DER ABGRUND JENSEITS DES TODES. Eberhard Weidner

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DER ABGRUND JENSEITS DES TODES - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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Wer will sich schon mit jemandem wie mir belasten? Das bringt doch nur Probleme und Sorgen.«

      »Nein!« Er legte ihr die rechte Hand auf den linken Unterarm. »So etwas darfst du nicht einmal denken. Im Gegenteil. Jemand wie du ist wie ein Geschenk des Himmels für mich.«

      »Ach, was redest du denn da?« Sie schüttelte den Kopf. Gleichwohl taten ihr seine Worte gut und wärmten ihr Herz.

      »Nein, das meine ich völlig ernst.« Er drückte ihren Arm, als wollte er seine Worte bekräftigen. »Ich bin so froh, dass ich dir begegnet bin. Du bist ein Geschenk des Himmels. Und ein Zeichen, dass Gott meine Gebete erhört hat und meine Pläne gutheißt und tatkräftig unterstützt.«

      Nadine runzelte verwirrt die Stirn. »Was meinst du damit, Johannes? Welche Pläne?«

      Er schüttelte den Kopf. »Das erzähle ich dir später. Es ist alles Teil der Überraschung, die ich für dich vorbereitet habe. Und die will ich dir nicht verderben, indem ich vorher zu viel verrate. Du magst doch Überraschungen, oder?«

      »Wer mag die nicht?« In Gedanken setzte sie hinzu: Solange sie positiv sind. Sie sprach es jedoch nicht aus, weil sie ihn nicht verletzen wollte. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, dass ein Mann wie Johannes jemandem eine böse Überraschung bereiten könnte.

      Seine vorherigen Worte fielen ihr wieder ein. Ein Geschenk des Himmels hatte er sie genannt. Damit hatte er natürlich maßlos übertrieben. Aber auf ihn traf das durchaus zu. Für sie war er tatsächlich ein Geschenk des Himmels. Denn er nahm sie so, wie sie war. Schließlich war sie seit heute so etwas wie beschädigte Ware. Dafür sorgte Mr. Tumor, wie sie die Geschwulst getauft hatte. Er hatte sich uneingeladen in ihrem Kopf eingenistet und würde sich immer weiter ausbreiten, wenn man ihm nicht mit Bestrahlung und Chemotherapie zu Leibe rückte und Einhalt gebot. Ob es allerdings letztendlich gelang, ihn zu besiegen, stand momentan noch in den Sternen. Und selbst wenn es gelingen sollte, war es bis dahin ein langer, steiniger und dornenreicher Weg.

      Doch nachdem sie Johannes getroffen hatte, hatte Nadine nicht mehr so viel Angst davor, diesen Weg zu gehen. Nicht wie zu dem Zeitpunkt, als sie die Diagnose gehört und wie betäubt dem Getöse gelauscht hatte, mit dem ihre heile Welt in sich zusammengefallen war. Denn nun war sie nicht mehr allein. Jetzt würde sie den Weg gemeinsam mit Johannes gehen. Ihrem Geschenk des Himmels, nachdem der Teufel ihr zuvor eine bösartige Überraschung in Gestalt des Tumors präsentiert hatte.

      Nadine wurde bewusst, dass sie inzwischen wieder erheblich mehr Hoffnung auf einen guten Ausgang dieser Geschichte hatte.

      Noch ehe die niederschmetternden Worte des Arztes verhallt gewesen waren, hatte sie sich bereits überlegt, ob es überhaupt noch einen Sinn hatte, weiterzuleben und weiterzukämpfen, wenn die Chancen auf einen Sieg so gering, ja beinahe aussichtslos waren. Wieso dem Leid nicht sofort ein Ende bereiten, indem sie sich vor ein Auto oder die U-Bahn warf? Damit ersparte sie sich viel Schmerz und unnötige Qualen.

      Doch diese morbiden Gedanken waren längst vergessen. Denn mit jemandem wie Johannes an ihrer Seite lohnte es sich zu kämpfen. Auch wenn der Kampf möglicherweise von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

      »Gut«, sagte Johannes und zwinkerte ihr zu. »Dann lass uns losfahren.«

      »Wohin fahren wir überhaupt?«

      Er schüttelte den Kopf, während er den Motor anließ. »Das erfährst du noch früh genug.«

      »Kannst du mir nicht wenigstens einen winzig kleinen Tipp geben?«, bettelte Nadine und schnallte sich an.

      Johannes dachte darüber nach, während er einen Blick in den Seitenspiegel warf und losfuhr. »Tut mir leid«, sagte er dann und sah sie mit einem Ausdruck des Bedauerns an. »Aber alles, was ich dir sagen könnte, würde zu viel verraten und die Überraschung verderben. Du musst einfach noch ein bisschen Geduld haben. Nur dreißig Minuten, dann sind wir da.«

      »Geduld war noch nie meine Stärke«, sagte Nadine und seufzte. »Als ich ein Kind war, konnte ich es an Weihnachten und an meinem Geburtstag nicht abwarten, bis ich endlich meine Geschenke bekam. Dabei ging es weniger darum, dass ich die Geschenke früher haben wollte, sondern eher darum, endlich zu erfahren, um was es sich handelte. Deshalb machte ich mich immer schon Tage vorher auf die Suche und durchstöberte das ganze Haus, um die verpackten Geschenke zu finden. Anfangs fand ich sie auch meistens. Bis meine Eltern anfingen, sie bei Nachbarn oder Bekannten zu deponieren, und erst im allerletzten Moment ins Haus holten.« Nadine schüttelte den Kopf und schmunzelte bei der schönen Erinnerung.

      »Aber damit hast du dir doch jedes Mal die Überraschung verdorben.«

      »Nein«, widersprach Nadine. »Denn als ich die Geschenke fand und auspackte, war es auch eine Überraschung. Nur eben zum falschen Zeitpunkt.«

      Johannes nickte. »Das stimmt auch wieder. Aber heute wirst du dich ausnahmsweise gedulden müssen. Ich bin in dieser Hinsicht unerbittlich.«

      »Na schön. Dann will ich die Überraschung nicht verderben und dich nicht weiter löchern. Nicht dass du dich am Ende aus Versehen doch noch verplapperst.«

      »Keine Angst, das wird schon nicht geschehen. Ich kann nämlich, wenn’s drauf ankommt, schweigen wie ein Grab.«

      Sie hielt ihr Versprechen und drang nicht weiter in ihren Begleiter. Stattdessen übte sie sich in Geduld, auch wenn ihr das schwerfiel. Während Johannes den Wagen durch die Straßen lenkte, sprachen sie über unzählige belanglose Dinge. Und so verging die Zeit wie im Flug. Sie achtete nicht darauf, wohin sie fuhren. Irgendwann bemerkte Sie allerdings, dass sie die letzten Ausläufer der Großstadt hinter sich ließen und aufs Land fuhren, über das sich wie ein schwarzes Leichentuch die Nacht herabgesenkt hatte.

      Nadine verzog das Gesicht. Nicht wegen des Kopfschmerzes, der vom Analgetikum halbwegs im Zaum gehalten wurde. Sondern wegen ihres morbiden Vergleichs. Wieso musste sie die Nacht ausgerechnet mit einem Leichentuch vergleichen? Abgesehen davon gab es keine schwarzen Leichentücher, oder etwa doch? Vermutlich war Mr. Tumor an all diesen morbiden Gedanken schuld. Oder die Nähe des Todes, die sie seit der Diagnose verstärkt zu spüren glaubte. Als würde der Sensenmann bereits hinter ihr stehen, die Klinge seines Arbeitsgeräts schärfen und ihr grinsend über die Schulter blicken. Sie erschauderte.

      Aber ganz egal, was auch immer für diese neuartige Morbidität verantwortlich war, Nadine beschloss, in Zukunft derartige Vergleiche zu unterlassen. Auch wenn es nur in Gedanken geschah. Es wurde nämlich Zeit, wieder positiver zu denken und hoffnungsvoller auf die Zeit zu blicken, die noch vor ihr lag. Schließlich hatte sie mit Johannes an ihrer Seite jetzt allen Grund dazu.

      »Sind wir bald da?«, fragte sie mit verstellter Stimme, um das nervige Quengeln eines Kindes zu imitieren.

      »Nur noch ein paar Minuten«, sagte Johannes, ohne über ihren Scherz zu lachen.

      Nadine wandte den Kopf und sah ihn an. Er lächelte nicht einmal, sondern machte einen angespannten und ernsthaften Eindruck. Und obwohl im Auto eine angenehme Temperatur herrschte, stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Außerdem leckte er sich immer wieder nervös die Lippen.

      Ihre gute Stimmung verflog ebenso rasch, wie sie entstanden war. Nadine hatte das Gefühl, in das finstere Loch aus Angst und Selbstmitleid zurückzufallen, aus dem sie sich erst vor wenigen Minuten mühsam herausgekämpft hatte.

      Was war hier los? Warum war Johannes so nervös, wo sie sich allmählich dem Ziel ihrer Fahrt näherten?

      Als ahnte Mr.

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