SINFONIE DER SCHMERZEN. Eberhard Weidner

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SINFONIE DER SCHMERZEN - Eberhard Weidner

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Teller, ehe er einen raschen Blick auf seine Armbanduhr warf. »Du hast recht, Liebling«, sagte er dann ebenfalls wie immer und trank die Tasse leer. Er erhob sich vom Tisch und drückte seiner Frau im Vorbeigehen einen Kuss in den Nacken, worauf sie unwillkürlich erschauderte, den Kopf einzog und leise kicherte. Im Flur zog er sich Schuhe und Jacke an und schnappte sich seine Aktentasche, die neben dem Schuhschrank an der Wand lehnte.

      »Tschüss«, rief er laut, damit auch seine Tochter oben im Bad ihn hörte und wusste, dass sie sich beeilen musste, und verließ dann das Einfamilienhaus, um zur Arbeit zu fahren.

      7

      Also hat er tatsächlich eine Familie. Er beschwört ihre Abbilder noch einmal in seinem Kopf herauf und betrachtet sie der Reihe nach liebevoll. Und obwohl er seine Tochter heute Morgen gar nicht gesehen hat, kann er ihr Bild jetzt dennoch ebenso leicht abrufen wie das seiner Frau und seines Sohnes. Der Anblick seiner Lieben spendet ihm ein wenig Trost. Außerdem weiß er auch, dass Monika alles dafür tun wird, dass die Bedingungen der Entführer erfüllt werden, damit er wieder wohlbehalten freigelassen wird.

      Bei den tröstenden Gedanken an seine Familie hat er beinahe vergessen, dass noch immer einer der Entführer hinter ihm steht und sich wie die anderen Anwesenden mucksmäuschenstill verhält. Doch in diesem Augenblick ruft sich ihm dieser von sich aus in Erinnerung, indem er nach dem Stoffsack greift und ihn ruckartig von seinem Kopf reißt.

      »Mmmmmhhhhh …«

      Das grelle Licht, das ihm jetzt ungehindert direkt in die Augen scheint, blendet ihn so stark, dass seine Augen zu tränen beginnen. Er senkt den Kopf, kneift die Augen zusammen und öffnet sie dann vorsichtig wieder, um sie an die Helligkeit zu gewöhnen. Die Tränen verschleiern allerdings seinen Blick.

      »Na, Heitzer, wie geht es Ihnen jetzt?«

      Er wendet den Kopf so abrupt nach links, als ihn von dort unvermittelt eine männliche Stimme anspricht, dass ein stechender Schmerz, ausgehend von der kaum verheilten Kopfwunde, wie ein glühender Kugelblitz durch jede einzelne Gehirnzelle saust.

      »Mmhh!«

      Er stöhnt vor Schmerz, schließt kurz die Augen, öffnet sie aber rasch wieder, um sie auf das Gesicht des Mannes zu richten, der ihn angesprochen hat. Der Mann kommt ihm vage bekannt vor, allerdings kann er nicht sagen, woher. Außerdem liefert sein Namensgedächtnis keinen passenden Namen zu dem Gesicht, weil seine Erinnerung noch immer zum größten Teil wie leergefegt ist. Der Mann ist schätzungsweise Mitte bis Ende fünfzig, hat mausgraues, kurz geschorenes Haar und trägt eine Brille mit dünner, silberner Fassung.

      Als der Mann ihn gerade eben ansprach, glaubte er, Mitgefühl oder Sorge in seiner Stimme zu hören, und schöpfte Hoffnung, doch als er jetzt den feindseligen Blick und das böse Grinsen des anderen sieht, erkennt er seinen Irrtum. Es war gar kein Mitleid, sondern Häme, die er gehört hat.

      »Wissen Sie, wo wir hier sind, Heitzer?«

      »Mmh.« Der Laut, der ein Nein werden sollte, entschlüpft ihm automatisch, ehe er sich entsinnt, dass man ihn ohnehin nicht verstehen kann. Also schüttelt er zusätzlich den Kopf.

      »Woher auch?«, fragt der Mann. »Aber ich will es Ihnen verraten: Wir sind im Keller meines Hauses. Sie sind also gewissermaßen mein Gast.«

      »Mmh mmhh mhh?«

      »Tut mir leid, aber ich kann Sie wegen des Knebels nicht verstehen«, sagt der Mann und verzieht das Gesicht zu einem eisigen Lächeln, das ohne jede Spur von Fröhlichkeit ist. »Aber vermutlich fragen Sie sich, wer ich bin und warum Sie hier sind. Habe ich recht?«

      »Mh!« Er nickte vorsichtig, um keine neue Schmerzwelle auszulösen.

      »Na gut. Wenn Sie nicht von allein draufkommen, will ich es Ihnen verraten. Mein Name ist Klaus Schmidt. Ich bin Maries Vater!«

      Marie …

      Der Name hallt wie der Schlag einer riesigen Glocke durch seinen Verstand, wird von den Innenwänden seiner Schädeldecke zurückgeworfen und dabei tausendfach verstärkt, bis er kaum noch einen anderen vernünftigen Gedanken fassen kann.

       Marie – Marie – Marie – Marie – Ma rie – Ma rie – rie

      Er erinnert sich daran, dass das auch der erste Name auf dem Zettel war, der ihn ins Parkhaus lockte.

      WIR WISSEN ALLES!

      Was meinten Sie damit? Wer ist Marie? Und wieso löst ihr Name eine so starke Reaktion in ihm aus?

      Die Antworten auf seine Fragen erhält er postwendend, als eine weitere Welle von Erinnerungen über ihn hinwegrauscht wie ein mentaler Tsunami und ihn aus der Gegenwart in die Vergangenheit spült.

      8

      Für einen kleinen Moment hielt er inne und betrachtete liebevoll das große Jagdmesser in seiner Hand. Die 21 Zentimeter lange Klinge bestand aus 440er Edelstahl, und die Griffschalen waren aus braunem Pakkaholz. In der frisch geschliffenen und polierten Klinge konnte er sein eigenes lächelndes Gesicht widergespiegelt sehen. Die Vorfreude ließ ihn erzittern, und so senkte er das Messer und wandte sich um.

      Die Jagdhütte befand sich in einem entlegenen Waldstück, das zu dieser Jahreszeit und um diese Uhrzeit verlassen war. Der Eigentümer würde vermutlich erst zu Beginn der Jagdsaison hierherkommen. Also würde ihn bei dem, was er vorhatte, auch niemand stören. Und auch sonst war kein Mensch weit und breit, der die Schreie der jungen Frau hören konnte.

      Sein Blick fiel auf das alte Bett mit dem metallenen Rahmen, auf dem nur eine fleckige Matratze lag. Die junge Frau auf der Matratze war nackt. Ihre Arme und Beine waren abgespreizt und an den Rahmen gebunden. Sie war noch immer bewusstlos. Nach seiner Berechnung musste sie jedoch demnächst erwachen. Er konnte sehen, dass sie im Schlaf leicht die Stirn runzelte, als würde sie im Traum über eine komplizierte Frage nachdenken.

      Marie!, erinnerte er sich an ihren Vornamen. Was für ein schöner Name.

      Er hatte sie vor drei Wochen beim Einkaufen in einem Supermarkt gesehen und sofort gewusst, dass sie die Nächste war. Sie erinnerte ihn an seine Tochter Mara, so wie sie das Haar trug und sich bewegte. Sobald er sie sah, war der eigentliche Grund, weswegen er in den Supermarkt gegangen war, vergessen. Stattdessen beobachtete er die junge Frau unauffällig, wie sie ihre Einkäufe in den Wagen legte, zur Kasse ging und bezahlte. Er folgte ihr nach draußen und sah ihr aus den Augenwinkeln dabei zu, wie sie die Einkäufe in den Korb ihres Fahrrads lud. Dann fuhr er ihr mit seinem Wagen bis zu ihr nach Hause hinterher.

      Die nächsten zwei Wochen verbrachte er damit, mehr über sie, ihre Gewohnheiten und ihr Umfeld in Erfahrung zu bringen. Da er wegen seiner Arbeit und seiner Familie nur gelegentlich nach Feierabend und am Wochenende Zeit erübrigen konnte, dauerte es eine Weile, bis er alles über sie erfahren hatte, was er wissen wollte: Sie hieß Marie Schmidt, war 22 Jahre alt, lebte noch bei ihren Eltern – Klaus, 48 Jahre alt und bei einem Sicherheitsunternehmen tätig, und Astrid, 44 Jahre –, hatte eine jüngere Schwester – Ivonne, 17 Jahre – und studierte an der Universität Jura. Er besorgte sich ihren Vorlesungsplan und nahm sich schließlich sogar zwei Tage Urlaub, ohne seiner Frau davon zu erzählen, um sie zwei ganze Tage lang verfolgen

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