Kreuzweg zu anderen Ufern. Wolfgang Bendick

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Kreuzweg zu anderen Ufern - Wolfgang Bendick Zu Wasser und zu Lande

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in die Kirche gebracht hat, aber du hast Recht, nicht immer ging es nur katholisch zu in der Geschichte der Kirche. Jedenfalls ist der Papst in seinen Entscheidungen, welche den Glauben betreffen, unfehlbar. Das ist auf das direkte Wirken des Heiligen Geistes zurückzuführen!“ Mein Freund, so sah ich, ließ nichts über die Kirche kommen. Jeder Zweifel, ja, eine bloße Frage ist für einen Katholiken fast schon eine Gottesleugnung.

      „Wir hatten über die Beichte gesprochen“, sagte ich. „Eigentlich halte ich nicht viel davon. Warum machen die Katholischen es nicht wie die Protestanten, ab und zu im Jahr mal eine Gemeinschaftsbeichte, wo ein jeder sich besinnt und ihm dann vergeben ist!? Ich finde es übertrieben, jede Woche beichten zu gehen oder jeden Monat!“ „Bei uns ist es halt so, und ich finde die Ohrenbeichte besser. Denn da kann der Priester dir einen Rat geben oder dir sonst wie helfen, wenn du in einem Schlamassel steckst!“, erklärte er mir. „Der erkennt dich doch im Beichtstuhl. Und was geht den das an, wie viele Male ich gewichst habe oder nicht in der Kirche war? Jedes Mal will er wissen, wie oft, ob man das alleine gemacht hat oder mit anderen. Ich lüge ihn jetzt immer an, dass ich es alleine tue. Lügen ist ja eine kleinere Sünde. Oder ich beichte als letztes, dass ich gelogen habe. Einmal war ich ehrlich und hatte gesagt, dass es zusammen mit anderen war. Da wollte er wissen wo wir das gemacht hatten und wer die anderen waren. Ich werde doch nicht meine Freunde verraten! Also sagte ich, ich wüsste deren Namen nicht. Darauf wurde sein Ton dramatisch und mit heiserer Stimme meinte er, „so machen es die Strichjungen“. Ich weiß noch nicht mal, was das ist. Vielleicht einer der so mager ist wie ich? Letztens meinte jemand von den Erwachsenen zu mir: ‚Du bist so dünn wie ein Strich in der Landschaft!‘ Und ob ich Geld dafür genommen hätte, wollte der Pfarrer wissen. Ich wusste gar nicht, dass man seinen Samen verkaufen konnte!“

      Mir kam da plötzlich ein Erlebnis in Erinnerung, das ich letztens gehabt hatte. Ich musste es unbedingt meinem Freund mitteilen, davon wusste der bestimmt noch nichts! Obwohl ich sicher war, dass meine evangelischen Freunde sich daran bestimmt mehr aufgeilen würden als er. „Letztens war ich beim Bauern Milch holen. Da hörte ich den Bauern jemandem erklären, dass er auf den Rucksackstier warte. Wetten, du weißt bestimmt nicht, was das ist! Rucksackdeutsche, die kennen wir ja. So nennen die Allgäuer abwertend die Flüchtlinge. Aber ein Stier aus dem Sudetenland? Schmarren! Ich dachte zuerst, er meinte ein Zebu, denn diese haben ja so einen Buckel, wie ein Rucksack. Doch dann kam mir das komisch vor. Ein Zebu, hier im tiefsten Allgäu? Nie und nimmer! Da musste etwas anderes dahinterstecken! Ich stellte die Kanne in den Schatten und spazierte über den Hof, in Erwartung was da passieren würde.

      Nach einer Weile kam der Tierarzt angefahren und kruschte im Kofferraum von seinem Mercedes rum. Er nahm aus einem dampfenden Fass ein langes Stäbchen, schob seinen Arm in den Arsch einer Kuh, die sich das gefallen ließ, ihn mit großen Augen anschauend. Als er den Arm bis zur Schulter drinnen hatte, steckte er das Röhrchen in das untere Loch und drückte auf einen Kolben. „So, das wäre gemacht! Die war gut rinderig. Die ist geschwängert!“ Ich staunte. Ungewollt war ich Zeuge eines Wunders geworden, einer unbefleckten Empfängnis, wenn auch nur bei einer Kuh. Zwar so ganz unbefleckt auch wieder nicht, da der Besamer schon ein paar Fladenspritzer abbekommen hatte. Aber es ging hier ja um die Nichtbeteiligung eines männlichen Wesens beim Zeugungsakt und das ‚Empfangen ohne Sünde‘, also ohne ficken. Soeben hatte die Kuh noch gedacht wie damals die Maria, als der Engel aufgetaucht war: „Wie soll das geschehen, da ich hier im Stall keinen Stier erkenne? Und hops, schon ist sie schwanger. „Das macht 5 Mark!“, sagte der Tierarzt, und der Bauer gab ihm die Münze. Ich sinnierte weiter und sagte zum Freund: „Es muss da logischerweise irgendwo jemanden geben, der Stiere melkt und dann das Sperma in kleinen Portionen abfüllt und verkauft. Muss ja ein geiler Job sein! Hätte Lust, sowas mal als Ferienjob zu machen! Was meinst du, die Strichjungen, verdienen die so ihr Geld? Doch was macht man mit dem vielen Sperma“, ging es mir im Kopf um, „verkaufen?“...

      Mein Freund hielt meine Ausführungen sicherlich für eine Erfindung meines von Pubertätshormonen überfluteten Gehirnes, bestenfalls für eine Übertreibung oder Aufschneiderei, mit der ich ihm imponieren wollte. Sicherlich hielt er es für mein Seelenheil als dringlicher, mal zu beichten und mich von solchen Vorstellungen, wie ich sie ihm soeben geschildert hatte, abzubringen. „Du weißt ja, die Priester sind an das Beichtgeheimnis gebunden! Nie würden sie etwas ausplaudern, was sie gehört haben, es gibt da genügend Beispiele in der Heiligengeschichte…“, kam er auf sein Thema Nummer 1 zurück. „Trotzdem hab´ ich keine Lust mehr, meine Schandtaten unserem Pfarrer ins Ohr zu flüstern, das ist halt so. Die kann ich doch Gott direkt beichten. Und, genau gesehen, ist das eigentlich gar nicht notwendig, denn der kennt sie eh alle, wahrscheinlich sogar schon im Voraus!“ „Du kannst sie ja dem alten Pfarrer beichten, der ist schon halb taub und vergesslich. Letztens, bei der Frühmesse, als ich ministriert habe, hatte er sogar mal den Faden verloren und ich habe ihm sagen müssen, was als nächstes zu tun war“. „Da frage ich mich, ob so eine Beichte dann überhaupt gültig ist, wenn er dich gar nicht verstanden hat. Stell dir vor, da denkst du, du bist frei von Sünden. Und plötzlich stirbst du, und kommst gar nicht in den Himmel, weil deine letzte Beichte ungültig war!“, gab ich zurück, halb scherzend, halb im Ernst.

      DER ROLLENDE BEICHTSTUHL

      „Hast du schon mal was vom PS gehört, oder vom rollenden Beichtstuhl?“, wollte er wissen. „PS sollen wohl Pferdestärken sein, und ein rollender Beichtstuhl? Dabei kommt mir eher ein Rollstuhl in den Sinn, ein beichtender Rollstuhl, finde ich lustig!“ „PS heißt Pankraz Schmid, das ist der Name meines Religionslehrers in der Berufsschule. Und der kommt auf Anruf mit seinem Auto hier raus und nimmt die Beichte ab. Nächsten Freitagnachmittag um drei Uhr kommt er. Ich habe schon alles organisiert, wenn du Lust hast, dann komm um diese Zeit auf den Parkplatz vorm ‚Hasen‘“. „Ist denn so eine Beichte überhaupt gültig? Ich könnte mir denken, dass unser Pfarrer ganz und gar nicht mit einer Konkurrenz in seinem Revier einverstanden ist! Der bringt es fertig und verweigert dir die Kommunion, weil du nicht hier gebeichtet hast“. „Das baucht der ja gar nicht zu wissen. Du kannst ja genauso gut in der Stadt zum Beichten gehen!“

      Alleine schon aus Neugierde fand ich mich am Freitag auf dem Parkplatz ein. Und dann kam ein weißer VW-Käfer angefahren. Ihm entstieg jemand, den ich auch kannte, gesellte sich zu uns, und schon war es an mir. Etwas zögernd stieg ich ein, wusste ich doch nicht, wie das ablaufen würde. Außerdem hatte einer meiner evangelischen Freunde gesagt, als ich ihm vom rollenden Beichtstuhl erzählt hatte: „Pass ja auf, dass der dir nicht an die Eier fasst! Ich habe von einem Kumpel an der Berufsschule gehört, dass der PS ein Schwuler ist, einer ‚vom anderen Ufer‘!“ Und schon ging die Fahrt los. Ich suchte noch nach den formelhaften Worten, mit denen man eine Beichte beginnt, als der Pfarrer, ein eher kleiner, etwas dicklicher Mann, schon die erste Frage stellte, ganz locker, ohne sich an die Regeln, die in einem Beichtstuhl gelten, zu halten. Das fand ich toll und das Beichten verlief eher wie eine Unterhaltung. Vor allem stellte er keine blöden Fragen.

      Er war in Zivil gekleidet, hatte aber eine Stola um den Hals gelegt, wohl als legales Zeichen seines Amtes. Wir fuhren die B 19 in Richtung Oberdorf. Beim Schalten näherte sich seine Hand verdächtig meinem linken Knie, das ich bewusst weit zur anderen Seite gelegt hatte, um auch nicht zufällig berührt zu werden. Außerdem hatte ich mir vorsichtshalber eine Jeans angezogen und keine Short. An der Abzweigung nach Niedersonthofen angekommen, war ich schon mit dem Beichten fertig. Er bog ab, drehte um. Während er die Absolution sprach, schaltete er hoch und seine rechte Hand beschrieb das Kreuzzeichen, während er den Schalthebel betätigte. „Ego te absolvo a peccatis tuis, in nomine patris, et filii et spiritus sancti!“ „Aha, H-Schaltung!“, kam es mir ungewollt in den Sinn, während ich „Amen!“ sagte. Die Buße bekam ich auf der Rückfahrt auferlegt. Auf dem Parkplatz angekommen, hatte ich schon meine drei ‚Vater Unser‘ und ‚Gegrüßet seist du Maria‘ abgeleistet und stieg irgendwie erleichtert aus. Nicht nur, weil nichts passiert war. Endlich mal wieder frei von Sünden! „Wenn du jetzt sterben würdest, kämst du gleich in den Himmel!“, empfing mich mein Freund und stieg selber

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