DER ABGRUND JENSEITS DES TODES. Eberhard Weidner

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DER ABGRUND JENSEITS DES TODES - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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zu haben. Sie war höchstens zehn Meter von ihm entfernt. Er hätte nur einen kurzen Sprint hinlegen müssen und sie im Nullkommanichts eingeholt. Doch er war sich seiner Sache anscheinend todsicher und ließ sich Zeit.

      Das machte sie wütend. Dass er überhaupt nicht damit rechnete, dass sie entkommen könnte. Dass er seelenruhig abwartete, bis die volle Wirkung der Droge einsetzte, um sie dann nur noch einsammeln zu müssen. Denn das bedeutete im Endeffekt, dass ihr Fluchtversuch von Anfang an aussichtslos gewesen war. Genauso gut hätte sie im Auto sitzen bleiben und abwarten können, bis die Lichter ausgingen.

      Doch sie gab trotzdem nicht auf!

      Beinahe hätte sie darüber gelacht. Hätte sie gewusst, was für eine Kämpferin in ihr steckte, hätte die Krebsdiagnose sie nicht so schockiert und verzweifeln lassen. Vermutlich wäre dann alles ganz anders gekommen, und sie wäre jetzt nicht in dieser beschissenen Lage.

      »Du kannst mir nicht entkommen.«

      Sie erschrak, als sie seine Stimme hörte. Allerdings klang es nicht so, als wäre er nähergekommen, sondern als stünde er noch immer neben der offenen Fahrertür des Wagens. Außerdem hatte sie keine Schritte auf dem Kies gehört.

      Sie reagierte nicht auf seine Worte. Wie auch, wenn sie kaum in der Lage war, verständlich zu sprechen?

      Endlich erreichte sie die Ecke der Scheune und verschwand sogleich dahinter. Jetzt konnte er sie wenigstens nicht mehr sehen. Außerdem war es hier stockfinster, weil die Innenbeleuchtung des Autos nicht bis hierher reichte. Vielleicht hatte sie doch noch eine Chance. Nämlich dann, wenn es ihr gelang, in der Dunkelheit unterzutauchen und weit genug zu laufen, sodass er sie nicht fand.

      »Die Wirkung des Sedativums wird von Sekunde zu Sekunde stärker. Und je mehr du dich anstrengst und gegen dein unvermeidliches Schicksal ankämpfst, desto schneller wird der Wirkstoff in deinem Körper verteilt.«

      Klugscheißer!

      Plötzlich hörte sie das Knirschen seiner Schritte auf dem Kies. Er folgte ihr in gemächlichem Tempo.

      Es war so dunkel, dass sie kaum die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Die Scheunenwand neben ihr war alles, was ihr zur Orientierung diente. Ansonsten war es, als spielte sie Blindekuh.

      Nadine ging taumelnd weiter. Eine Hand streifte über die Holzwand links neben ihr. Die andere hatte sie vor sich ausgestreckt, falls unerwartet ein Hindernis auftauchte.

      »Warum gibst du nicht einfach auf und fügst dich in dein unabänderliches Schicksal? Damit würdest du es nicht nur mir, sondern auch dir selbst wesentlich leichter machen. Sieh es einfach so wie ich. Als Dienst an der Menschheit, den Gott von dir verlangt.«

      Johannes’ Stimme klang in der Dunkelheit bereits so nahe, als stünde er direkt hinter ihr. Dabei hatte er noch nicht einmal die Ecke der Scheune erreicht.

      Plötzlich tauchte tatsächlich ein Hindernis vor ihr auf. Doch es war so niedrig, dass sie es nicht mit der vorgestreckten Hand ertastete, sondern stattdessen mit dem Schienbein dagegen prallte. Sie schrie vor Schmerz, fiel nach vorn und landete im hohen Gras, das neben der Scheune wuchs. Sie wusste nicht, was sie zu Fall gebracht hatte. Aber was auch immer es gewesen war, es hatte ihr Hosenbein aufgerissen und ihr einen blutigen Kratzer am Knie beschert. Sie spürte warmes Blut unter ihren Fingern, als sie danach tastete.

      Nadine wollte sofort wieder aufstehen und weitergehen. Doch dazu fehlte ihr die Kraft. Außerdem war das Schwindelgefühl inzwischen so heftig, dass sie kaum noch sagen konnte, wo links und rechts oder oben und unten war. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als auf dem grasbedeckten Boden liegen zu bleiben und nach Luft zu schnappen. Währenddessen vereinten sich die Schmerzen in ihrem Kopf und ihrem Bein zu einer einzigen qualvollen Agonie.

      Das Knirschen des Kieses war verstummt. Stattdessen hörte sie jetzt Gras rascheln, als Johannes sich ihr näherte.

      »Ich sagte doch, dass du nicht entkommen kannst.« Trotz seiner mörderischen Absichten war seine Stimme sanft. Seine Worte waren auch nicht bösartig gemeint, sondern klangen allenfalls tadelnd. Er hörte sich an wie ein Vater, der seine geliebte Tochter maßregelt, weil sie nicht auf ihn gehört hat und deshalb auf die Nase gefallen ist.

      Nadine war zu kraftlos, um ihm zu antworten. Ihr Bewusstsein wurde in einem Strudel herumgewirbelt, als wäre in ihrem Verstand ein Stöpsel entfernt worden. Ihr inneres Ich drohte jeden Moment in den finsteren, bodenlosen Abfluss gerissen zu werden. Sie kämpfte dagegen an. Dabei wusste sie längst, dass sie verloren hatte.

      Ich werde sterben!

      Nicht durch den Tumor in ihrem Kopf, der ihr bislang wie das größte Unglück erschienen war, das ihr jemals widerfahren war. Sondern ausgerechnet durch den Mann, der ihr eine Zeitlang neue Zuversicht und neuen Lebensmut geschenkt hatte.

      Pervers!

      »Wehr dich nicht länger dagegen!« Johannes war neben ihr in die Hocke gegangen. Sie spürte seine kühle Hand auf ihrer erhitzten Stirn. Und obwohl er zu ihrem Mörder werden würde, tröstete sie die Berührung durch ein anderes mitfühlendes menschliches Wesen.

      Ihre Lider flatterten wie die Flügel eines Schmetterlings. Es kam ihr allerdings eher so vor, als wären sie tonnenschwer. Deshalb gelang es ihr auch nicht länger, die Augen offenzuhalten.

      »Schlaf jetzt!«

      Seine sanfte Stimme begleitete sie, als ihr Bewusstsein in den Abgrund sauste und wie eine Kerzenflamme im Wind erlosch.

      Nadine hatte damals mit dem Leben abgeschlossen und gedacht, sie würde nicht mehr erwachen. Als sie entgegen ihren Erwartungen dennoch wieder zu sich kam, lag sie in einem Gefängnis, das sie an eine übergroße Holzkiste erinnerte, und war mit Eisenketten an die Wand gefesselt.

      Was immer Johannes mit ihr vorhatte, es sollte allem Anschein nach kein rascher Tod werden. Aber was er letztendlich genau plante und wie das Opfer aussah, das sie bringen sollte, hatte er ihr bislang nicht verraten. Stattdessen hüllte er sich hartnäckig in Schweigen, wenn er in ihr Verlies kam, um den Eimer auszuleeren oder ihr regelmäßig Wasser und seltener Zwieback zu bringen. Er erwiderte ihre anfangs fragenden und anklagenden, später resignierenden und hoffnungslosen Blicke mit Augen, die weiterhin sanft und mitfühlend waren. Doch er sprach kaum noch mit ihr. Es erschien ihr beinahe so, als wollte er ihre Beziehung von nun an so unpersönlich wie möglich gestalten, um sie am Ende umso leichter töten zu können.

      II

      Ihr heutiges Erwachen glich einem Sprung in eiskaltes Wasser, denn es kam jäh und war schmerzhaft.

      Es war kein sanftes Hinübergleiten vom Schlaf ins Bewusstsein, wie sie es in ihrem früheren Leben so oft erlebt hatte. Stattdessen handelte es sich, wie immer in letzter Zeit, um eine geradezu schockartige Rückkehr in die Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit voller Schmerz und Qual, den infernalischen Zwillingen, die neuerdings ihre ständigen Begleiter waren. Ihnen konnte sie nur während des Schlafens für kurze Zeit entrinnen.

      Nadine hob ächzend den Kopf. Sie sah sich blinzelnd und mit sparsamen Bewegungen um. Mittlerweile kostete sogar die kleinste Regung enorme Kraft, die sie kaum noch besaß, und intensivierte zudem die ständigen Schmerzen. Sie sah allerdings auf den ersten Blick, dass sich an ihrer Situation nichts geändert hatte.

      Wie auch? Sie war längst davon überzeugt, dass nur noch ein Wunder biblischen Ausmaßes sie retten konnte.

      Sie war noch immer in dem

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