Star-Liner. Michael Schenk
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Joana Redfeather war oft an Bord militärischer FLVs gewesen und der Flug in dem zivilen Langstrecken-Shuttle gab ihr einen Vorgeschmack, was sie in ihrem Urlaub erwartete. Hier gab es keine Hartschalensitze mit Ankerpunkten für die Kampfanzüge, sondern bequeme Polster mit Massagefunktion. Auf einem Holo-Vid-Schirm wurden Werbeclips für Kreuzfahrten gezeigt und zwei aufmerksame Flugbegleiter sorgten sich um das Wohl der Passagiere.
Der für Joanas Empfinden luxuriöse Flug währte jedoch nur vierundzwanzig Stunden. Beschleunigen auf Lichtgeschwindigkeit, die Ausführung des Nullzeit-Sturzes ins solare System, dort abbremsen von Lichtgeschwindigkeit und Anpassung an die Umlaufbahn des Mars, wo sich das Ziel befand.
Der Mars war nach der Evakuierung der Erde zum Hauptplaneten des Direktorats geworden. Noch immer zeigten sich die Narben des Großangriffs der Negaruyen der verborgenen Welt. Mars Central City und andere Städte hatten gelitten, Industrieanlagen und die Akademie der Sky-Navy waren zerstört und hastig wieder errichtet worden. Zwei der orbitalen Werften waren vernichtet worden und die verbliebenen drei Anlagen arbeiteten unter Hochdruck.
Die anderen von Menschen besiedelten Welten hatten nur wenig vom Krieg erlebt. Sie waren fast alle von Angriffen verschont geblieben und kannten Not und Leid nur aus den Berichten der interstellaren Medien.
Die Menschen versuchten die grausamen Erlebnisse zu vergessen und stürzten sich nicht nur in den Wiederaufbau, sondern auch alle Arten von verfügbaren Vergnügungen. Der Tourismus boomte. Im Orbit um den Mars schwebte einer der größten Star-Ports der Menschheit. Er hatte Ähnlichkeit mit der Sky-Base Arcturus, auch wenn die wenigen Verteidigungsanlagen hier besser verborgen waren und fast ausschließlich zivile Schiffe verkehrten. Hierzu gehörten die kleinen FLVs ebenso wie Modul-Frachter, verschiedenste Zivilschiffe oder die großen Kreuzfahrer.
Allein das Unternehmen „My Starship“ verfügte über ein Dutzend Interstellarschiffe, von denen jedes Tausende von Menschen an Bord nehmen konnte. Joana war erleichtert, dass sie ihre Reise auf einem deutlich kleineren Schiff antreten würde.
Während ihr Shuttle dem Andocken am Star-Port entgegenflog, bekam sie die I.T.T. Star-Liner erstmals zu Gesicht.
Im Gegensatz zu den großen Kreuzfahrtschiffen, die nicht auf einem Planeten landen konnten und daher auf Beiboote angewiesen waren, war die Star-Liner für Landungen konstruiert worden. Ihr schlanker und aerodynamischer Rumpf schien relativ breit und flach und fungierte zugleich als Tragfläche. Stummelflügelartige Ausleger unterstützten die Flugeigenschaften und dienten zugleich der Steuerung. Ein starkes All-Atmosphären-Triebwerk, die überdimensionierte Ausgabe jener der FLVs, sorgte dafür, dass eine Lufthülle beim Flug der Star-Liner keinen Schaden nahm.
Das knapp vierhundertdreißig Meter lange Schiff schimmerte in den intensiven Farben der „Interstellar Travel Tours“, einem kleineren Kreuzfahrtunternehmen, welches vornehmlich auf Routen flog, die von der Konkurrenz nicht bedient wurden. Die Firma besaß einen ausgezeichneten Ruf, was Service und das Preis-Leistungs-Verhältnis betraf. Auf der Star-Liner würden insgesamt einhundertfünfunddreißig Besatzungsmitglieder für das Wohl des Schiffes und seiner knapp dreihundert Passagiere sorgen.
Nachdem das Langstrecken-Shuttle an einem der Andock-Pylone festgemacht hatte, betrat Joana den Star-Port. Den Vorschriften entsprechend meldete sie sich bei der Port-Authority, der Raumhafenbehörde. Sie war angekündigt worden und ein Zivilbeamter führte sie zum Verbindungsoffizier der Sky-Navy. Der Lieutenant war ebenfalls informiert und händigte ihr eine neue Identitätskarte aus. Sie war echt und entsprach eigentlich jener, die sie seit Geburt besaß, doch hier fehlte die Eintragung, dass sie zum Personal der Navy gehörte. Eine Vorsichtsmaßnahme, auf der ihr Vater bestanden hatte und die durch seine Verbindungen ermöglicht worden war.
Wie alles Militärpersonal und viele Zivilisten trug Joana ein so genanntes Implant. Ein winziges tetronisches Gerät, welches der Identifikation und Kommunikation diente und hinter ihrem rechten Ohr eingepflanzt worden war. Seine Reichweite betrug nur wenige Dutzend Meter, weswegen ein dichtes Netz von Transmittern erforderlich war, um das System zu nutzen. Der Star-Port verfügte über ein solches Netz und so tippte Joana leicht gegen ihre Schläfe. „Joana Redfeather an Community-Center Star-Port: Ich bitte um Weisung zum Liegeplatz der I.T.T. Star-Liner.“
Nur Augenblicke später vernahm sie eine weibliche Stimme, die vom Implant an ihr Ohr geleitet wurde. „Community-Center Star-Port an Joana Redfeather: Wegweiser ist auf Ihre Individualkennung geschaltet. Er wird automatisch deaktiviert, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben.“
Die Stimme verstummte und zugleich erschien am Boden vor Joana eine farbige Linie, der sie jetzt nur noch zu folgen brauchte. Diese Linie war nicht real, sondern wurde mit Hilfe des Implants über die Sehnerven an die Netzhäute der Augen projiziert und daher von anderen Personen nicht wahrgenommen. Eine eingeblendete Zahl zeigte Joana die Entfernung auf und sie überlegte kurz, ob sie eines der Transportbänder oder ein Fahrzeug in Anspruch nehmen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Bewegung konnte einem Sky-Trooper niemals schaden.
Während ihres Weges nahm sie die Eindrücke in sich auf. Hier herrschte wesentlich mehr Betrieb als in der Sky-Base Arcturus. Scharen von Zivilisten drängten sich in den breiten Korridoren. Nahezu jede Stilrichtung der Kleidung verriet, von wie vielen unterschiedlichen Welten die Menschen stammten. Immer wieder waren die Uniformen von Firmen und Konzernen zu sehen. Alles wirkte geschäftig, ja geradezu hektisch und machte auf Joana einen ungeordneten Eindruck. Die Gänge wurden von Läden gesäumt, auf angelegten Plätzen standen gemütliche Sitzgruppen zwischen angelegten Blumenbeeten, über die mancherorts Bäume aufragten. Sie dienten nicht alleine der Erholung, da sie ein Bestandteil der natürlichen Luftversorgung waren. Geräusche erfüllten die Luft und die Vielzahl der Dialekte war ein erneuter Hinweis auf die Herkunft von vielen Welten.
Joana registrierte dies mit gemischten Gefühlen. Der Nullzeit-Antrieb erschloss der Menschheit das Universum und ermöglichte vielen Gruppen, das eigene individuelle Glück zwischen den Sternen zu suchen. Viele entzogen sich zunehmend der Aufsicht des Direktorats. Sie verzichteten bewusst auf die Aufbauhilfen, welche ihnen die geeinte Menschheit ermöglichte, um aus eigenen Kräften und nach eigenen Vorstellungen zu bestehen. Für das Direktorat entstand so zunehmend das Problem, das manche dieser Welten unbekannt blieben. Das Direktorat empfand sich jedoch als verantwortlich für alle menschlichen Siedlungen. Katastrophen konnten eine junge Kolonie zugrunderichten, ohne dass man in der Lage war, ihr Hilfe zu schicken.
Inzwischen war man auf mehrere intelligente Fremdrassen gestoßen. Manche, wie die Hanari, die Shanyar oder Negaruyen der Sandwelt, waren friedlich. Andere, wie die Negaruyen der verborgenen Welt, eher feindselig. Darüber, wie es sich mit den insektoiden Norsun verhielt, konnte man sich nicht sicher sein. Die Gefahr, dass ferne Kolonisten, absichtlich oder unabsichtlich, einen Konflikt auslösten, war nicht von der Hand zu weisen. Wie sollte die Sky-Navy das verhindern oder alle die fernen Welten schützen?
Nein, Joana gefiel die rasch zunehmende Ausbreitung der Menschheit nicht, denn die Raumkavallerie hatte zu wenige Sky-Trooper und die Sky-Navy zu wenige Schiffe, um das größer werdende Gebiet zu patrouillieren und zu schützen.
In ihrem Ohr war eine leise synthetische Stimme. „Joana Redfeather, Sie haben Ihr Ziel erreicht. Pylon Sieben, Ankerplatz 7-D. Liegeplatz von I.T.T. Star-Liner, Registernummer CIT57-23A1. Achtung, mit Betreten des Pylons verlassen Sie den Übertragungsbereich Ihres Implants. Ende der Verbindung zum Community-Center Star-Port Mars Central.“
Star-Port und Andock-Pylon waren durch eine geräumige Schleuse miteinander verbunden. Joana trat in den Pylon hinaus, der im Grundriss dem der Sky-Base entsprach. Fast einen Kilometer breit und sieben Kilometer lang bot er an seinen Seiten genug