SINFONIE DER SCHMERZEN. Eberhard Weidner

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SINFONIE DER SCHMERZEN - Eberhard Weidner

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schließlich genug Informationen gesammelt hatte, konnte er zu Phase 2 seines Vorhabens übergehen. Diese bestand im Wesentlichen darin, ihre Entführung minutiös zu planen und einen geeigneten Ort zu finden und vorzubereiten, an den er sie anschließend bringen konnte. Da ihm bereits vor ein paar Monaten bei einem sonntäglichen Familienausflug die abgeschiedene Jagdhütte aufgefallen war, war er vor drei Tagen nach Feierabend unter dem Vorwand einer Fortbildungsveranstaltung hierher gefahren, hatte die Umgebung ausgekundschaftet und, nachdem er den Ort für geeignet befunden hatte, alles vorbereitet.

      Die Entführung selbst war dann dank seiner hervorragenden Planung problemlos und ohne Zeugen vonstattengegangen. Da Marie jeden Mittwochabend ihren Zumba-Kurs besuchte, fuhr sie mit dem Auto ihrer Mutter zum Fitnessstudio, das in einem Industriegebiet lag. Da sie zudem meistens zu spät dran war, gab es keine freien Parkplätze mehr in unmittelbarer Nähe des Studios. Sie musste den Wagen etwas weiter weg abstellen und etwa 200 Meter zu Fuß gehen, was sie auch an einer finsteren Stelle im Schatten eines dichten Gehölzes vorbeiführte. Und genau dort lauerte er ihr auf. Neben seiner guten Planung hatte er auch Glück, dass gerade niemand anderes in der Nähe war. Die angrenzenden Betriebe hatten um diese Zeit allerdings längst geschlossen, und die anderen Teilnehmer des Zumba-Kurses waren schon im Studio. Als Marie nichtsahnend das Gehölz passierte, so wie sie es immer tat, sprang er hinter ihr auf den Weg, packte sie hinterrücks und presste ihr seine Handfläche auf den Mund, in der sich ein mit Chloroform getränktes Tuch befand. Sie versteifte sich in seinem Griff und begann sich zu wehren, doch sobald sie die betäubenden Chloroformdämpfe eingeatmet hatte, erlahmten ihre Bewegungen, bis sie das Bewusstsein verlor. Er sah sich rasch um, ob nicht doch jemand aus einem benachbarten Gebäude gekommen oder um eine Ecke gebogen war. Dann hätte er den Zustand des Mädchens irgendwie erklären und sich ohne Beute aus dem Staub machen müssen. Doch das Glück blieb ihm weiterhin treu, denn es war niemand zu sehen. Er warf sich das leblose Bündel Mensch über die linke Schulter und lief zu seinem unverschlossenen Wagen, den er frühzeitig ganz in der Nähe geparkt hatte. Er öffnete den Kofferraum und ließ die junge Frau hineinplumpsen. Eilig schob er auch noch ihre Füße hinein, sodass sie verkrümmt auf der Plastikfolie lag, die er dort ausgebreitet hatte, und schloss dann den Kofferraumdeckel. Ein letzter Blick in die Runde überzeugte ihn davon, dass er auch dabei unbeobachtet geblieben war. Er grinste zufrieden, als er ins Auto stieg und losfuhr, um sein jüngstes Opfer zur Jagdhütte zu bringen.

      Und nun lag sie hier, und alles war für den letzten Akt vorbereitet. Jetzt musste sie nur noch aufwachen, um auch ja mitzubekommen, was mit ihr geschah, und es ebenso genießen zu können wie er. Er trat näher ans Bett und sah auf sie hinunter. Wie sie so dalag, das haselnussbraune, lange Haar ausgebreitet auf der Matratze, sah sie seiner Tochter Mara noch ähnlicher.

      Und natürlich Caroline!, dachte er grimmig und lächelte kalt.

      Er hob die rechte Hand, die das Heft des Jagdmessers so fest umklammert hielt, dass die Knöchel ganz weiß waren. Er konnte es kaum noch erwarten. Eine Schweißperle löste sich von seiner verschwitzten Stirn und lief an seinem nervös zuckenden Auge vorbei über seine Wange. Er hob die freie Hand und wischte den Schweiß weg.

      Im gleichen Moment sah er, dass ihre Augenlider zuckten. Sie erwachte! Endlich!

      Erst zuckten nur ihre Lider, dann bewegten sich die Augäpfel dahinter hektisch hin und her, als würde sie träumen. Doch dies war kein Traum, sondern bitterer Ernst. Sie öffnete die Augen, schloss sie sofort wieder, als das Licht sie blendete, und öffnete sie erneut. Ihr Blick war noch ein wenig umnebelt. Kein Wunder nach der stundenlangen Bewusstlosigkeit. Wahrscheinlich hatte sie auch Kopfschmerzen vom Chloroform. Diese Schmerzen waren allerdings nichts gegen das, was noch kommen würde, und sie würde sie deshalb schnell vergessen.

      Ihr Blick war anfangs noch nach oben zur Decke gerichtet und unfokussiert. Dann sah er, wie sich ihre Pupillen verengten und zur Seite bewegten, wo er stand und auf sie heruntersah.

      »Hallo Caroline«, sagte er mit einem Lächeln, das sich allerdings nicht in seinen eiskalten, berechnenden Augen widerspiegelte. »Wir werden viel Spaß miteinander haben. Und diesmal wirst du mich nicht bei Mama verpetzen!«

      Ihre Augen weiteten sich, als ihr Blick auf das Messer in seiner Hand fiel. Dann riss sie den Mund auf und schrie schrill und markerschütternd. Doch das störte ihn nicht, denn niemand würde sie hören. Ganz im Gegenteil, ihr Schreien gehörte dazu und war wie Musik in seinen Ohren. Und er liebte diese Sinfonie der Schmerzen, mit der seine Opfer seine Arbeit akustisch begleiteten.

      9

      Der Übergang von seinen Erinnerungen zur Gegenwart ist dieses Mal besonders qualvoll, denn er stürzt von einem Moment des Triumphes und der Dominanz herab auf einen Augenblick der Niederlage und der Ohnmacht. Die Ähnlichkeit der Situationen ist ihm dennoch bewusst und wirkt wie blanker Hohn auf ihn, da nun gewissermaßen die Rollen vertauscht sind. Nun ist er derjenige, der hilflos und gefesselt und den Launen seiner Entführer ausgeliefert ist. Er hat keinerlei Kontrolle über die Situation und das, was als Nächstes geschieht, und das macht ihm am meisten Angst.

      Klaus Schmidt, Maries Vater, ist inzwischen von seiner linken Seite nach vorn getreten. Nun steht er dort, hat die Arme vor der Brust verschränkt und sieht ihn mit grimmiger Miene an.

      »Ich kann das Begreifen in Ihren Augen sehen. Ich gehe daher davon aus, dass Sie jetzt wissen, wer ich bin und warum Sie hier sind.«

      »Mmhh!« Er schüttelt heftig den Kopf, obwohl es schmerzt. Aber darauf kann er jetzt keine Rücksicht mehr nehmen.

      »Sparen Sie sich Ihre Lügen. Was glauben Sie, warum Sie noch immer geknebelt sind? Damit wir uns Ihre Lügen und Ausreden gar nicht erst anhören müssen. Denn wir wissen längst, was Sie getan haben. Die Erkenntnis in Ihren Augen soeben war nur der letzte Beweis für Ihre Schuld. Obwohl wir den gar nicht mehr benötigten. Schließlich war es ja schon das lupenreinste Schuldeingeständnis, wie Sie auf unsere Nachricht an Ihrem Scheibenwischer reagiert haben. Dass Sie den Zettel nicht einfach zerknüllt und weggeworfen haben oder damit zur Polizei gegangen sind, spricht doch Bände, finden Sie nicht auch? Ich habe Sie dabei beobachtet, Heitzer. Sie wurden beim Lesen förmlich leichenblass! Und dann befolgten Sie die Anweisungen auch noch peinlich genau, brachten allerdings Ihr Messer mit. Ist das etwa die Tatwaffe?« Schmidt hebt die linke Hand, die er bisher hinter seinem Körper verborgen hat, und zeigt ihm sein geliebtes Jagdmesser. »Haben Sie damit auch meine Tochter …?« Am Ende versagt ihm die Stimme, sodass er den Satz unvollendet lässt. Seine Augen schwimmen jäh in Tränen, und er wendet sich ab. Vermutlich muss er sich zurückhalten, um dem Mörder seiner Tochter nicht auf der Stelle das Messer ins Herz zu stoßen.

      Heitzer verzichtet darauf, einen Laut von sich zu geben oder erneut verneinend den Kopf zu schütteln, denn er ahnt, dass dies ein kritischer Augenblick ist, in dem sein Leben vermutlich auf Messers Schneide steht. Ein falscher Ton oder eine falsche Bewegung von ihm zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, und er hat sein eigenes Messer im Leib und stirbt einen raschen Tod, geknebelt und gefesselt, wie er ist. Da empfiehlt es sich eher, sich vorerst zurückzuhalten und auf den richtigen Moment zu warten. Vielleicht hat er später noch Gelegenheit, seine Unschuld zu beteuern und sich irgendwie herauszureden. Schließlich können ihn seine Entführer nicht einfach umbringen. Vermutlich wollen sie ihm nur Angst einjagen, damit er ein Geständnis ablegt, und ihn dann der Polizei übergeben. Aber er hat nicht vor, zu gestehen. Niemals! Ganz egal, was sie ihm androhen.

      Schmidt hat sich wieder etwas gefangen. Er sieht das Messer in seiner Hand an, als überlege er, wozu er es benutzen könne, dann geht er zu einem Klapptisch aus Kunststoff, der vor der Wand steht, und legt das Messer darauf.

      Heitzer sieht, dass noch andere Gegenstände auf der Tischplatte liegen, die funkeln und das Licht der Deckenleuchte reflektieren, er kann aber nicht erkennen, worum es sich handelt.

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