Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

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Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol. - Gerstäcker Friedrich

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Kraft zurück, und wenn er auch gerade nicht die Absicht hatte, sein Leben in Deutschland zu beschließen, wollte er doch sein Vaterland wenigstens noch einmal wiedersehen - die Gräber seiner Eltern besuchen. Dies hatte er auch schon mit Tagesanbruch gethan, sich an dem theuren Platz recht herzlich ausgeweint, und war dadurch recht weich, recht wehmüthig gestimmt worden.

      Um so greller und unangenehmer berührte ihn dafür dies Drängen und Treiben der gesellschaftlichen Welt, die ihn aus den Armen seiner Familie heraus mit aller Gewalt in ihre Kreise ziehen wollte. Wie schal und nichtig kam ihm das Alles vor, und wie hatte er sich besonders über die Frau Steuerräthin geärgert, die seinethalben heute ein kleines Diner unter ganz intimen Freundinnen nur einfach zu dem Zweck arrangirt hatte, den „Havanesen" noch warm vom Schiffe fort an ihrem Tische zu sehen und sich seine Abenteuer aus erster Hand erzählen zu lassen. Vom Grabe der Eltern in die langweilige Gesellschaft - sein ganzes Herz empörte sich gegen den Gedanken, und wie er sich der Einladung selber geschickt zu entziehen gewußt hatte, so hätte er auch lieber dem Onkel den ganzen Ball heute noch ausgeredet, wenn es nur nicht zu spät dazu gewesen wäre.

      Unter solchen Gefühlen schweifte sein Auge jetzt über die freundliche, sonnenbeschienene Landschaft hin, als seine Auf/27/merksamkeit auf seine unmittelbare Nähe, und zwar durch einen eigenen Zwischenfall geleitet wurde.

      Etwa fünfzehn Schritt unterhalb von da, wo er auf dem Rasen lag, lief ein schmaler Fußpfad nach dem nächsten Dorf vorbei, und eine alte Frau, mit einem anscheinend schweren Korb auf dem Rücken, war dort in die Kniee gesunken und konnte, ohne Hülfe, nicht wieder auf. Dicht hinter ihr her kam ein ältlicher, breitschultriger Herr, anständig angezogen und eine Brille tragend, denselben Pfad. Die alte Frau hatte die Schritte gehört, und den Kopf nach ihm umwendend, sagte sie:

      „Ach, liebes Herrchen, wären Sie wohl so gütig mir ein kleines Bischen heben zu helfen? Ich bin ausgerutscht und kann nicht wieder in die Höh' kommen; der Korb ist gar zu schwer."

      Der breitschultrige Herr war bei ihr stehen geblieben, aber - er hatte lichte Glacehandschuhe über die dicken Finger gezogen und mochte sich die wahrscheinlich nicht schmutzig machen.

      „Ladet nicht mehr auf, wie Ihr tragen könnt," brummte er deshalb finster vor sich hin, rückte sich die Brille, bog eben genug aus, die Frau nicht zu berühren, und - ging vorbei.

      „Ach Du mein liebes Herrgottchen," klagte die arme Frau, „was giebt's doch für hartherzige Menschen in der Welt!" Sie brauchte jedoch nicht mehr zu sagen, denn Franz, über das Betragen des Burschen auf's Aeußerste entrüstet, war schon unten bei ihr, half ihr mit ihrem Korb wieder in die Höh' und sagte freundlich:

      „Seid nicht böse, Mütterchen, unser Herrgott hat allerlei Kostgänger, und gute und böse, arme und reiche Menschen gemacht; von solchen, wie der da vorn, giebt's aber, dem Himmel sei Dank, nicht viel. - Doch Ihr tragt schwer, habt Ihr noch weit damit zu gehen?"

      „Nein, mein gutes Herrchen - nur bis zu den nächsten Häusern drüben. Sonst hab' ich schon mehr getragen - wenn man aber erst einmal die Fünfundsechzig hinter sich hat, da wollen die Beine doch nicht mehr so recht fort. /28/ Aber, wie Gott will, und wenn's Zeit ist, wird er mich schon rufen."

      „Adieu, Alte," sagte Franz und drückte ihr dabei etwas in die Hand.

      „Oh Jemine!" rief die Alte erstaunt aus - „so viel Geld hab' ich ja wer weiß wie lange nicht beisammen gehabt. Ach, der Herrgott vergelt's tausend- und tausendmal, und lasse Sie -"

      Franz hörte nicht die Hälfte von allen den Segenswünschen, die sie auf ihn herabflehte, denn er eilte, so rasch er konnte, dem Dorfe zu, wohin ihm schon der breitschultrige Herr vorangeschritten war. Diesen erreichte er auch gerade noch, als er eben rechts in eine Gartenpforte bog, und Franz sah kaum, daß dort aufgestellte Tische und Stühle einen Wirthshausgarten verkündeten, als er ohne Weiteres ihm zu folgen beschloß, um sich den hartherzigen Menschen wenigstens einmal in der Nähe zu betrachten. Gab es dann die Gelegenheit, so ließ sich ihm auch vielleicht sagen, was er von ihm und seinem Betragen hielt.

      Der Breitschultrige hatte sich eine Portion Kaffee bestellt und setzte sich behaglich an einen kleinen runden Tisch, der einen weitästigen Birnbaum umschloß. Franz Kettenbrock ging an ihm vorüber und schleuderte ihm einen verächtlichen Blick zu; der dicke Herr bemerkte das aber gar nicht und sagte nur zu einem der eilfertig herbeispringenden Kellner:

      „Habe schon bestellt."

      Franz Kettenbrock blieb überrascht stehen und sah sich nach dem Breitschultrigen um. Die Stimme mußte er jedenfalls schon gehört haben - und war denn das nicht - das Gesicht hatte er freilich gestern Morgen nicht erkennen können - aber war denn das nicht etwa sein falscher Onkel aus dem alten Logis? - Der breitschultrige Herr nahm noch immer keine Notiz von ihm; Franz aber, jetzt fest entschlossen sich Gewißheit zu verschaffen, bestellte ebenfalls eine Portion Kaffee, zündete sich eine frische Cigarre an und setzte sich ohne weitere Umstände an den nämlichen Tisch, an dem Jener saß. Der Kaffee wurde gebracht; die Beiden schenkten sich schweigend ein und saßen eine ganze Weile einander gegenüber, ohne auch /29/ nur ein Wort mitsammen zu wechseln. Das hielt aber unser ungeduldiger Havanese nicht lange aus; ein Anknüpfungspunkt war auch bald gefunden: er ließ seine Cigarre ausgehen und bat seinen Nachbar um Feuer, und damit war ein Gespräch angeknüpft.

      „Sehr schöne Gegend hier," sagte der Breitschultrige.

      „Sehr schön - Sie sind fremd hier?"

      „Vorgestern Nacht angekommen."

      „Und wohnen vielleicht in einer nicht so hübschen Umgebung?"

      „In Schlesien," lautete die Antwort, und Kettenbrock zweifelte jetzt keinen Augenblick mehr, daß er seinen „verkehrten Onkel" vor sich habe. Nur hinsichtlich des Namens mußte er sich noch Gewißheit verschaffen.

      „Ja, dann glaub' ich, daß Ihnen die hiesige Gegend gefällt. - Sie sind Geschäftsmann, nicht wahr?"

      „Advocat," sagte der Fremde - „treibe aber auch allerdings ein kleines Geschäft dabei," setzte er mit einem breiten, häßlichen Lächeln hinzu.

      „Lieber Gott," meinte Kettenbrock - „das Geschäft ist ja doch die allgemeine Achse, um die sich die ganze Welt dreht, und nur wer sich einen guten Platz daran zu sichern weiß, das heißt der, der richtig speculirt, darf hoffen in der Welt zu reussiren."

      „Ganz meine Meinung," nickte beifällig der Fremde, und über seine Züge stahl sich sogar bei der Bemerkung ein Schein von Wohlwollen.

      „Ihre Geschäfte haben Sie also auch nach Yvenburg geführt, nicht wahr, mein Herr - wie war doch gleich Ihr werther Name?"

      „Hobelmann."

      „Ach ja, Herr Hobelmann," sagte jetzt Kettenbrock, vollkommen sicher.

      „Geschäfte allerdings," erwiderte der Breitschultrige - „ein Proceß wenigstens. - Was ist Ihr Geschäft, wenn man fragen darf?"

      „Ich bin Arzt," erwiderte auf gut Glück der junge Kettenbrock. /30/

      „Arzt? hm! - Gutes Geschäft hier?"

      „Nur mittelmäßig - die Gegend ist unverschämt gesund."

      „Hm," sagte Herr Hobelmann, „hätte ich Sie früher gekannt, hätten wir vielleicht ein Geschäft zusammen machen können. Jetzt ist es vorbei."

      „Wir Beide?"

      „Ja. — In der

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