbstbewusst und lehnte mich zurück. „Darum kann ich die auch rauchen, ganz einfach.“

      „Ja, ich glaube, das ist das Problem.“ Er blies den Rauch gegen die Überdachung der Veranda. „Tom glaubt, du seihst nicht ganz richtig im Kopf.“

      Diesmal war es an mir zu lachen. „Quatsch“, sagte ich und noch einmal: „Quatsch. Er kennt nur keine Frauen, die mit Rückgrat durchs Leben gehen und sich bewusst dagegen entscheiden, zwei Schritte hinter ihrem Mann zu folgen und damit ihre eigenen Ziele und Träume zu opfern.“

      Der Rancher runzelte die Stirn. Seine blauen Augen blitzten mich an. „Du hast von Zuhause auch einen ganz guten Eigensinn mitbekommen.“

      „Ich bin dazu erzogen worden, meine Meinung zu äußern, meine Freiheit zu leben und dass Ehrlichkeit wichtiger ist, als anderen Leuten zu gefallen.“ Herausfordernd warf ich den Kopf zurück. „Und ich bin stolz darauf.“

      „Weißt du“, begann der alte Mann und seine blauen Augen wanderten hinüber zu dem kleinen Wäldchen schräg hinter dem Ranchhaus. „Tom hat den McCullough-Sturkopf geerbt. Er ist meinem Bruder verdammt ähnlich. Der hat auch selten an sich oder seinen Fähigkeiten gezweifelt und er hatte auch diese merkwürdige Eigenschaft, sich von anderen Menschen irgendwie immer fernzuhalten. Heute glaube ich, dass er im Grunde seines Herzens ein Einzelgänger gewesen ist – er wusste es bloß nicht.“

      „Und Tom hat ihn sich zum Vorbild genommen?“ Meine Neugier war erwacht. Ich wollte mehr wissen über diese Familie, über Tom McCullough, den großen, dunklen, gutaussehenden Rancher, der mich so unglaublich faszinierte, wie noch nie ein Mann in meinem Leben zuvor.

      „Nein, die beiden sind sich nie begegnet.“ Das einst attraktive Gesicht nahm einen melancholischen Ausdruck an. „Das letzte Mal, als ich meinen Bruder getroffen habe, war Tom noch nicht mal geboren. Und das nächste Mal haben wir ihn da drüben, unter den Bäumen, bei den anderen, beerdigt…“

      Mir fiel dazu keine Antwort ein und deshalb war ich froh, als mein Gastgeber von alleine fortfuhr: „Ach, Tom und die Frauen, das ist so ein leidiges Thema, das meine Frau und mich schon seit seiner Jugendzeit nicht loslässt. Sie sind ihm immer nachgelaufen, schon zu Schulzeiten und das hat sein Ego natürlich noch gestärkt. Es war manchmal wirklich kaum zu ertragen und Tom, nun, du kannst dir denken, dass er nicht unbedingt ein Kind von Traurigkeit war.“ Der alte Rancher grinste. „Das hat er vielleicht von mir – ich war auch ein ziemlich wilder Hund in jungen Jahren. Aber ein Mann wird ruhiger, wenn die ersten Zeichen des Älterwerdens sich nicht länger verheimlichen lassen.“

      „Und Tom?“

      Mein Gegenüber zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht. Er redet nie über sich oder seine Gefühle, das macht er immer mit sich selbst aus. Aber ich bin ja schon Gottfroh, dass er sich von dieser schrecklichen Tussi wieder hat scheiden lassen, die er damals anschleppte! Ein entsetzliches Mädchen, jedenfalls in meinen Augen! Absolut nervtötend!“

      Die Erinnerung an sie schien ihn noch heute völlig aus der Fassung zu bringen und ich konnte mein Amüsement über seine Reaktion kaum verbergen.

      „Sie war eine Schönheitskönigin und gerade mal achtzehn“, erzählte der alte Rancher weiter und vergaß darüber völlig seinen Zigarillo. „Wobei ich anmerken sollte, dass Tom auch nur fünf Jahre älter war, dieser Grünschnabel! Jedenfalls wollte sie hier alles umbauen und eine Ferienranch oder sowas draus machen. Sie hat wohl erwartet, dass Tom irgendwann nachgeben würde, aber da hatte sie sich geschnitten! Und eines Tages, ohne, dass er einer Menschenseele was davon gesagt hätte, war sie fort. Er hat sie in aller Früh zum Flughafen gebracht und nach Hause geschickt! Kannst du dir das vorstellen?“

      Ich rief mir Tom McCullough ins Gedächtnis und grinste. „Ja“, sagte ich. „Kann ich mir sehr gut vorstellen!“

      Der Rancher lachte leise. „Denke ich mir!“

      Wenige Tage später, als ich gerade eine volle Schubkarre vom Stall nach draußen zum Misthof schob, bemerkte ich eine Bewegung auf dem Reitplatz, der sich schräg dahinter befand und ich hielt inne. Der schlanke, langbeinige Hengst, dessen schwarzes Fell bläulich im Schein der Morgensonne glänzte, galoppierte Runde um Runde. Sein Reiter saß sicher im Sattel, jede Bewegung seines Pferdes auf seinen eigenen Körper übertragend, spielerisch, mühelos. Seine Hände schienen keinen Kontakt zu den Zügeln nötig zu haben, er lenkte das Tier lediglich mit seinem Gewicht und unsichtbaren Schenkelhilfen.

      Der schwarze Hengst wendete auf der Hinterhand, wirbelte Sand auf, galoppierte weiter, nur um am anderen Ende wieder ruhig und geradezu sanft zu stoppen. Sein Atem ging schnell, seine Ohren hielt er nach hinten gerichtet, auf jede leiseste Aufforderung seines Besitzers achtend. Ein leichter Hauch von Schenkelanlegen genügte und er galoppierte wieder an. Fliegende Wechsel, bei jedem Galoppsprung an der langen Seite der Reitbahn, gefolgt von einer Travesale – einem Seitwärtsgang, ausgeführt im Galopp, den für gewöhnlich nur klassische Dressurreiter beherrschten. Er und sein Hengst, sie konnten es auch, am losen Zügel, scheinbar genauso mühelos wie der ganze Rest, den sie hier zauberten. Es folgte eine Pirouette im Galopp, ebenfalls eine Lektion aus der Dressur, doch bei diesen beiden hier fast noch schöner anzusehen, weil die Anspannung des Reiters und der ständige

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