Fräulein Rosa Herz. Eduard Graf von Keyserling

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Fräulein Rosa Herz - Eduard Graf von Keyserling

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mir das nützen wird! Nun gut! Was weiter?«

      »Nun – ich sage, daß Sie hübsch sind, sehr hübsch.«

      »Wie altmodisch!«

      »Wieso altmodisch?«

      »Gleichviel«, drängte Rosa. »Was noch?«

      »Ich spreche von meiner Liebe.«

      »Davon spricht man nicht bei Kneipereien. Und dann, Ihre Liebe, Kollhardt; das ist ja Unsinn.«

      »Durchaus nicht!« rief Herweg hastig. »Ich liebe Sie wirklich! Das wissen Sie ja. Ich würde mich sonst doch nicht all den Unannehmlichkeiten mit dem Direktor aussetzen.«

      Rosa zuckte die Achseln, und dennoch leuchtete dieser Beweis ihr ein. Nun schwiegen beide. Herweg schaute seine Geliebte unverwandt an und lächelte behaglich. Zuweilen berührte er behutsam mit einem Finger Rosas Hand oder strich sanft über den grauen Sommermantel. Rosa achtete nicht darauf, sondern zog aufmerksam mit ihrem Absatz eine tiefe Furche in den Sand. Herweg begann wieder zu sprechen, machte die Bemerkung, der Kellner Heinrich stehe dort an der Säule, wie ein Affe, der Prügel bekommen hat; er machte Rosa auf die alte Dame aufmerksam, die, in ihrem Spaziergang innehaltend, mit schriller, klagender Stimme »Max, Max!« rief und mit einem Tuche winkte: »Eine tolle Schrulle! Ihren Hund Max zu nennen! So etwas kann sich auch nur eine alte Jungfer ausdenken! Treffe ich das Vieh einmal allein, dann soll es...« Die Unterhaltung wollte doch nicht in Gang kommen. Lähmend und erschlaffend legte sich auch über die beiden Kinder die schläfrige Mittagsruhe; jene träge, lautlose Ruhe, die wie ein flimmernder Schleier sich über das Gras und den Kies, über die Hügel und Bäume, über das Schweizerhaus, den Kellner Heinrich und die alte Dame breitete, die jetzt stumm und regungslos dastand, einsam und gefaßt, denn Max kam nicht; jene Ruhe, die mit ihrer sonnigen Langeweile über dem Schulgebäude brütete und so weit das Auge reichte, wie die Gegenwart des Schuldirektors, jede lebhafte Bewegung unterdrückte, als wollte sie eine Störung des Schulunterrichtes vermeiden. Die ganze Natur war still, warm und staubig wie eine Schulstube; zuweilen nur rief eine Feldgrille ihren kleinen trockenen Ton in das Schweigen hinein, und er klang dann wie das Knarren einer Feder in einer trägen Schülerhand.

      Rosa und Herweg saßen noch eine Weile beieinander, bis die Turmuhr des Gymnasiums einen heiseren Schlag von sich gab. Da trennten sie sich. Herweg nahm Rosas Hand und sagte gefühlvoll: »Leben Sie wohl, Rosa. Ich seh' Sie doch bald?« Rosa nickte und stäubte noch mit einigen kräftigen Schlägen Herwegs Rock ab. Dann gingen sie auseinander.

      Rosa mußte wieder zur Schulstraße zurück, um zu ihrer Wohnung zu gelangen. Nachdenklich schwenkte sie ihre Schulmappe und blickte zu den Häusergiebeln auf, die schläfrig über die Kastanien auf sie herabsahen. Hier und dort machte ein geöffnetes Fenster ein schwarzes Loch in das lichtvolle Bild, gleichsam ein Mund, der in den Alltag hineingähnte. – Sie dachte an Herweg und war unzufrieden mit ihm. Die große, plumpe Gestalt; Gott, und die platten Fragen, die er tat; und das schüchterne Streicheln ihrer Hände und Zöpfe! Gewiß, es war lächerlich, und sie lächelte. Dann seufzte sie wieder.

      Rosas Wohnung lag im zweiten Stock. Aus einem Fenster desselben schaute Herr Herz nach seiner Tochter aus, und als er sie erblickte, nickte er ihr zu, jenem seltsamen Drange folgend, vom Fenster aus sich einem Bekannten auf der Straße bemerkbar zu machen, wenn es auch nicht den geringsten Zweck hat. Rosa war zu sehr an dieses nickende weiße Haupt gewöhnt, um darauf zu achten. Sie stieg gemächlich die Treppen hinan und fragte beim Eintreten in das Wohnzimmer statt jeden Grußes streng, ob das Essen angerichtet sei. »Freilich«, sagte Herr Herz und versuchte mit zwei Fingern die Wange seiner Tochter zu tätscheln, die Wange aber entzog sich ihm, und so fuhren die beiden Finger zärtlich im Leeren hin und her.

      Das Gemach trug noch allenthalben das Gepräge seiner früheren Herrin. Überall standen wunderliche, nutzlose Sächelchen umher, die sich um einsame alte Frauenzimmer anzusammeln pflegen: unbegreifliche Ungeheuer aus Wolle und Seide, bunte Porzellanfigürchen, ganz zwecklose Körbe aus Schmelzen, verwitterte Papierblumen, die vielleicht einst jemanden geschmückt oder an irgend etwas erinnert hatten; jetzt standen sie abgeschmackt und nichtssagend da und wußten nicht, warum sie auf der Welt seien; verstaubt und unbeachtet waren sie, tot – wie ihre Herrin.

      Viele breite, schwerfällige Möbel aus Mahagoniholz, mit einem Überzug von schwarz und rotem Wollenstoff, beengten das Gemach. Ein Daguerreotyp, den Schustermeister Herz darstellend, hing über der Kommode; man konnte darauf jedoch nur den großen weißen Halskragen unterscheiden. Auf der Kommode stand die Familienbibliothek: sechs Bände Zschokkes Novellen, Arenths Andachtsbuch, Schillers Gedichte und drei Jahrgänge einer illustrierten Zeitschrift. Unter manchen Reliquien aus der Zeit des Fräulein Ina lag auch ein kleiner weißer Atlasschuh, an der Spitze mit einer Rosenknospe geschmückt. Er war das einzige, was Rosa von ihrer Mutter geerbt hatte.

      Neben dem Wohngemach befand sich das Speisezimmer, ein schmales Rechteck; sechs Rohrstühle, ein runder Eichentisch, ein Schrank mit Glastüren und ein großes Buffet aus Birnholz füllten den Raum, in dem Herr Herz und seine Tochter sich zum Mittagsmahl niedersetzten.

      Herr Herz schöpfte die Suppe vor und zerlegte sehr gewandt den Braten, dabei war er eifrig um die Unterhaltung bemüht. »Heute«, sagte er und legte Rosa ein Stück Braten auf den Teller, »während ich draußen im Hof Unterricht erteilte, sah ich eine verdeckte Kutsche den Weg hinabfahren. Du hast wohl nichts gehört?«

      »Nein. Jemand vom Lande?« bemerkte Rosa.

      Herr Herz schüttelte ungläubig den Kopf: »Um diese Zeit! Weiß es Gott! Ich muß später zu Klappekahl hinüber, der wird es wissen.«

      Rosa war schweigsam. Ihr Vater bemerkte das wohl und fragte nach der Veranlassung, aber Rosa erwiderte, es sei nichts; sie dächte über die Kutsche nach. »Ja, merkwürdig!« plauderte Herr Herz fort. »Wie ich aus der Schule komme, begegnet mir Lanin.« Herr Herz schaute seine Tochter erwartungsvoll an, als müßte diese Nachricht Eindruck auf sie machen; Rosa jedoch bemerkte nur trocken: »So! Sprach er von seiner dummen Tochter?«

      »Dummen Tochter! Rosa, wie du sprichst!« Herr Herz lachte, als wäre das ein guter Witz gewesen. »Nein«, fuhr er dann fort, »er teilte mir aber mit, daß nächstens ein junger Mensch, ein Verwandter von ihm, in das Geschäft kommt.«

      »Noch einer? Hat er denn mit dem Korinthen-Konrad nicht genug?«

      »Mit diesem hat es seine Bewandtnis. Der junge Herr scheint ein wenig wild gewesen zu sein...«

      »Ah, was hat er getan?«

      »Gott, in der Jugend, da kommt manches vor! Genug, er soll hier gebessert werden. Als ich vorhin dort am Fenster stand, dachte ich darüber nach, ob Lanin bei der ganzen Geschichte nicht etwas für seine Tochter im Sinn hat, für die Sally.«

      »Die!« rief Rosa und lachte, weil jedem jungen Mädchen jeder Heiratsplan außer ihrem eigenen lächerlich erscheint. »Du vergißt, Vater, daß Sally schielt.«

      »Pah!« meinte Herr Herz, »ich habe manche Schönheit gekannt, die schielte. Viele lieben das sogar.«

      »Es wäre ein Glück für die arme Sally; aber ich zweifle...« sagte Rosa und hob die Tafel auf. Während sie voran in das Wohngemach schritt, wandte sie sich in der Türe um und fragte mit einem gleichgültigen Zucken der Augenbrauen: »Vater! Wie soll denn dieser neue Korinthen-Konrad heißen?«

      »Ambrosius Tellerat. Er ist ein Brudersohn von ihr – der Lanin. Die Frau Lanin ist eine geborene Tellerat, wie du weißt.«

      »Ach

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