Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

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Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol. - Gerstäcker Friedrich

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trockenen „Guten Morgen", der aber nicht einmal erwidert wurde, der Thür zu, an der ihn das Mädchen schon erwartete.

      „Nun ja, jetzt werd' ich's kriegen, wenn der alte Brummbär nachher wieder aufwacht," sagte diese, indem sie dem Eindringling die Vorsaalthür öffnete. „Wer stürmt denn aber auch den Leuten so mir nichts dir nichts in's Zimmer und an's Bett, ohne auch nur erst einmal zu fragen, wer da wohnt?"

      „Sagen Sie mir nur um Gottes willen, liebes Kind," bat sie aber der junge Fremde, „was mit dem Regierungsrath Kettenbrock vorgefallen ist, daß er dies Haus, in dem er so lange Jahre gelebt, verlassen hat?"

      „Vorgefallen? ich dachte gar!" versetzte das Mädchen - „nichts ist vorgefallen; er ist frisch und gesund und befindet sich wohl, das weiß ich gewiß, weil meine Schwester dort dient. Dies Haus hat er nur vor etwa acht Wochen verkauft, weil sich ihm rechts neben dem Garten ein Kupferschmied und links ein Blechschmied hingesetzt hatten, und er das Geklopfe nicht mehr aushalten konnte. Er wohnt jetzt am Obstmarkt Nummer 47."

      „Gott sei Dank, da ist mir ein Stein vom Herzen!" - sagte der junge Fremde, mit einem aus tiefster Brust herausgeholten Seufzer. /15/

      „Ja, Sie haben gut reden," schmollte das Mädchen, „aber ich bekomme nachher das Aufgebot, wenn der alte Brummbär aufsteht."

      „Da, nehmen Sie das indessen darauf," lachte der Fremde, indem er ihr ein Geldstück in die Hand drückte.

      „Danke schön," sagte das Mädchen, mit einem eben so zufriedenen als erstaunten Blick über solche Freigebigkeit nach dem blanken Thaler niederschielend - „jetzt mag er schimpfen, so lange er Lust hat."

      „Und wer ist der alte Brummbär da drinnen eigentlich?"

      „Was weiß ich?" plauderte das Mädchen, die kleine Stumpfnase rümpfend, denn sie hatte jetzt entschieden Partei für den jungen, freigebigen Fremden genommen. „Unsere Herrschaft hat das Haus gekauft, und er ist, glaub' ich, der Advocat, den sie daheim in Schlesien hatten, und der ihnen hier Auskunft wegen einer Klage oder sonst 'was geben soll. Gestern Abend mit dem Nachtzug kam er erst an, und ich weiß nur, daß er Hobelmann heißt."

      „Schönen Dank, mein Kind, für die Auskunft. Also der Regierungsrath Kettenbrock wohnt jetzt am Obstmarkt?"

      „Nummer 47 - Sie können gar nicht fehlen - eine Treppe hoch. Und Sie sind der Neffe vom Herrn Regierungsrath? Na, das wird eine Freude sein!"

      „Hoffentlich größer, als sie mir Herr Hobelmann gezeigt hat," bestätigte Franz Kettenbrock, nickte dem hübschen Mädchen zu und sprang die Treppe hinunter, um, jetzt aus einer sicherern Basis als vorher, seinen Verwandten aufzusuchen.

      III.

      Mit der Ueberraschung in seines Onkels Hause hatte sich aber der junge Havanese, wenn er fest darauf gerechnet, doch geirrt, denn der alte Herr befand sich keineswegs so unvorbereitet auf ihn, wie er vermuthetete. Franz Kettenbrock’s Ge/16/schäftsfreund in Hamburg nämlich, den er dort aufgesucht, war ein abgesagter Feind jeder Ueberraschung, da, nach einer mündlichen Ueberlieferung seiner Großmutter, vor uralten Zeiten in seiner eigenen Familie einmal eine solche Ueberraschung sehr böse und nachtheilige Folgen gehabt haben sollte. So wie er deshalb erfuhr, daß der junge leichtsinnige Mensch seinem Onkel nur eben so in's Haus hineinfallen wollte, wodurch er das größte Unglück anrichten konnte, ging er, nach vergeblichen desfallsigen Vorstellungen, einfach auf das Telegraphenamt und setzte den alten Herrn Kettenbrock von der glücklichen Landung seines Neffen und der Stunde seines Eintreffens zu Yvenburg, mit beabsichtigter Ueberraschung, pflichtschuldigst in Kenntniß. Der Onkel war dadurch vollkommen im Stand, sich auf jede freudige Aufregung genügend vorzubereiten.

      Allerdings blieb ihm keine lange Zeit zu großen Empfangsfeierlichkeiten; die waren aber auch nicht nöthig. Ein paar Kränze und Guirlanden bekam man früh genug, ehe der Zug eintraf, auf dem Markt, und der Onkel trieb an dem Morgen selber, was er eigentlich gar nicht nöthig gehabt hätte - seine beiden bei ihm lebenden Nichten aus den Federn. Sie sollten jedenfalls fertig angezogen sein und den Kaffee bereit halten, wenn „der Schlingel von Neffe" heimlich angeschlichen käme, und wunder glaubte, wie gescheidt er es angefangen habe, seinen Onkel zu überlisten.

      In dem einen Kranz, der gerade in der Mitte prangen sollte, war auch ein strohblumengeflochtenes, lesbares „Willkommen" angebracht, und die beiden jungen Mädchen freuten sich jetzt ganz besonders auf das erstaunte Gesicht, das der Vetter aus Havana machen würde, wenn er sich hier so verrathen sah. Es wäre ja auch höchst fatal gewesen, wenn er sie Morgens ganz früh und noch im vollen Negligé überrumpelt hätte.

      So schlug es sechs Uhr - der Zug war jedenfalls angekommen, und mit einer Droschke konnte der Vetter recht gut in zehn, höchstens fünfzehn Minuten vor ihrer Thür sein. - Es schlug aber ein Viertel - jetzt auf der nächsten, und dann auf allen anderen Uhren der Stadt, und er kam immer /17/ noch nicht. - Wenn er heute ganz ausgeblieben wäre - oder erst mit dem nächsten Zug um elf Uhr eintraf! Der alte Regierungsrath wurde förmlich nervös vor Spannung, denn er liebte den transatlantischen Neffen wie einen eigenen Sohn - trotz mancher tollen Streiche, die er schon verübt, - und die beiden jungen Mädchen horchten abwechselnd an der Vorsaalthür, ja Ricke, das Hausmädchen, war sogar unten auf die Treppe postirt worden, um von dort aus gleich zu melden, wenn sich der Erwartete etwa blicken lasse. -

      Unser anderer junger Freund, der Arzt aus Würzburg, hatte indessen seinen Gepäckschein einem der numerirten Kofferträger übergeben, und ging mit seiner leichten Reisetasche in der Hand, langsam und seinen Gedanken nachhängend, in die Stadt hinein. Vor allen Dingen mußte er das ihm schon ausgemachte Quartier aufsuchen, und dann, wenn sein Koffer eintraf, sich für die nothwendigen und eben nicht angenehmen Visiten in die geeignete Verfassung setzen.

      Haus und Straße wußte er allerdings, wo sein Logis bestellt worden: Obstmarkt Nr. 47, zweite Etage - auf dem Zettel war aber die 7 so undeutlich, daß es eben so gut eine 2 sein konnte. Uebrigens ließ sich das leicht erfragen; auch wußten seine neuen Wirthsleute, daß er heute Morgen eintraf, und erwarteten ihn gewiß.

      Das neue, ungewohnte Leben der fremden Stadt interessirte ihn dabei, und er schritt langsam die vorher erfragte Straße nieder, bis er den sogenannten Obstmarkt erreichte, das bezeichnete Haus fand und, als er eintrat, auf dem ersten Treppenabsatz ein Mädchen stehen sah. Dieses wollte er nach den Bewohnern fragen, um sich zu überzeugen, ob er auch am rechten Ort wäre. Das Mädchen stand ihm aber keine Rede, denn kaum hatte sie ihn erblickt, als sie auch umdrehte und spornstreichs die Treppe hinauflief. Oben angelangt, war es ihm auch, als ob er sie die Worte rufen hörte: - „Eben kommt er - er ist schon im Hause", und still vor sich hinlächelnd, sagte er:

      „Da bin ich also doch an der rechten Stelle und meine Wirthsleute scheinen mich richtig erwartet zu haben. Jetzt freu' ich mich nur auf eine Tasse recht heißen Kaffees." /18/

      Er stieg langsam die Treppe hinauf, und sah sich gleich darauf den aufgehangenen Guirlanden und Kränzen mit dem eingeflochtenen „Willkommen" gegenüber. - Aber das war in der ersten Etage und galt ihm nicht. Nur einen Augenblick blieb er lächelnd stehen, denn es schien ihm fast, als ob er hinter der angelehnten Vorsaalthür ein leises Kichern und Flüstern hörte, dann aber wandte er sich wieder, um eine Etage höher zu steigen.

      Da wurde plötzlich und rasch die Thür aufgerissen, die lachende Stimme eines alten Herrn rief:

      „Haltet ihn — haltet ihn fest, den Ausreißer!" und ein paar junge, allerliebste Mädchen sprangen aus der Thür gerade auf ihn zu, warfen ihm, ehe er vor Erstaunen wußte, wie ihm geschah, eine lange grüne Guirlande über die Schultern und zogen den sich wenig oder gar nicht dagegen Sträubenden unter lautem Jubel in den Vorsaal hinein.

      „Haben

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