Kreuzweg zu anderen Ufern. Wolfgang Bendick

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Kreuzweg zu anderen Ufern - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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Für viele, vor allem die Frauen, glich das einer Modenschau. Auch wir Jungens hatten da unsere Eitelkeit. Jeans waren gerade in Mode. Natürlich mussten das ‚Lewi’s‘ sein und hauteng. Notfalls taten es auch ‚Mustang‘, eine billigere Marke mit einem eingestanzten Pferd auf einer seitlich über dem Gürtel angenieteten Lederplakette. Manfred wusste, wie man Jeans anpasst: „So eng wie möglich kaufen, so, dass du gerade noch reinpasst, anziehen und in die Badewanne setzen. Dann mit den nassen Jeans rausgehen und solange laufen, bis sie trocken sind.

      Das war bei uns nicht möglich. Schon alleine die Jeans kaufen! Einmal hatten die Eltern uns zweien dunkelrote Jeans gekauft, natürlich keine Lewi’s, denn die waren zu teuer. Irgend so ein Kaufhaus-Gelump, billig und im Räumungsverkauf. Als wir damit das erste Mal auf die Straße gingen, waren wir der Spott des Dorfes, mein Bruder und ich. „Die Red-Jeans-Bande!“, spotteten die Kumpel und zeigten verächtlich mit den Fingern auf uns, „Wie ein paar Tunten vom anderen Ufer!“ Wir zogen die Hosen nie wieder an. Unsere Eltern wunderten sich, dass die Hosen nicht verschlissen. „Das ist halt noch Qualität, trotz des niedrigen Preises!“, lobte die Mutter, die gar nicht merkte, dass wir sie nie anzogen, nur ab und zu auf den Wäschehaufen schmissen. Von unserem ersten während der Ferien selbstverdienten Geld kauften wir uns Mustang-Jeans, gingen damit zum Schwarzfischen in den Rohrbach und warteten bis sie wieder trocken waren. Aber am Abend da wieder rauskommen! Wir mussten einander helfen uns von den Hüllen zu befreien. Und unsere Unterhosen waren ganz blau geworden und unsere Beine ebenfalls! Wir stopften die Unterhosen unten in die Mülltonne, damit die Mutter nichts bemerkte.

      Natürlich wurden die neuen Jeans in der Kirche vorgezeigt! Und da Krawatten uns zu spießig waren und ich auch den Knoten nie hinkriegte, hatte Manfred die Idee des Jahrhunderts gehabt: John Wayne und Gary Cooper, die Hollywood-Cowboys – wer kannte ihre Filme nicht – waren unsere Vorbilder, unsere wahren Helden! Sie zeigten uns, wie man sich Damen gegenüber benimmt, kurz, wie sich ein richtiger Kavalier zu verhalten hat, wenn’s sein muss, mit Faustschlägen! In einem Stoffladen hatte Manfred einen Rest schwarzes Seidenband gekauft und es sich um den Hemdkragen gebunden. So sah er aus wie ein Sherif, der gerade zum Duell antrat, wenn er in der Schlange der Kommunizierenden langsam zum Altar voranschritt. Und ich hinter ihm, die Leute hielten mich sicherlich für den Hilfs-Sherif, mit einem dunkelblauen Band um den Kragen meines weißen Hemdes, denn den Restposten schwarzes hatte ja der Manne gekauft. Natürlich machten noch ein paar andere diese Mode nach. Manfred fühlte sich richtig stolz, doch ich kam mir irgendwann blöd vor zwischen den Lederhosen-Seppln und den Dirndln und wickelte das Band meinem schon länger vernachlässigten Teddybären um den Hals. Sogar meine Mutter fand das gut, „das steht dem jedenfalls besser als dir!“

      Von wegen ‚stehen‘! Die wusste ja gar nicht, was in der Welt vorging! Was heißt Welt. Im Dorf, in der Familie! Genauer noch: in unseren Hosen! Wovon wir alle die ganze Zeit redeten, wovon wir einen Blick zu erhaschen versuchten, wenn sich jemand am Badeplatz umzog. Von dem wohl Wichtigsten auf Erden, von dem man uns nichts verriet, es nur mit dem Wort ‚unkeusch‘ umschrieb! Was sie auch nicht wusste, war, dass ich irgendwann mal den Teddy unten angebohrt hatte, um herauszufinden, was das ‚Ficken‘ oder ‚Löchlestopfen‘ war, von dem die Größeren so begeistert sprachen. Mit ‚Selbststudium‘ könnte man so etwas umschreiben, wenn ich meinen Pimmel, mit einem Taschentuch bekleidet in die raue Holzwolle einschob. Damals war gerade der Schlager ‚Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh´n‘ in aller Munde. Auch wir grölten ihn, wenn wir unter uns waren, aber mit dem volkstümlichen Text, wo das Wort ‚vögeln‘ eingesetzt war. Es war einfach toll! Und ‚sofern die Schwänze stehn‘ anstelle von ‚Winde wehn‘.

      Den Sommer verbrachten die Jugendlichen beiderlei Geschlechtes fast alle Nachmittage am Herzmanns-Weiher, auf der Liegewiese oder im kühlen Wasser. Wie oft passierte es mir, dass ich einen Steifen bekam und eine halbe Stunde oder mehr auf dem Bauch liegend verbrachte, weil ich verhindern wollte, dass es jemand sah. Ein Mädchen kann sich gar nicht vorstellen, wie das ist! Doch machte das auf-dem-Bauch-Liegen und der Druck des Bodens das Ding auch nicht unbedingt kleiner. Außerdem konnte ich so besser die anderen beobachten, vor allem beim Umziehen.

      Das Umziehen alleine war schon so eine Sache. Oft riss jemand einem die Decke weg, unter der man das ausführte, und man stand plötzlich nackig da. Und wenn dann noch jemand die Badehose geklaut hatte… Manchmal griffen die Älteren ein und mahnten die zu bösen Buben zur Ruhe. Um der Gefahr des Decken-Wegziehens vorzubeugen, zog ich mir jetzt immer die Badehose schon daheim an. Und um nicht bei jeder Gelegenheit einen Ständer befürchten zu müssen, hatte ich eine besondere Methode entwickelt: Bevor ich in die Badehose schlüpfte, machte ich schnell meinen ‚Frühsport‘, ich molk mich noch flink aus, in ein Taschentuch. Manchmal, wenn ein Freund mit dem Fahrrad unten auf mich wartete, so schnell, dass weder Zeit für das damit verbundene wohlige Gefühl blieb, noch Gelegenheit, sich nachher von dem Gefühl von Sünde niederdrücken zu lassen. Das war mehr ein hygienischer Akt, fast wie pinkeln oder kacken. Um nachher nicht nur geile Gedanken zu haben (vor allem meinen Schwanz zu bändigen), wenn da auf der Wiese manche Mädchen nur im Bikiniunterteil lagen, das Oberteil hing am Weidenzaun, um sich besser den Rücken bräunen zu können. Oder wenn man dabei zufällig Dinge erblickte, die ein anständiger Junge wie ich nicht sehen sollte, wie die Erwachsenen so leicht sagten, und dann selber hinschielten. Dadurch dass ich die Badehose schon anhatte, entfiel also der Akt des Umziehens.

      Blieb nur das Ausziehen der nassen Badehose vorm Heimradeln. War nicht viel los, schlupfte man unter die Decke, öfters zu mehreren – so war die Gefahr, dass sie jemand wegzog geringer. Dort, im Halbdunkel schielte man auf den Bauch der anderen, um deren Anhängsel mit dem eigenen zu vergleichen. Manchmal ging jemandem dabei sein schlapper Schwanz in die Höhe, was sich dann wie eine Kettenreaktion auf die anderen auswirkte. Einmal hatte Nori ein Metermaß dabei und wir maßen ganz genau, soweit das im Halbdunkel möglich war. Natürlich strengte sich jeder an, seine Latte möglichst lang und dick zu machen. „Hart ist der Schwanz der Bisamratte, noch härter ist die Morgenlatte!“, verkündete Milou einmal. Den Spruch hatte er von einem der Gesellen in der Installationsfirma, wo er eine Lehre absolvierte. Bald darauf waren diese geflügelten Worte in aller Munde.

      „Ich glaube, ich lerne mal Dachdecker, wenn ich die Scheißschule endlich fertig habe!“, meinte Nori. „Wieso denn das?“, wollte ich wissen. „Weil ich dann immer eine Latte in der Hand habe!“, rief er lachend. War ich in Bezug auf Muskelmasse eher ein Schwächling, so machte die Länge meines Teiles diesen Mangel wieder wett. Auch war ich einer der ersten, obwohl einer der Jüngsten, wo in der besagten Gegend sich schon die ersten Haare kräuselten. Komischerweise waren diese blond, obwohl ich sonst dunkle Haare hatte. Das rief die Bewunderung der anderen hervor und sie strichen fast ehrfürchtig darüber. „Das goldene Vlies!“, meinte Gustav, der für einmal was aus dem antiken Geschichtsunterricht behalten hatte.

      Ein anderer kritischer Moment war, wenn man aus dem Wasser stieg. Denn dann klebte die Badehose einem so am Bauch, dass sich genau abzeichnete, was darunter lag. Bei dem kalten Wasser unseres Sees hing es meistens nach unten. Indem man kurz den Gummi vorzog, konnte man etwas Luft in die Badehose bringen und sie klebte weniger. Je billiger die Badehose war, umso mehr schien da durch. Manne hatte eine dunkelrote aus ‚Lastex‘, wie er sagte. Sie trocknete nach dem Baden innerhalb von 10 Minuten und er brauchte sie deshalb nicht auszuziehen. An ihm war irgendwie alles harmonisch abgerundet. Schon sein Name! Wie gerne hätte ich auch so einen wohlklingenden gehabt, von dem auch die Kurzform noch männlich klingt, und nicht einen so doofen wie Wolfgang. Wie hatten meine Eltern mich nur so taufen können! Hätten sie mir zumindest einen Doppelnamen gegeben, da hätte ich später wählen können! Vielleicht doch besser nicht… Denn eigentlich hätte ich ja ein Mädchen sein sollen, wie ich aus den Gesprächen meiner Mutter mit Nachbarinnen heraushörte. Die hätten es fertiggebracht, mir noch einen Mädchennamen unterzujubeln! Aber kommen wir wieder auf Manne zurück und seine Rundungen. Seine Frisur, seine Gesichtszüge, der Muskelbelag seines Körpers, sogar die Beule vorne in der Badehose bestanden aus Kurven, während an mir alles kantig war. Selbst, wenn er aus dem Wasser stieg, konnte man nicht erkennen, ob er seinen Pimmel links oder rechts hängen hatte. Ich hatte ihn in Verdacht, sich vorne alles mit Watte

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