DER ABGRUND JENSEITS DES TODES. Eberhard Weidner

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DER ABGRUND JENSEITS DES TODES - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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die sie zu Hause geschluckt hatte, ließ allmählich nach. Zum Glück hatte sie in weiser Voraussicht die angebrochene Blisterverpackung mitgenommen, sodass sie im Notfall nachladen konnte.

      Als Johannes abbremste, richtete Nadine ihren Blick durch die Windschutzscheibe nach vorn. Sie fuhren auf einer schmalen Landstraße, auf der um diese Zeit außer ihnen niemand unterwegs war. Dann zweigte rechts ein Schotterweg ab. Ohne zu blinken, bog Johannes ab und fuhr auf der unbefestigten Strecke weiter.

      »Wir sind gleich da«, sagte er, als spürte er ihre Angst. Er wandte kurz den Blick und schenkte ihr ein Lächeln. Doch es sah nicht echt, sondern erzwungen aus.

      Nach mehreren hundert Metern tauchte auf der linken Seite ein einsames Gehöft auf. Es bestand aus einem Bauernhaus, einer windschiefen Scheune und einem dritten Gebäude, das früher möglicherweise als Stall gedient hatte. Allerdings machte alles einen verlassenen Eindruck, als wäre es schon vor Jahrzehnten aufgegeben worden. Und es brannte auch nirgends Licht.

      Nadine runzelte die Stirn. Sie konnte sich nicht vorstellen, welche Überraschung an diesem gottverlassenen Ort auf sie warten sollte.

      »Lass dich von seinem Äußeren nicht täuschen«, sagte Johannes, der ihre Irritation gespürt haben musste. Doch ihr kam es eher so vor, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und sie erschauderte. »Von innen sieht es ganz anders aus.«

      »Und hier wartet die Überraschung auf mich, von der du gesprochen hast?«

      »Natürlich. Sonst hätte ich dich doch nicht hierher gebracht.« Er verließ den Weg und fuhr auf den Hof des Anwesens, der ebenfalls gekiest war. In der Nähe des Wohnhauses brachte er den Wagen zum Stehen. Er schaltete den Motor aus und löschte die Scheinwerfer. Sofort wurde es stockdunkel. Dichte Wolken verbargen den Schein des Mondes und der Sterne.

      Nadines Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich, während die Angst nach ihrem Herzen griff. Hatte sie etwa doch einen schweren Fehler begangen, als sie einem Mann vertraut hatte, den sie kaum kannte? Aber wie hatte sie sich so in ihm täuschen können?

      »Warte eine Sekunde. Ich mache Licht.« Johannes schaltete die Innenbeleuchtung an.

      Nadine legte die rechte Hand auf ihr Herz, das rasend schnell schlug. Doch die Angst, die sie in der Finsternis kurzzeitig ergriffen hatte, verflog rasch, als sie seinen bedauernden Gesichtsausdruck und die echte Sorge in seinen Augen sah.

      »Tut mir leid«, sagte er, sobald er erkannt hatte, dass die Dunkelheit ihr Angst eingejagt hatte.

      »Und was passiert jetzt?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Die Überraschung musste greifbar nahe sein. Und so erfüllte sie allmählich wieder die Vorfreude auf das, was Johannes für sie vorbereitet hatte.

      »Zuerst trinken wir zur Einstimmung ein Glas Sekt.«

      »Sekt?« Nadine sah sich suchend im Innern des Wagens um.

      »Ich hab die Flasche und die Gläser in einem Korb im Kofferraum, um zu verhindern, dass du sie zu früh entdeckst. Einen Moment, ich bin gleich wieder da.«

      Er schnallte sich ab und öffnete die Tür. Dann stieg er aus und schlug die Autotür zu. Nadine beobachtete durch die Scheiben, wie er zum Kofferraum ging. Sie hörte, wie die Heckklappe geöffnet wurde, die ihr anschließend die Sicht auf ihn nahm.

      Da sie ihn nicht mehr sehen konnte, lauschte sie auf die Geräusche, die an ihr Ohr drangen. Sie stellte sich dabei vor, was er tat, während sie ebenfalls den Sicherheitsgurt löste und sich bequemer hinsetzte. Sie hörte, wie der Korken aus der Flasche entfernt wurde. Dann ertönte ein Klirren, als die Flasche beim Einschenken gegen einen Glasrand stieß. Anschließend hörte sie eine Weile nichts mehr, während er vermutlich die Gläser füllte und warten musste, bis sich der Schaum legte und er nachfüllen konnte.

      Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, tauchte Johannes wieder neben der Fahrertür auf. Er hatte die Kofferraumklappe offen gelassen, weil er in jeder Hand ein gefülltes Sektglas hielt. Eins der Gläser stellte er aufs Dach, um die Tür öffnen zu können. Er beugte sich nach innen und reichte ihr das andere Glas.

      »Vorsichtig«, warnte er sie. »Es ist leider etwas zu voll geworden.«

      Nadine nahm das Glas, das ganz nass war, weil ein Teil der Flüssigkeit übergelaufen war. Sie hielt es so, dass die Tropfen nicht auf ihrer Hose, sondern auf der Fußmatte landeten.

      Johannes holte sein eigenes Glas, das nicht annähernd so voll war, vom Wagendach. Er nahm wieder hinter dem Steuer Platz und schloss die Tür.

      »Prost«, sagte er und streckte ihr sein Glas entgegen.

      Die Gläser stießen mit einem dumpfen Klirren gegeneinander. Der Sekt in Nadines Glas schwappte über. Die klebrige Flüssigkeit lief über ihre Finger und tropfte auf die Ablage zwischen den Vordersitzen. »Ups!«

      »Macht nichts.«

      »Worauf trinken wir überhaupt?«

      »Darauf, dass sich unsere Wege gekreuzt und unsere Schicksale ineinander verflochten haben. Und auf die Opfer, die wir allesamt zu erbringen bereit sind.«

      Welche Opfer?

      Doch da setzte Johannes sein Glas an und nahm einen großen Schluck. Nadine behielt die Frage für sich und folgte rasch seinem Beispiel. Sie hatte Durst und leerte das halbe Glas in einem Zug, bevor sie es wieder absetzte. Der Sekt schmeckte erstaunlich gut. Ihrer Meinung nach war es keiner von der billigen Sorte.

      »Und jetzt trinken wir auf dich und das, was dich in diesem Leben noch erwartet«, sagte Johannes, ohne ihr eine Pause zu gönnen. Er stieß sein Glas erneut gegen ihres. Wenigstens konnte jetzt nichts mehr überlaufen.

      Sie trank aus und spürte bereits, wie ihr der Alkohol zu Kopf stieg. Die unzähligen Bläschen in der Flüssigkeit sorgten dafür, dass er wesentlich rascher in ihrem Blutkreislauf verteilt wurde. Außerdem hatte sie kaum etwas gegessen. Und vermutlich vertrug sich der Sekt auch nicht unbedingt mit dem Schmerzmittel, das seine Wirkung wahrscheinlich noch verstärkte. Wenn sie die Packungsbeilage gelesen hätte, wüsste sie jetzt, wie sich der Konsum von Alkohol auf das Analgetikum auswirkte. Andererseits war es auch nicht so wichtig. Schließlich hatte sie nicht vor, heute noch ein Fahrzeug zu lenken oder irgendwelche Maschinen zu bedienen. Davor wurde in den Beipackzetteln von Medikamenten oft ausdrücklich gewarnt.

      Der Schmerz in ihrem Kopf wurde wieder intensiver, als hätte der Sekt den bis dahin schlummernden Mr. Tumor aufgeweckt.

      Johannes nahm ihr das leere Glas aus der Hand. Er stellte es zusammen mit seinem eigenen auf die Mittelkonsole.

      »Wie fühlst du dich?«, fragte er.

      Erneut hatte Nadine das Gefühl, etwas Lauerndes aus seiner Stimme herauszuhören. Sie richtete ihre Augen auf ihn. Ihre Sicht war verschwommen. Es war, als würde sie ihn durch eine beschlagene Scheibe ansehen. Außerdem schienen sich ihre Augen nicht mehr synchron zueinander zu bewegen, sondern wie bei einem Chamäleon in unterschiedliche Richtungen zu blicken.

      »Wasch …?« Ihre Zunge fühlte sich wie ein Fremdkörper in ihrem Mund und übergroß an, sodass sie nicht mehr richtig sprechen konnte.

      »Im Sekt war Flunitrazepam«, sagte er unvermittelt.

      Sie versuchte angestrengt, ihn deutlicher zu erkennen, und blinzelte, um ihre Sicht zu klären. Doch es wurde eher noch

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