DER ABGRUND JENSEITS DES TODES. Eberhard Weidner

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DER ABGRUND JENSEITS DES TODES - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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drehen, als säßen sie in einem bescheuerten Karussell.

      »Waschn … Flumi …?«

      »Flu…ni…tra…ze…pam«, korrigierte Johannes. Er machte fünf Wörter daraus, indem er es Silbe für Silbe überdeutlich aussprach. »Das ist ein geruch- und geschmackloses Sedativum. Alkohol kann seine Wirkung verstärken. Außerdem kann es zu Gedächtnislücken führen. Aber darüber musst du dir keine Gedanken machen.«

      Nadine schüttelte den Kopf, als könnte sie dadurch die zunehmende Benommenheit abschütteln.

      Geruch- und geschmacklos? Sedativum? Gedächtnislücken? Was faselte er da nur?

      Johannes sah auf die Uhr im Armaturenbrett des Wagens. »Die volle sedative Wirkung des Mittels sollte in spätestens fünfzehn Minuten einsetzen.«

      »Wa…rum?« Es kostete Nadine unendlich viel Mühe, auch nur dieses eine Wort halbwegs verständlich auszusprechen.

      »Warum?«, wiederholte Johannes in einem ebenso fragenden Tonfall, als wüsste er die Antwort darauf selbst nicht. »Hmm. Lass mich kurz überlegen. Es würde vermutlich zu lange dauern und zu weit führen, dir alle Einzelheiten zu erläutern. Abgesehen davon, dass du es in deinem gegenwärtigen Zustand ohnehin nicht verstehen würdest. Aber so viel kann ich dir zumindest verraten: Du wurdest von Gott auserwählt, ein gewaltiges Opfer zu bringen, um die Menschheit vor der ewigen Verdammnis zu retten. Darauf kannst du stolz sein. Denn indem Gott dafür sorgte, dass sich unsere Wege im richtigen Moment kreuzten, wird dein unvermeidlicher Tod durch den Tumor in deinem Kopf nicht vergebens sein. Stattdessen wird er allen gläubigen Christen dienen.«

      Er sprach in Rätseln. Sie verstand nicht, was er ihr damit sagen wollte. Er hatte schon einmal von einem Opfer gesprochen. Aber was meinte er damit?

      Johannes seufzte, als hätte er erkannt, dass Nadine ihn nicht verstand oder an ihm und seinen lauteren Absichten zweifelte.

      »Es ist auch zu deinem eigenen Besten«, sagte er so eindringlich wie ein Versicherungsvertreter, der eine Unterschrift unter ein überteuertes Rundum-Sorglos-Versicherungspaket haben wollte. »Denkst du vielleicht, mir macht es Spaß, dich zu quälen und zu töten? Natürlich nicht! Aber wir müssen alle ein Opfer bringen. Auch ich! Außerdem würde dich der Tumor ohnehin früher oder später umbringen. Aus diesem Grund bist du das perfekte Opfer. Der Tod, den ich dir schenke, wird dich von deinen Qualen erlösen.«

      Töten!

      Das Wort hallte wie ein Donnerschlag durch Nadines benebelten Verstand. Alles andere, was er gesagt hatte, hatte sie nicht mehr verstanden. Doch dieses eine Wort war zu ihr durchgedrungen und hatte sie geradezu elektrisiert.

      Er will mich töten! Aber warum?

      Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte sie noch selbst mit dem Gedanken gespielt, ihrem Leben ein rasches Ende zu bereiten, bevor der Tumor sie langsam und qualvoll umbrachte. Aber jetzt, nachdem sie wieder neue Hoffnung geschöpft hatte, wollte sie nicht mehr sterben. Denn auch wenn die Erfolgsaussichten verschwindend gering waren, bestand immerhin die Chance, dass die Kombination aus Bestrahlung und Chemo dem Tumor den Garaus machte.

      Nadine blinzelte und sah wieder etwas klarer. Noch wirkte das Sedativum mit dem unaussprechlichen Namen nicht hundertprozentig, sondern machte sie nur benommen und schwindelig. Doch je länger sie wie ein verängstigter Hase im Scheinwerferlicht verharrte, desto hilfloser würde die Droge sie machen. Bis sie schließlich das Bewusstsein verlor und Johannes mit ihr machen konnte, was er wollte. Also musste sie sofort handeln, wenn sie überhaupt noch eine Chance haben wollte, ihr Leben zu retten.

      Neue Energie erfüllte sie, als ihr Körper aufgrund ihrer Panik eine große Menge Adrenalin ausschüttete. Zum Glück war sie nicht mehr angeschnallt, sonst wäre ihre Flucht gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Sie langte nach dem Türgriff, öffnete die Tür und ließ sich kurzerhand aus dem Auto fallen. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, sich im Zeitlupentempo zu bewegen, als befände sie sich unter Wasser oder auf der Oberfläche des Mondes. Deshalb rechnete sie damit, dass Johannes sie mit Leichtigkeit packen und zurück ins Auto zerren würde. Doch das geschah nicht. Vielleicht war es ihr tatsächlich gelungen, ihn mit ihrer Aktion zu überrumpeln.

      Nadine landete auf dem Kies, der sich schmerzhaft in ihre rechte Wange bohrte. Aber sie hatte keine Zeit, darüber zu klagen. Außerdem war der Schmerz in ihrem Kopf, den der von der Leine gelassene Mr. Tumor erzeugte, viel heftiger.

      Sie rappelte sich auf und kam ächzend und stöhnend auf die Beine, indem sie sich an der offenen Tür festklammerte.

      Nadine wandte den Kopf und sah in den Wagen. Johannes beobachtete sie. Allerdings machte er keine Anstalten, ihr zu folgen. Er sah sie voller Mitleid an, als bedauerte er es zutiefst, sie in diesem erbärmlichen Zustand sehen zu müssen.

      Sie hasste ihn dafür. Das ungewohnte Gefühl war so stark, dass sie erschauderte. Wie hatte sie ihn nur für gefühlvoll und freundlich halten können? Und wie hatte sie zu ihm ins Auto steigen und es zulassen können, dass er ihr eine Droge verabreichte, obwohl sie ihn kaum kannte? Er war nicht nett und einfühlsam. Trotz all seines scheinheiligen Geredes von Gott und Geschenken des Himmels. Denn in Wahrheit wollte er sie kaltblütig umbringen, auch wenn er diesen Umstand mit beschönigenden Worten zu verschleiern versuchte.

      Er ist ein Monster!

      Ihr wurde bewusst, dass sie kostbare Zeit verschwendete. Zeit, die sie nicht hatte, weil die Uhr tickte, während das Sedativum sich in ihrem Körper ausbreitete und allmählich seine volle Wirkung entfaltete.

      Nadine wandte sich um. Sie löste ihre Hand von der Tür und rannte los. Das war zumindest ihr Plan gewesen. Doch aus dem Rennen wurde schon mal nichts. Sie schaffte es gerade einmal, in langsamem Schritttempo einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dabei schwankte sie hin und her wie ein Seemann auf dem Deck eines Windjammers bei Windstärke 10. Erneut setzte heftiges Schwindelgefühl ein und sorgte dafür, dass die Umgebung sich um sie drehte und der Boden unter ihren Füßen Wellen warf. Beinahe wäre sie gestrauchelt und hingefallen. Doch trotz all dieser Widrigkeiten schaffte sie es irgendwie, auf den Beinen zu bleiben.

      Nach ein paar Metern tauchte die Bretterwand der windschiefen Scheune vor ihr auf. Sie presste beide Hände dagegen und blieb schnaufend stehen, um sich zu orientieren. Sie dachte kurz darüber nach, in der Scheune Zuflucht zu suchen und sich dort zu verstecken. Aber ihr wurde klar, dass sie dann in der Falle säße, weil es vermutlich keinen anderen Ausgang gab. Besser, sie umrundete das Gebäude und lief in seinem Sichtschutz auf das dunkle Feld dahinter. Sobald sie in der Dunkelheit untergetaucht wäre, könnte Johannes sie nicht mehr so leicht finden. Selbst wenn sie das Bewusstsein verlor und hinfiel. Denn da es nicht kalt war, bestand zumindest nicht die Gefahr, dass sie beim Schlafen im Freien erfror. Und sobald die Wirkung des Sedativums abebbte und sie wieder zu sich kam, konnte sie zur Straße laufen, wo sie hoffentlich jemanden fand, der sie mitnahm.

      Es war kein guter Plan, das wusste sie. Und es gab genügend Details, die schiefgehen konnten. Aber unter den gegenwärtigen Umständen und angesichts ihres stetig schlechter werdenden Zustands war es das Beste, was sie sich in der kurzen Zeit, die ihr zur Verfügung stand, ausdenken konnte.

      Als sie ihre Flucht fortsetzte und sich an der Scheunenwand entlang ihren Weg ertastete, hörte sie hinter sich die Fahrertür aufgehen.

      Er kommt!

      Der Gedanke versetzte sie in Panik. Sie versuchte unwillkürlich, schneller zu laufen, ohne dabei über die eigenen Füße zu stolpern. Die wurden zunehmend unzuverlässiger. Sie taten nicht immer das, was sie wollte, und behinderten sich auch noch gegenseitig.

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