Kreuzweg zu anderen Ufern. Wolfgang Bendick

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Kreuzweg zu anderen Ufern - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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Freunde stehen, mit denen ich über mein Vorhaben gesprochen hatte. „Na, wie wars?“, feixten sie. „Dufte, besser als eine normale Beichte. Aber davon versteht ihr ja nichts!“ „Und, hat er?“ „Natürlich hat er mir meine Sünden nachgelassen, und bei der Menge ist das schon eine schöne Leistung!“ Ich dachte an das, was mir die Freunde über die Gemeinschaftsbeichte bei ihnen erzählt hatten. Alle zusammen im Gemeindesaal. In meinen Augen war das eine ‚Trockenbeichte‘, wie ein Pauschalangebot für eine Reisegruppe. Dahingegen war eine katholische Beichte im Beichtstuhl wie eine Inquisition. Denn hauptsächlich ging es da, unserem Alter entsprechend, um das sechste Gebot. Vor allem, wie oft man ‚Es‘ gemacht hatte. Nach einer Stunde Beichte hören musste dem Priester die gebeichtete Wichse schier bis zu den Knöcheln stehen (natürlich im übertragenen Sinn)! Für mich war das eine ‚feuchte Beichte‘, so wie er uns ja auch nach ‚feuchten Träumen‘ ausfragte. Anfangs wusste ich nicht, wovon er redete. Vielleicht wenn man beim Träumen schwitzte? Meine evangelischen Freunde konnten mich aufklären, die waren ja auch etwas älter als ich und deren Pastor pflegte eine offene Sprache, er redete nicht um den Brei herum. „Das ist, wenn du was richtig schön Schweinisches träumst und dir dabei einer abgeht. Wenn dir in der Früh das Nachthemd am Bauch festklebt“, meinte Berndi, „Aber das kann doch keine Sünde sein“, sinnierte er weiter, „das ist doch nur ein Traum und keine Absicht!“ „Aber in unserem Beichtspiegel steht ‚Unkeusches zugelassen, in Gedanken, Worten und Werken‘. Und was ist ein Traum anderes als Gedanken?“, erklärte ich. „Frag deinen Pfarrer doch mal danach!“, feixte Nori. „Sonst noch was! Das wäre sicherlich gleich eine ‚Zulassung von Unkeuschem in Worten‘!“

      „Dazu fällt mir gerade etwas ein, kennt ihr den Witz mit dem 3-5-er ?“, meinte Milou, der schon im zweiten Jahr einer Klempnerlehre steckte und angeblich schon mal richtig ‚Löchle gestopft‘ hatte, „bis auf den Knochen!“, wie er stolz erklärte. „Knochen“? In einer Möse ist doch kein Knochen!“, hatte einer bemerkt. „Doch, wenn dein Schwanz lang genug ist, so wie meiner, dann stößt er an einen Knochen, wohl das Steißbein!“, „Das Scheißbein, willst du wohl sagen, weil es gleich beim Arschloch sitzt!“, hatte Nori ihn berichtigt und war vor Freude über seine treffende Bemerkung herumgehüpft. „Hört zu, den Witz hat mein Geselle letztens bei der Brotzeit erzählt: Also, es treffen sich zwei beim Pissen an der Pissrinne in einer Kneipe. Der eine sieht, wie der andere sich auf die Hose pisst. „Das ist mir früher auch oft passiert“, tröstet er ihn, „Deshalb mach ich das jetzt ganz systematisch: 1. Hosenladen auf, 2. Schwanz raus, 3. Vorhaut zurück, 4. Wasser lassen, 5. Vorhaut wieder nach vorne, 6. Pimmel in die Hose, 7. Hosenfalle zuknöpfen!“ Darauf meint der andere: „Das ist mir alles zu lang. Da mache ich lieber nur das 3-5, 3-5, 3-5. Das ist viel schöner!“ Alle, auch ich, brachen in so grölendes Gelächter aus, dass sogar die auf den rollenden Beichtstuhl Wartenden sich nach uns umdrehten. Ich versuchte verzweifelt, den Witz zu begreifen. „Was ist denn daran so witzig?“, fragte ich Nori, mit dem ich am vertrautesten war, „so ungefähr mache ich es doch auch!“ „Geht mal etwas auf die Seite!“, rief Nori den anderen zu, „ihr steht auf der Leitung von ‚Kleen-Bendick‘! Also gehen wir nochmal alles der Reihe nach durch, was ist 1., 2. usw. Und nun überlege mal, was ist, wenn du nur 3 und 5 machst!“ „Wichsen!“ entfuhr es mir wie damals das „Heureka“ dem Archimedes. Alle kugelten sich schier vor Lachen.

      „Und ein 1-7-5-er, ist das auch einer, der wichsen tut? “, fragte ich sie etwas zögernd. „1.Hosenladen auf, 7. Hosenladen zu, 5. Vorhaut zurück. Das find ich komisch!“ Dieses Wort, besser diese Zahl, die ich öfters in einer Unterhaltung zwischen Erwachsenen aufgefangen hatte, lag mir schon lange auf der Zunge. Die Kumpels schauten sich an, dann brachen sie wieder in ihr ordinäres Lachen aus, was sonst einen schweinischen Witz begleitete. „Das kannst du ruhig laut sagen! Das ist die Bezeichnung für einen Schwulen, einen Homo, einen von jenen Erwachsenen, die es mit Gleichen treiben. Im dritten Reich unter Hitler, wurden diese als Untermenschen betrachtet. Um die deutsche Rasse rein zu halten, wurde da so ein Paragraph erlassen, der §175, der solches Treiben verbot und mit Gefängnis, später sogar KZ oder Kastrieren bestrafte. Kastrieren war eh eine Weile große Mode, vor allem bei euch Katholiken. Oft entmannte man Kinder, damit sie im Kirchenchor oder später an der Oper weitersingen konnten. Euer heiliger Augustinus hat sich selbst entmannt, um nicht mehr den sexuellen Versuchungen ausgeliefert zu sein. ‚Lieber als Eunuche in das Himmelreich eingehen‘, soll er gesagt haben, ‚als als Sünder in die Hölle!‘“ „Aber wie hat er das gemacht?“, fragte Jürgen. „Vielleicht mit zwei Ziegelsteinen? Paff!...“, vermutete Bernd. „Brr! Wenn ich mir sowas vorstelle, da kommt mir keiner mehr hoch!“, meinte Milou.

      „Und wenn wir zusammen wichsen, sind wir dann nicht auch 175-er?“, entfuhr es mir. Es folge ein kurzes Schweigen. Jeder überlegte. „Ich glaube nicht!“, meinte Milou, der älteste von uns nach einer Weile. „Dazu muss man erwachsen sein, hatte man uns in der Berufsschule gesagt. Offiziell, das heißt, nach dem Gesetz, sind wir ja noch Kinder, solange wir keine 21 sind“. „Wie kommt es dann, dass du schon im Jugendknast warst, du bist doch erst 18?“ „Das heißt ‚sonniger Süden mit gesiebter Luft‘, das ist eine andere Art von Urlaub“, lachte er, „gewissermaßen ein Zwangsurlaub in einem Kellerraum der Residenz in Kempten. Als Kind darfst du allen Scheiß machen und man kann dich nicht einsperren. Die Eltern sind für alles haftbar. Ab 18 bist du ‚beschränkt haftbar‘ für den Unsinn, den du machst (erst seit 1974 ist man mit 18 volljährig und auch wahlberechtigt). Da man dich nicht dauerhaft einsperren darf, alleine schon wegen deiner Lehre oder dem Schulunterricht macht man das an mehreren Wochenenden. Da geht es manchmal ziemlich lustig zu!“, schnitt er auf. „Dort unterrichtet man dich auch, wie die einzelnen Missetaten einzuordnen sind. Die kleinen nennt man Ordnungswidrigkeiten, dafür muss man nicht ins Gefängnis, die großen Straftaten oder Delikte, die wiederum in Vergehen und Verbrechen unterteilt werden. Für Verbrechen wie Raub, Mord oder Vergewaltigung gibt es da ganz happige Strafen. Die happigste war die Todesstrafe. Die ist aber seit 1945, meinem Geburtsjahr, abgeschafft. Diese grausame Art der Bestrafung geht noch auf das Alte Testament zurück, ihr kennt die Bibelstelle sicherlich alle, wo es heißt ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘! Also wer getötet hat, muss gleichfalls sterben. Anfangs, im alten Rom, waren die ersten Christen gegen die Todesstrafe, da es ja meist ihnen selber an den Kragen ging. Als das Christentum dann Staatsreligion wurde, waren sie plötzlich dafür, um die Heiden zu bekämpfen und zur Bekehrung zu zwingen, hat unser Pastor erzählt. Grausam! Deshalb halte ich nicht mehr viel von Religion und dem Drumherum. Und auch nicht von Politik. Die drehen alles so hin, wie es ihnen am besten passt!“

      „Das ist ja richtig gruselig. Hast du schon mal echte Verbrecher getroffen? Wie sehen die denn aus?“, wollte Gustav wissen. „So wie du und ich. Wie ganz normale Menschen. Nur in den Kriminalfilmen erkennt man sie gleich an ihrem Aussehen!“ Das wenn meine Mutter wüsste, dass der Milou schon mal im Bau war! Die ließe mich gar nicht mehr auf die Straße raus! Ich überlegte, ob ich nach einer solchen Unterhaltung und diesem Umgang nicht gleich nochmal in den rollenden Beichtstuhl einsteigen sollte, um meine neuesten Sünden zu beichten. Aber war es überhaupt eine Sünde, wenn man etwas Schweinisches gehört hatte? Eigentlich müsste das doch nur den betreffen, der einen solchen Witz erzählt… Das müsste ich mal den PS fragen. Aber der war schon endgültig abgefahren und diejenigen, die gebeichtet hatten, waren auch weggegangen, wohl um sich nicht wieder mit Sünden anzustecken, indem sie uns zuhörten, zu schlecht war der Ruf der Buben, bei denen ich mich befand!

      Durch meinen Freund Toni erfuhr ich auch, was ein Ablass ist. Das ist der Nachlass von Sündenstrafen, die man durch Gebet, meistens ein kompletter Rosenkranz, für andere erreichen kann. Vorher muss man aber gebeichtet haben. Ablässe mit der Spende einer bestimmten Geldsumme zu verbinden (was den Anlass zu Luthers Reformation gegeben hatte), war nicht mehr erlaubt. Nur durch Gebete konnten Sündenstrafen nachgelassen werden, besonders für diejenigen, die ohne vorherige Beichte gestorben waren und deshalb im Fegfeuer brutzelten. Die Möglichkeit dazu boten die Kirchenfeste, zum Beispiel das Fest des heiligen Martins, des Schutzherrn unserer Pfarrkirche und der 2. August, das Fest der heiligen Portiunkula. Da drängten sich die alten Weiblein um und in der Kirche um einen Ablass für einen lieben Verstorbenen zu erwirken. Aber auch Kinder kamen zur Kirche, geschickt von ihren Eltern, um

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