SINFONIE DER SCHMERZEN. Eberhard Weidner

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SINFONIE DER SCHMERZEN - Eberhard Weidner

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sehen, Heitzer, Ihre Schuld steht längst außer Zweifel. Worüber wir heute Nacht beraten, ist lediglich das Ausmaß Ihrer Strafe.«

      »Mmmhhh mmh mhh mh!«

      »Sparen Sie sich Ihren Atem, Heitzer, möglicherweise brauchen Sie ihn später noch dringend. Aber vielleicht ist es Ihnen ja ohnehin lieber, wenn ich Sie nicht länger Heitzer, sondern Metzger nenne. Fabian Metzger! Das ist doch Ihr richtiger Name. Und so hießen Sie auch, als Sie vor gut zwanzig Jahren in Norddeutschland die ersten beiden Frauen umbrachten. Mit diesen beiden fing Ihre Karriere als Serienkiller an, nicht wahr? Allerdings machten Sie am Anfang noch Fehler und mussten untertauchen. Also änderten Sie Ihre Identität, zogen hierher, heirateten und bekamen zwei Kinder. Viele Jahre konnten Sie Ihren krankhaften Trieb unterdrücken. Doch dann, vor drei Jahren wurde er plötzlich wieder stärker, und Sie konnten ihn nicht länger kontrollieren. Stattdessen kontrollierte der Trieb Sie, und so begannen Sie wieder zu morden. Lag es vielleicht daran, dass Ihre Tochter Mara Ihrer Schwester Caroline immer ähnlicher wurde. Wenn man ihr heutiges Aussehen mit alten Bildern Ihrer Schwester vergleicht, ist die Ähnlichkeit wirklich verblüffend. Sie gleichen sich beinahe wie ein Ei dem anderen. Und so hatten Sie das Bild der verhassten Schwester jeden Tag vor Augen. Aber da Sie Mara nicht töten konnten oder wollten, mussten stattdessen andere junge Frauen, die ihr ähnlich sahen, für das büßen, was Caroline Ihnen einst angetan hatte. War es nicht so, Metzger?«

      Schmidts Gesicht wird immer unschärfer, als Fabian Metzger alias Christian Heitzer seinen Blick nach innen und an den finsteren Ort richtet, wo seine düstersten Erinnerungen hausen. Dort, wo vor wenigen Minuten noch gähnende Leere geherrscht hat, wimmelt es nun wieder vor Erinnerungsbildern, in die er nun wie ein Schwimmer an einem sonnigen Sommertag kopfüber eintaucht.

      10

      »Wenn du nicht tust, was ich dir sage, erzähl ich’s Mama! Dann wirst du schon sehen, was du davon hast, du kleiner Scheißer!«

      Fabian schluckte betreten, während er zu seiner großen Schwester Caroline aufsah, die mit wütender Miene und loderndem Blick auf seine Antwort wartete.

      »Aber …«

      »Mama!«, sagte Caroline, allerdings noch nicht so laut, dass ihre Mutter, die im Wohnzimmer Wäsche bügelte und dabei Fernsehen schaute, sie hören konnte.

      Fabian schluckte noch einmal, denn sein Mund und seine Kehle waren plötzlich ganz trocken. Was sollte er nur tun? Er wusste, dass Caroline, die mit ihren zwölf Jahren ganze fünf Jahre älter war als er, ihre Drohung wahrmachen würde, wenn er sich weigerte, das zu tun, was sie von ihm verlangte. Und dann würde ihn Mama wieder in den finsteren Vorratskeller stecken, wo es mindestens Tausende von Spinnen, Käfer, Kellerasseln und anderes ekliges Getier gab. Wenn er andererseits tat, was Caroline wollte – er sollte im Laden um die Ecke wieder einmal Lippenstift und Lidschatten für sie klauen –, wurde er, wie schon so oft, vielleicht erwischt und ebenfalls von Mama bestraft. Er steckte also wieder einmal in der Zwickmühle, und es war im Grunde egal, wozu er sich entschied, denn das Endergebnis war unter Umständen exakt dasselbe.

      Außerdem war es vielleicht endlich einmal an der Zeit, seiner Schwester die Stirn zu bieten und ihr zu zeigen, dass sie nicht mehr alles mit ihm machen konnte. Sein Schulfreund Henrick hatte dem dicken Alexander vor zwei Wochen, als der ihn wieder einmal ärgern wollte, volle Kanne in die Eier getreten, und seitdem ließ der dicke Alex ihn in Ruhe. Vielleicht ließ Caroline ihn in Zukunft auch in Frieden, wenn er dieses Mal nicht nachgab.

      »Ich mach’s nicht!«

      »Was?«, fragte Caroline, während die Wut in ihrem Gesicht für einen winzigen Moment von Fassungslosigkeit und Unglauben ersetzt wurde, Empfindungen, die Fabian dort, soweit er sich erinnern konnte, noch nie zuvor gesehen hatte. Schon aus diesem Grund hatte sich seine Standhaftigkeit gelohnt. Doch schon im nächsten Moment verschwanden die ungewohnten Emotionen wieder spurlos, und an ihre Stelle trat der blanke Hass und verwandelte Carolines ansonsten so hübsches Gesicht in eine hässliche Fratze. »Was hast du gesagt, du kleiner Scheißer?«

      Fabian bereute seine Entscheidung bereits und wollte zurückrudern, doch dazu war es zu spät.

      »Maaamaaa!« Carolines Schrei schrillte durchs ganze Haus. Sie hob die rechte Hand, packte eine Strähne ihres langen, haselnussbraunen Haares und riss sie mit einem einzigen kräftigen Ruck aus.

      »Caroline? Was ist denn, mein Schatz?« Nachdem der gellende Schrei verstummt war, vergingen nur wenige Sekunden, bis ihre Mutter in der offenen Tür stand.

      Caroline wandte sich ihrer Mutter zu, zeigte ihr die Haarsträhne in ihrer Hand und sagte laut schluchzend: »Fabi … schluchz … Fabi hat mir …. schluchz … meine Haare … schluchz … ausgerissen …«

      Fabian wunderte sich immer wieder, wie Caroline es schaffte, auf Kommando dicke Tränen zu produzieren. Er selbst war dazu nicht in der Lage, er hatte es nämlich schon ausprobiert. Allerdings hatte das Ausreißen der Haare gewiss wehgetan und es ihr erleichtert, jetzt so überzeugend auf die Tränendrüse zu drücken.

      »Fabian!«, brüllte seine Mutter und kam zu ihm. Sie packte ihn am linken Oberarm und hob ihn hoch, sodass seine Füße die Bodenhaftung verloren. »Was hast du denn jetzt schon wieder getan, du kleiner Teufel? Kannst du deine Schwester denn nicht einmal in Ruhe lassen? Komm sofort mit! Zur Strafe kommst du in den Keller. Und da bleibst du gefälligst bis zum Abendessen!«

      Während sie ihn wie eine große Gliederpuppe, deren Beine unnütz hin und her schlenkerten, aus Carolines Zimmer trug, erhaschte er noch einen Blick auf seine Schwester. Das Weinerliche war spurlos aus ihrem Gesicht verschwunden, und auch die Tränen waren längst getrocknet. Sie grinste diabolisch, hob die Hand und winkte ihm zum Abschied hinterher. Viel Spaß bei den Spinnen und Kakerlaken, formte sie lautlos mit den Lippen.

      Fabian hatte zum damaligen Zeitpunkt zwar noch keine wirklich konkrete Vorstellung vom Teufel, von dem er lediglich im Religionsunterricht gehört hatte, aber in diesem Moment war er überzeugt, dass Satan wie seine Schwester aussehen musste.

      11

      Die Erinnerung ist noch immer so frisch, als sei es erst gestern passiert, dabei ist der Vorfall vor mehr als dreieinhalb Jahrzehnten geschehen. Und es blieb nicht der letzte oder einzige seiner Art. Inzwischen hat er, als habe sich eine Schleuse in seinem Verstand geöffnet, all seine Erinnerungen wiedererlangt und ist sich zahlloser weiterer Ereignisse bewusst, als Caroline ihn damit erpresste, ihn bei der Mutter zu verpetzen, und dies oft genug dann auch tat, wenn er nicht so gehorchte, wie sie es wollte. Und ihre Mutter glaubte stets Carolines schamlosen Lügen, die sie sich dank ihrer blühenden Fantasie und ihrer angeborenen Skrupellosigkeit über ihren Bruder ausdachte, denn Caroline war ihr Liebling und ihr hübscher kleiner Engel. Denn wie sollte sie auch erkennen, dass ihre Tochter in Wahrheit ein Teufel war, wenn Caroline ihr wahres Gesicht der Mutter nie zeigte.

      Fabian hingegen war stets der Bösewicht und Übeltäter, der seit dem Tag seiner Geburt Zwietracht und Streit in die Familie gebracht hatte. Und daher musste er auch regelmäßig stundenlang in den Vorratskeller, wo es stockdunkel war und wo unzähliges Ungeziefer, allen voran Legionen ekliger Spinnen, lauerten, um für seine Untaten zu büßen. Untaten, die in der Regel Caroline begangen oder erdacht hatte. Noch heute hat er Angst vor der Dunkelheit und vor Spinnen, die er allerdings halbwegs im Griff hat, vor allem, nachdem er getötet hat.

      Und während all dieser langen Stunden im Keller, die ihm wie Ewigkeiten vorkamen, dachte er darüber nach, wie er seine Schwester

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