SINFONIE DER SCHMERZEN. Eberhard Weidner

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SINFONIE DER SCHMERZEN - Eberhard Weidner

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Körperfunktionen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Sein Herz schlägt noch schneller als zuvor, während sich gleichzeitig seine Atemfrequenz spürbar erhöht. Plötzlich hat er das Gefühl, nicht mehr genug Luft durch die Nase einatmen zu können und ersticken zu müssen. Kalter Schweiß bricht ihm am ganzen Körper aus und durchnässt in kürzester Zeit seine Kleidung.

      Ich bekomme keine Luft mehr! Ich ersticke!

      Dann kommt ihm ein neuer, noch furchterregenderer Gedanke. Vielleicht ist es ja gar kein Sack aus luftdurchlässigem Material, den man ihm über den Kopf gestülpt hat, sondern eine luftdichte Plastiktüte, obwohl es sich ganz und gar nicht danach anfühlt, die ihn nun langsam und jämmerlich ersticken lässt.

      Die Angst vor dem Erstickungstod steigert die Panik, in der er sich aufgrund seiner Lage ohnehin schon befindet. Er beginnt damit, seinen Körper ruckartig hin und her zu bewegen, sich nach links und rechts zu werfen, um die Fesseln zu sprengen oder wenigstens den Stuhl zum Umkippen zu bringen. Vielleicht schafft er es, das Holz beim Sturz unter seinem Gewicht zu zermalmen und sich auf diese Weise von seinen Fesseln zu befreien. Doch der Stuhl, auf dem er sitzt, lässt sich nicht bewegen. Sosehr er auch zappelt und ruckelt, der Stuhl bewegt sich keinen einzigen Millimeter, als habe man ihn in den Boden einzementiert.

      Vielleicht ist es ja tatsächlich so.

      Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Stuhlbeine am Boden verschraubt sind. Seine Entführer haben vermutlich damit gerechnet, dass er versuchen könnte, den Stuhl umzukippen, und dem einen effektiven Riegel vorgeschoben.

      Nachdem er seinen ganzen Körper noch ein paarmal mit aller Kraft hin und her geworfen hat, so gut es ihm seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit gestattet, erkennt er schließlich die Sinnlosigkeit seines Tuns und stellt die fruchtlosen Versuche ein.

      Er atmet schwer und mühsam, während ihm der Schweiß in Strömen herunterläuft und vom Stoff seiner Kleidung und dem Sack über seinem Kopf aufgesogen wird, der nun unangenehm an seiner verschwitzten Haut klebt. Immerhin hat er jetzt Gewissheit, dass es tatsächlich nur Stoff ist, den man ihm übergezogen hat und der luftdurchlässig ist.

      Die größte Panik hat sich nach seinem Ausbruch wieder ein wenig gelegt. Er hat auch nicht mehr das Gefühl, zu ersticken, obwohl die Angst vor der Dunkelheit und die Ungewissheit über seine Situation und sein Schicksal noch immer in seinem Hinterkopf lauern und jederzeit wieder unkontrollierbar werden und ausbrechen können. Dennoch bemüht er sich, sich zu beruhigen und dadurch seine Körperfunktionen in den Griff zu bekommen. Da er seinen Herzschlag oder seine Schweißabsonderung nicht so leicht und direkt beeinflussen kann, konzentriert er sich stattdessen auf seine Atmung. Er atmet tief und gleichmäßig durch die Nase ein und wieder aus. Die Luft fühlt sich unter dem schweißdurchtränkten Stoff des Sacks zwar verbraucht an, als enthalte sie nicht genügend Sauerstoff, doch ihm ist bewusst, dass es sich dabei nur um eine rein subjektive Wahrnehmung handelt.

      Ich kann nicht ersticken! Wäre der Sack luftdicht, oder enthielte die Luft, die ich atme, nicht mehr genügend Sauerstoff, dann wäre ich vermutlich längst erstickt.

      Schließlich zeigen seine Bemühungen erste Erfolge, denn seine Atmung beruhigt sich allmählich, als seine Atemzüge flacher und gleichmäßiger werden. Gleichzeitig schlägt sein Herz langsamer, auch wenn die Frequenz noch immer höher ist als im Normalzustand.

      Je mehr sich seine körperlichen Funktionen beruhigen, desto eher gelingt es ihm auch, sachlich und nüchtern über seine Lage nachzudenken.

      Er ist gefesselt und sitzt auf einem Stuhl, der vermutlich am Boden festgeschraubt ist. Zusätzlich ist er geknebelt und hat einen Stoffbeutel über dem Kopf. Das sind die wenigen Fakten, die er bislang sammeln konnte.

      Was noch?

      Er lauscht noch einmal angestrengt, kann aber mit Ausnahme der Laute, die er selbst verursacht, noch immer nichts hören.

      »Mmmmmhhhh! Mmmhhh mmhhh mmmmmhhhhh?«

      Wegen des Knebels fällt es ihm schwer, laute Geräusche zu erzeugen. Die Töne, die er von sich gibt, klingen sogar in seinen eigenen Ohren dumpf. Er horcht erneut, kann jedoch keinen Widerhall hören, der ihm etwas über die Größe des Raumes verrät, in dem er sich befindet. Entweder ist der Raum zu groß, oder seine Knebellaute sind zu leise, um die Wände zu erreichen und von ihnen zurückgeworfen zu werden.

      Er blinzelt mehrmals, doch die Dunkelheit vor seinen Augen lichtet sich auch dadurch nicht.

      »Mmmhhh!«

      Entweder ist der Stoff über seinem Kopf lichtundurchlässig, woran er nicht wirklich glaubt, oder er ist in einem stockdunklen Raum gefangen. Er tippt auf Letzteres. Daraus folgert er zudem, dass er momentan allein ist, denn wenn jemand in seiner Nähe wäre, bräuchte diese Person Licht. Und außerdem müsste die Person Geräusche verursachen, selbst wenn sie sich möglichst still verhalten würde. Trotz des Stoffes über seinem Kopf, der ihn Umgebungsgeräusche nur gedämpft wahrnehmen lässt, müsste er etwas hören können.

      Erneut spürt er, wie die Furcht nach seinem Herzen greift und es rascher schlagen lässt. Es ist nicht nur die Angst vor der Dunkelheit, die er, wie ihm nun klar wird, schon immer hatte, sondern auch die Angst vor dem, was ihm hier widerfährt. Er ist ein Gefangener und den Launen seiner Kidnapper ausgeliefert. Warum hat man ihn gefesselt und geknebelt? Und was hat man noch mit ihm vor?

      Um sich abzulenken und nicht erneut in im wahrsten Sinne des Wortes blinde Panik zu verfallen, führt er eine kurze Bestandsaufnahme seines eigenen Zustands durch. Abgesehen davon, dass er gefesselt und geknebelt ist und dadurch in eine unbequeme Haltung auf dem harten Holzstuhl gezwungen wird, fühlt er sich körperlich ganz gut. Der einzige Teil seines Körpers, der richtig wehtut, ist sein Kopf. Ansonsten scheint er jedoch unverletzt zu sein.

      Er schlussfolgert daraus, dass er vermutlich einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, der ihn das Bewusstsein verlieren ließ, ehe er an diesem Ort wieder zu sich kam.

      Aber wie konnte das geschehen?

      Er versucht sich daran zu erinnern, was passiert ist, bevor er erwachte, doch als seine Gedanken an den Ort in seinem Bewusstsein vordringen, wo seine Erinnerungen verwahrt werden, stoßen sie nur auf gespenstische Leere. Er fühlt sich wie ein Astronaut, der im luftleeren Raum des Weltalls schwebt, oder wie jemand, der in sein Zuhause zurückkehrt und feststellen muss, dass in seiner Abwesenheit die ganze Wohnung leergeräumt wurde.

      Seine tastenden Gedanken suchen in allen Richtungen, stoßen jedoch nirgends auf Widerstand. Alle Erinnerungen, so scheint es, sind so spurlos verschwunden wie die Daten auf einer Festplatte, die gelöscht und neu formatiert wurde. Er überlegt fieberhaft, kann sich aber nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern. Aber wie kann das sein? Wie kann man etwas so Elementares wie den eigenen Namen vergessen?

      »Hhmm!«

      Das Stöhnen, das er in seiner Frustration ausstößt, klingt wegen des Knebels noch verzweifelter. Er schüttelt den Kopf, weil er nicht glauben kann, dass er tatsächlich alles vergessen haben soll. Die Bewegung löst intensive, schmerzhafte Stiche an der rechten Seite seines Kopfes aus. Vermutlich hat ihn dort der Schlag erwischt.

      Als habe dieser Gedanke ihn ausgelöst, erhascht er plötzlich einen Erinnerungsfetzen, der wie ein einsamer Stern im grenzenlosen Weltall vor ihm schwebt. Seine Gedanken greifen danach, bevor er sich ebenfalls in Nichts auflösen kann.

      Es handelt sich tatsächlich um eine isolierte Erinnerung, die wie ein einzelnes Puzzlestück Teil eines größeren Bildes ist. Doch als er sie betrachtet, entsinnt er sich plötzlich auch einer ganzen Reihe

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