Der Ruf des Kojoten. Regan Holdridge
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Wieder heulte der Kojote mehrere male hintereinander, doch Sarah fand, es hörte sich schön, durchdringend, herzergreifend an. Es war der Gesang ihrer Heimat, dieser Ranch und dieses Landes, das ihr so unbeschreiblich viel bedeutete. Wenn jemand sie fragte, woher sie stammte, gab sie immer dieselbe, stolze und leidenschaftliche Antwort: „Meinem Vater gehört die Coyote Canyon Ranch in der Nähe von Quincy!“
Der Name war weit über die Grenzen der Stadt hinaus ein Begriff, nicht nur wegen ihrer Rinder, vor allem aufgrund der hervorragenden Pferdezucht. Harold McCullough hatte sich vor vier Jahren zwei ungewöhnliche Stuten geleistet, als er einen entfernten Verwandten in Kentucky besucht hatte: American Saddlebred Horses. Es seien die schönsten Pferde, die er je gesehen habe, so Harold zu seiner Begründung, als er mit den beiden Tieren auf der Ranch angekommen war. Es störte ihn auch nicht im Mindesten, dass sie nur bedingt oder gar nicht für die Rancharbeit geeignet waren mit ihren langen Beinen, den wohlproportionierten, edlen Körpern und den wachen, feinen Köpfen. Sie besaßen nicht die Geduld, einer Rinderherde über viele Stunden zu folgen. Sie wollten laufen, ihre Schönheit und Ausdauer unter Beweis stellen. Plantagenpferde, als was sie ursprünglich gezüchtet worden waren, weil die Rasse in den Südstaaten ins Leben gerufen worden war, um die reichen Baumwollpflanzer noch zu Zeiten der Sklaverei elegant und mit viel Aufsehen von einem Ort zum anderen zu tragen. Im Laufe der Jahrzehnte waren ein Zuchtbuch gegründet worden und das Stammbuch der besten Hengste streng reglimentiert, um die Charaktereigenschaften und den Körperbau dieser Pferde immer weiter zu verbessern und zu verfeinern und an der Optik eines American Saddlebred Horses blieben die meisten anderen außer Konkurrenz.
Besonders Stacy hatte im Laufe der vergangenen Jahre einen unglaublichen Instinkt für die Pferdezucht entwickelt. Vermutlich auch deshalb, weil es ihn interessierte und Pferde zu den wenigen Dingen gehörten, die ihn wirklich zu begeistern vermochten. Er konnte meist im Voraus schon sagen, welche Stute mit welchem Hengst die besten Fohlen bringen würde und es geschah nur sehr selten, dass er sich einmal täuschte. Er war es auch, der seinen Schwestern immer wieder klarmachte, wie wertvoll dieses Land für sie war, diese lange Tradition von Pionieren und Ranchern und Pferdeleuten: „Es gibt nichts, was vermag, dich stärker an sich zu binden, als ein Stück Land, das deine Vorfahren erstanden und urbar gemacht haben, für das sie geschwitzt und geblutet und gekämpft haben. Der Pulsschlag dieser Ranch ist dein eigener! Du kannst ihn niemals abschütteln! Er wird für immer ein Teil deiner selbst sein!“
Die vielen Kneipen und Bars von Quincy quollen bereits über, als die zwei McCullough-Brüder dort einliefen. Sie parkten den alten Ford wie immer in einer Seitenstraße.
„Ich werde erstmal Randy suchen“, erklärte Stacy, bereits aus dem Wagen springend und schlug gleich die Richtung der großen West Side Bar ums nächste Straßeneck ein.
Byron hob bedenklich die Brauen. Wenn sein kleiner Bruder und dessen bester Kumpel aufeinandertrafen, ging es in der Regel hoch her. Nicht, weil Randy Pratt ein eben solcher Draufgänger und Hitzkopf war, wie sein Bruder, im Gegenteil. Aber er ließ sich von Stacy jedesmal anstecken und Byron ahnte, dass ihm dieser Abend wieder einigen Ärger bescheren würde.
„Reiß dich bloß zusammen!“, warnte er den blonden, jungen Mann, der pfeifend von der Straße auf den Bürgersteig sprang. „Wehe dir, wenn du wieder eine Schlägerei anfängst! Ich hab’ keine Lust, dich schon wieder im Polizeirevier abzuholen!“
„Ich fange nie Schlägereien an!“, verteidigte Stacy seine Ehre und grinste verwegen. „Ich beende sie nur!“
Byron fluchte leise, während er ausstieg und den Zündschlüssel in seiner Hosentasche verstaute. Er wandte sich ab und verschwand in entgegengesetzter Richtung in der Dunkelheit, wo sich ein Saloon befand, ganz nostalgisch eingerichtet und wo eine bestimmte blonde, junge Frau jeden Samstag bediente.
Stacy zuckte die Achseln und zog eine Schachtel Zigarillos aus seiner Brusttasche, um sich eine anzustecken. Zu Hause konnte er dieser Sucht nur selten in Ruhe nachgehen, wollte er nicht mit seinem Vater aneinandergeraten, der seine eigenen Pfeifenqualmerei zwar als erträglich empfand, aber keinesfalls seine Söhne dabei erwischen wollte, wenn sie ihr Geld für billige Zigarillos zum Fenster hinauswarfen. Stacy warf ihm dann jedesmal vor, er würde mit zweierlei Maß messen und nur seine eigene Raucherei rechtfertigen. Das wiederum führte dann ebenso sicher zu einem Wutanfall Harolds und die Diskussion war beendet.
Stacy eilte den Bürgersteig entlang. Einige junge Mädchen kamen ihm entgegen. Sie grüßten ihn kichernd und sichtlich erfreut und er erwiderte ihren Gruß mit übertriebener Höflichkeit. Er zwängte sich an mehreren jungen Kerlen vorbei, die vor der Kneipe zusammenstanden und drückte die Türe auf, die ihn noch von einem weiteren vergnüglichen Abend trennte.
Lautes Gelächter und Zigarettenqualm schlugen ihm entgegen. Der große Raum schien vollgestopft mit Männern und leicht bekleideten Kellnerinnen. Stacy reckte den Hals. Für gewöhnlich fand er seinen besten Freund am Tresen, beim Versuch, ein Getränk zu organisieren. Das war schon seit Langem ihr unabgesprochener Treffpunkt.
Randy war im selben Jahr wie Stacy geboren, braunhaarig und der Sohn eines einfachen Schreinermeisters, der vor einigen Jahren nach einem schweren Arbeitsunfall verstorben war. Seitdem lebten er und seine Mutter allein in der winzigen Wohnung unter dem Dach seines Onkels und er war es, der das Geld für den Lebensunterhalt verdienen musste – ebenfalls in derselben Branche, wie sein Vater. Er arbeitete in einer Möbelschreinerei, was ihm zwar wenig Spaß bereitete, aber ein gesichertes Einkommen versprach. Hin und wieder, wenn im Frühjahr die jungen Kälber gebrannt wurden und im Sommer die Heuernte anstand, kam er hinaus auf die Ranch der McCulloughs, um zu helfen – Taschengeld nannte er das. Hätte Randy die Wahlmöglichkeit gehabt, wäre er vermutlich Musiker geworden, Sänger in einer Band oder ähnliches. Seine ganze Leidenschaft gehörte seiner Gitarre und der Gesang, den er mit seinem vollen Bariton zustandebrachte, war immerhin gut genug, um regelmäßig als Alleinunterhalter in den verschiedenen Kneipen der Stadt aufzutreten.
Obwohl längst nicht so gutaussehend wie sein bester Freund, besaß Randy sehr viel Charme und eine Ausstrahlung, welche die Mädchen nie an seiner Unschuld zweifeln ließen. So, wie die hübsche Brünette, die Stacy noch nie zuvor gesehen hatte und die seinem besten Freund anscheinend im Moment nicht von der Seite weichen wollte, als er ihn nun entdeckte.
Randy grinste, als er Stacy dabei beobachtete, wie er sich durch die Menge schob und stellte ihm seine neueste Eroberung als „Vivien Sowieso“ vor. Sie schien beeindruckt von Stacys Schönheit und genoss es offensichtlich, dass gleich zwei junge Männer versuchten, ihr den Kopf zu verdrehen. Was sie jedoch nicht bemerkte, war Stacys Blick, der immer wieder zum Ausgang wanderte, bis er auf einmal lächelte und „Ah!“ sagte, als würde sich etwas erfüllen, womit er schon lange gerechnet hatte.
„Willst du uns etwa schon verlassen?“, fragte Vivien mit Bedauern und hielt ihn am Arm fest, als er sich gerade davonmachen wollte.
„Tut mir leid!“ Stacys blaue Augen hingen an einer Frau, die unweit des Eingangs stehengeblieben war und ihm kurz, nur mit der Hand, zuwinkte.
Randy erkannte sie und er seufzte. „Schon wieder?“
„Warum nicht?“ Unschuldig zuckte Stacy die Schultern. „Heute ist Samstag!“
Randy lachte, die Stimme dämpfend, sodass nur sein bester Freund es verstehen konnte: „Aber besser nicht wieder in den Schreibwarenladen – vollkommen egal, ob die Hintertür offen ist oder nicht!“
„Nein, keine Sorge!“ Stacy erwiderte das Grinsen. „Diesmal gehen wir ins Hotel!“
Randy boxte dem anderen jungen Mann den Ellenbogen zwischen die Rippen. „Sag mal, entwickelt sich