DER ABGRUND JENSEITS DES TODES. Eberhard Weidner

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DER ABGRUND JENSEITS DES TODES - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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die allmählich ein bisschen aus dem Leim geht?«

      Normalerweise hätte Nadine über Annes scherzhafte Art, mit ihren Problemen umzugehen, gelacht. Sie und ihr Mann hatten sich vor Kurzem getrennt. Außerdem hatte Anne in letzter Zeit tatsächlich zugenommen. Doch der Schmerz in ihrem Kopf, der gegen Abend intensiver wurde, ließ sie stattdessen gequält das Gesicht verziehen. Darüber hinaus kamen ihr Annes Probleme angesichts dessen, was sie heute erfahren hatte, wie Peanuts vor.

      Nadine beschloss, unmittelbar nach dem Telefonat mit ihrer Freundin eine der Tabletten zu nehmen, die der Neurologe ihr verschrieben hatte.

      »Was soll die Geheimniskrämerei?«, fragte Anne, nachdem ihre Freundin nicht auf ihre Fragen geantwortet hatte, und unterbrach damit Nadines Überlegungen. »Wir sind doch beste Freundinnen und sollten uns daher alles erzählen.«

      Nadine seufzte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Anne anzurufen. Außerdem wurde das Stechen in ihrem Schädel so bohrend, dass sie kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Aber nachdem sie Annes Neugier geweckt hatte, musste sie ihr einen Knochen hinwerfen, auf dem sie herumkauen konnte, um sie zufriedenzustellen. Anne war wie ein Pitbull. Wenn sie sich in etwas verbissen hatte, ließ sie nicht mehr los.

      »Er heißt Johannes.« Nadine schloss die Augen. Der Kopfschmerz war dann leichter zu ertragen. Ihr wurde ein bisschen schwindelig. Deshalb war sie froh, dass sie auf der Couch saß. So konnte sie wenigstens nicht umfallen und sich einen Knochen brechen. Das hätte ihr zu ihrem sonstigen Pech heute gerade noch gefehlt und das Fass zum Überlaufen gebracht.

      »Ist das alles?«, fragte Anne enttäuscht.

      »Ich … Ich kenne ihn kaum. Wir haben uns erst zweimal getroffen und uns ein wenig unterhalten. Mehr war da nicht. Aber … er ist sehr nett.«

      »Und? Seht ihr euch wieder?«

      Nadine zuckte mit den Schultern. »Mal sehen«, sagte sie unbestimmt, weil sie ihrer Freundin nichts von dem bevorstehenden Treffen erzählen wollte. Schließlich hatte Johannes sie um Geheimhaltung gebeten. Indem sie seinen Namen preisgegeben hatte, hatte sie bereits dagegen verstoßen. Aber was schadete es schon, wenn Anne seinen Vornamen kannte? Sie würden sich ohnehin irgendwann kennenlernen, falls sich aus ihrer Bekanntschaft mit der Zeit Freundschaft und unter Umständen sogar mehr entwickelte.

      »Ich muss jetzt Schluss machen, Anne. Meine Mutter wollte mich heute Abend noch anrufen, um sich zu erkundigen, wie es mir geht.«

      Die stechenden Schmerzen gaben ihr das Gefühl, ihr Kopf würde jeden Moment explodieren. Dennoch gelang es ihr, die Lüge überzeugend genug zu präsentieren, um Anne, den angeblichen menschlichen Lügendetektor, zu täuschen.

      »Dann will ich nicht länger die Leitung blockieren.« Anne schien sich damit zufriedenzugeben, dass sie wenigstens den Namen des Mannes in Erfahrung gebracht hatte. »Meine drei Plagen streiten eh schon wieder. Wird Zeit, dass ich dazwischengehe, bevor wir in diesem Irrenhaus das erste Todesopfer zu beklagen haben. Aber bei unserem nächsten Telefonat musst du mir unbedingt mehr über diesen geheimnisvollen Johannes erzählen! Versprochen?«

      »Versprochen. Bis dann, Anne.«

      Nadine unterbrach die Verbindung, sobald ihre Freundin ihren Abschiedsgruß erwidert hatte. Sie ließ das Telefon neben sich auf die Couch fallen. Dann hob sie beide Hände und presste die Handballen gegen ihre Schläfen, als wollte sie den Schmerz zerquetschen, der dazwischen tobte. Doch selbstverständlich half das nichts. Dafür war die Qual zu groß. Alles, was ihr jetzt noch Linderung verschaffen konnte, war das Schmerzmittel.

      Sie kam ächzend auf die Beine und ging ins Badezimmer. Dabei taumelte sie und musste sich mit der Hand an der Wand abstützen, um nicht hinzufallen. Ihr Gleichgewichtssinn war empfindlich gestört. Dennoch schaffte sie es ins Bad. Ohne ihrem darin gespiegelten, zu einer Fratze der Qual verzerrten Gesicht Beachtung zu schenken, öffnete sie den Spiegelschrank und entnahm ihm die Tablettenschachtel. Sie drückte eine Tablette aus der Blisterverpackung, schob sie mit zitternden Fingern in den Mund und trank Wasser direkt aus dem Hahn, um sie hinunterzuspülen.

      Jedes Mal, wenn sie eine Tablette schluckte, dachte sie an die ellenlange Liste mit Nebenwirkungen und Wechselwirkungen auf dem Beipackzettel, den sie sich lieber nicht durchgelesen hatte. Im Gegensatz zu sonst wollte sie das alles gar nicht so genau wissen. Schließlich gab es momentan keine Alternative. Die einzig andere Möglichkeit hätte darin bestanden, den Schmerz zu ertragen. Doch daran wollte sie nicht einmal denken.

      Sie ließ die offene Schachtel auf der Ablage des Waschbeckens liegen. Darum konnte sie sich später kümmern, sobald es ihr besser ging. Dann tappte sie auf wackligen Beinen und mit weichen Knien ins Schlafzimmer.

      Dort ließ sie den Rollladen herunter und legte sich in völliger Dunkelheit aufs Bett. Anschließend hatte sie darauf gewartet, dass das Mittel seine analgetische Wirkung entfaltete und der Schmerz in ihrem Kopf gedämpft wurde.

      Inzwischen wirkte das Analgetikum. Der Schmerz war zu einem erträglichen, beständigen Pochen abgeklungen.

      Nadine sah auf ihre Armbanduhr. Es war vier Minuten nach der Zeit, die Johannes ihr genannt hatte. Sie kannte ihn zwar kaum, konnte sich aber nicht vorstellen, dass er sich oft verspätete. Schließlich war Zuspätkommen zutiefst rücksichtslos gegenüber dem Wartenden. Und der mitfühlende Mann, den sie heute ein bisschen näher kennengelernt hatte, würde ihrer Meinung nach nie bewusst rücksichtslos gegenüber einem seiner Mitmenschen handeln. Dazu war er zu gutherzig.

      Aber wieso war er dann noch nicht hier? War ihm etwas Wichtigeres dazwischengekommen? Oder hatte er am Ende doch kalte Füße bekommen? Nadine könnte es ihm nicht einmal verübeln. Wieso sollte sich jemand, der seine fünf Sinne beisammenhatte, mit jemandem wie ihr belasten? Mit einem Menschen, der soeben erfahren hatte, dass in seinem Kopf ein inoperabler Tumor zur Untermiete wohnte, und dessen Chancen auf Heilung allenfalls im niedrigen zweistelligen Bereich lagen.

      Nadine überlegte, ob sie noch länger warten oder nicht doch besser nach Hause gehen sollte. Wieso sollte sie sich hier die Beine in den Bauch stehen? Schließlich hatte sie Johannes ihre Adresse genannt. Wenn er doch noch kam – woran sie allmählich zu zweifeln begann –, wusste er, wo sie zu finden war.

      Sie wollte sich gerade in Bewegung setzen, als erneut ein Scheinwerferpaar um die Ecke bog und rasch näherkam. Sie beobachtete es aufmerksam und voller neu erwachter Hoffnung. Und tatsächlich, der Wagen wurde langsamer und hielt nur wenige Meter entfernt am Rand der Straße.

      Nadine war sich nicht sicher, ob Johannes sie hinter dem Baum überhaupt schon entdeckt hatte. Sie hatte Angst, er könnte wieder wegfahren, wenn er sie nicht sah. Deshalb trat sie rasch nach vorn und ging eilig auf den Wagen zu. Da sie sich ihm von vorn näherte, blendeten sie die Scheinwerfer, sodass sie nicht sehen konnte, wer im Auto saß. Sobald sie neben dem Wagen angelangt war, beugte sie sich hinunter und warf durch das Beifahrerfenster einen Blick ins Innere. Sie lächelte erleichtert, als sie Johannes hinter dem Steuer entdeckte. Er hob die Hand zum Gruß, erwiderte ihr Lächeln und forderte sie auf, endlich einzusteigen. Sie folgte seiner Einladung, nahm auf dem Beifahrersitz Platz und schlug die Tür zu.

      »Du bist also tatsächlich gekommen«, sagte sie, nachdem sie sich begrüßt hatten, und duzte ihn unwillkürlich. Sie freute sich so sehr, ihn zu sehen, dass der stetige dumpfe Schmerz in ihrem Kopf in den Hintergrund trat und sie ihn kaum noch wahrnahm. Die Freude darüber, dass er sie nicht versetzt hatte, war stärker als jedes Schmerzmittel.

      »Hast du etwa daran gezweifelt?«, fragte er, als könnte er nicht glauben, dass jemand auch nur auf so einen Gedanken kam.

      Sie zuckte

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