Veyron Swift und das Juwel des Feuers. Tobias Fischer
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Читать онлайн книгу Veyron Swift und das Juwel des Feuers - Tobias Fischer страница 16
Jessica atmete scharf aus und sah ihn direkt an. Er hielt ihrem Blick nicht lange stand. »Habe ich dich nach deiner Meinung gefragt? Hier springt ein dicker Bonus für mich raus, wenn ich es schaffe, Nagamoto rumzukriegen. Den Flieger erwischen wir schon noch, der soll gefälligst warten«, blaffte sie.
Wittersdraught rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. »Da gibt es ein kleines Problem«, meinte er halblaut und erntete ein zorniges Stirnrunzeln. »Ein Sturmtief über dem Atlantik, schon seit einer Woche. Es will einfach nicht weiterziehen. Auf jeden Fall wurden viele Flüge gestrichen. Fast kein Privatjet bekommt Starterlaubnis, auch der unsere nicht«, erklärte er.
Für einen kurzen Moment wurde sein Wesen von so etwas wie Stolz und Größe beseelt. Wenn er auch sonst unbeholfen und unterwürfig war, Wittersdraught war ein wahres Lexikon. Ihn konnte Jessica nach fast allem fragen, sein Wissensvorrat schien nahezu unbegrenzt. Zu ihrer Erleichterung machte er daraus nicht mehr.
»Sag bloß, das heißt, ich muss Linie fliegen? Harry, das geht gar nicht! Da stehe ich wie eine Idiotin gegenüber den anderen da. Niemand fliegt heute noch Linie, nur der Pöbel von der Straße«, protestierte sie, doch Harry schüttelte energisch den Kopf.
»Der Umweg, den unser Privatjet nehmen müsste, um dieses Unwetter zu umfliegen, wäre zu groß, um eine rechtzeitige Ankunft in London zu garantieren. Aber ich habe den schnellsten verfügbaren Linienflug gebucht, natürlich Erste Klasse. Glaub mir, du wirst es nicht bereuen. In Zukunft wirst du nur noch mit dieser Maschine fliegen wollen«, erwiderte er und grinste begeistert.
Jessica winkte genervt ab. Sie wollte jetzt keinen technischen Vortrag hören; sie musste einen sturen Manager über den Tisch ziehen. »Hauptsache, ich komme rechtzeitig nach London. Sieh lieber zu, dass bei der Präsentation kein Mist passiert. Die Zahlen sprechen für sich, damit werde ich ihn schon weich kochen. Wenn nicht … nun, vielleicht spricht er auf andere Methoden besser an«, sagte sie und öffnete den obersten Knopf ihrer Designerbluse.
Harry wurde sofort rot im Gesicht. Offenbar hatte er etwas Wichtiges im Aktenkoffer vergessen, so schnell, wie er dort hineinsah. Jessica konnte seine Gedanken erraten, spürte förmlich seine Qual, als er sich ausmalte, was sie mit Nagamoto vielleicht alles anstellen würde – aber niemals mit ihm.
»Sie können sich die Mühe sparen, Miss Reed. Ich bin in großer Eile und muss den nächsten Flug nach London erwischen«, tönte plötzlich eine tiefe Stimme durch den Konferenzraum.
Jessica schreckte hoch und fuhr herum. Nagamoto kam aus einem Nebenzimmer, nicht aus seinem Büro. Er hatte einen Umweg genommen, um von dort aufzutauchen, wo sie ihn nicht erwartete, um sie gleich wissen zu lassen, dass er hier der Boss war.
Das war er auch zweifellos. Die Luft schien sich zu verändern, als er den Raum betrat. Mit stolzen, zugleich erhabenen Schritten kam er auf sie beide zu, umkreiste die Sitzgruppe und setzte sich ihnen gegenüber. Er reichte zuerst ihr und anschließend Harry die Hand. Gemeinerweise drückte er bei Jessica sehr fest zu. Sie verzog jedoch keine Miene, gönnte ihm das Vergnügen nicht, ihm zu zeigen, dass es durchaus wehtat. Harry wagte nicht einmal, ihm in die Augen zu sehen. Er ergriff nur schwach seine Hand und zog sie sofort wieder zurück. Er ist und bleibt ein Würstchen, dachte sie angewidert.
»Sie haben mein Angebot noch gar nicht gehört«, entgegnete sie mit einem frechen Lächeln und schlug ihre Beine so übereinander, dass Nagamoto gar keine andere Wahl hatte, als hinzuschauen. Jessica trug einen engen Minirock aus schwarzem Leder, der perfekt zu ihrer nicht minder engen und vorteilhaft ausgeschnittenen Bluse passte. Doch Nagamoto ließ sich weder von den langen Beinen noch von ihrem tiefen Dekolleté aus dem Konzept bringen.
»Das Geld Ihres Hauses interessiert mich nicht, Miss Reed, ganz gleich, wie hoch Ihr Angebot sein mag. Ich bin für das Wohl meines Unternehmens verantwortlich, und ich wäre ein schlechter Beschützer, wenn ich es aus purer Gier Ihrem Haus überließe«, erwiderte er. Seine troff aus jeder Silbe.
Reed hatte jedoch sofort eine Antwort parat. »Borgin & Bronx wollen ins Energiegeschäft einsteigen. Und Energreen ist die perfekte Plattform: Erfahren, zukunftsorientiert, vielseitig. Ihr Unternehmen besitzt riesige Wachstumspotenziale, und wir verfügen über das Kapital für dieses Wachstum. Bedenken Sie nur die Höhe der Summe, die Borgin & Bronx bereit sind, in Ihr Unternehmen zu investieren.«
Nagamoto brauchte nicht lange zu überlegen. »Wir sind sehr gut aufgestellt, auch für schwierige Zeiten. Und Expansion und Wachstum sind nicht unsere primäre Firmenstrategien. Was mich interessiert, ist die Frage, was Sie meinem Unternehmen sonst noch zu bieten haben. Was wird mit den Beschäftigten geschehen, wenn Sie erst einmal die Aktienmehrheit halten? Entlassungen natürlich, die altbewährte und billigste Methode, da sich so am schnellsten Erträge erwirtschaften lassen. Nein danke, das widerspricht der Philosophie unseres Hauses.«
Seine Stimme war einfach zu gewaltig, um ihm frech ins Wort zu fallen. Jessica sammelte sich eine Sekunde. Der Mann war so abweisend wie ein Panzer. Auf ihre optischen Reize sprang er nicht an, wollte nicht einmal zuhören. Ehrlich gesagt war sie vollkommen ratlos, welche Strategie sie bei ihm noch anwenden konnte. Klar war nur, dass sie weder das zuckersüße, naive Mäuschen noch den liebeshungrigen Vamp zu geben brauchte (zwei Rollen, die sie sehr gut beherrschte). Also versuchte sie es in einem Anflug unüberlegter Verzweiflung mit freundlichen Drohungen. »Es herrschen ganz klar noch einige Diskrepanzen zwischen unseren Positionen. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Aktionäre von Energreen die richtige Entscheidung fällen werden – selbst wenn Sie und ich uns heute noch nicht einigen sollten.«
Nagamoto begann zu lächeln. »Ich sehe, worauf Sie hinauswollen. Aber ich garantiere Ihnen: Es wird kein Geschäft zwischen uns geben, Miss Reed; ganz gleich, von welcher Art. Und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, dass Ihr Haus keinen nennenswerten Stimmanteil meines Unternehmens in die Finger bekommt«, sagte er und erhob sich. »Leider warten noch andere Termine auf mich. Aber bleiben Sie ruhig noch sitzen und genießen Sie die Aussicht. Mrs. Watson wird Sie später nach unten bringen.«
Er schüttelte zum Abschied erneut Reeds Hand, dann die von Wittersdraught, der angelegentlich zu Boden starrte, um den strengen Blick seines Gegenübers nicht ertragen zu müssen.
Jessica schaute Nagamoto hinterher, ihren Zorn nur mühsam unter Kontrolle haltend. Noch nie hatte sie sich eine derartige Abfuhr eingefangen. Sie war es gewohnt zu bekommen, was sie sich in den Kopf setzte. Das war schon immer so gewesen – und jetzt das? Dafür würde jemand büßen müssen! Sie wusste auch schon genau, wer.
»Das ist deine Schuld, Harry! Du hast mich miserabel vorbereitet. Das war scheiße, absolute Scheiße«, zischte sie ihn an, obwohl sie am liebsten gebrüllt hätte. Immerhin besaß sie noch genug Selbstbeherrschung, um nicht in die Luft zu gehen. Am liebsten wollte sie diesen Idioten schlagen. Die armselige, zusammengekrümmte Figur, die er jetzt gerade machte, bekräftigte sie in diesem Wunsch nur noch.
»E-e-e-es tut mir leid«, stotterte er hilflos. »Aber nach allen Informationen, die über Nagamoto verfügbaren waren, schien dies die wirkungsvollste Strategie zu sein. Optische Ablenkung plus knallharte Fakten. Aber ich hatte dich gewarnt: Er ist ein harter Brocken. Ich hatte dir gesagt, dass wir heute nicht viel ausrichten werden.«
Jessica funkelte ihn an und schoss aus dem Sessel. Dabei nahm sie ihre Handtasche, warf sie sich über die Schulter und stolzierte auf ihren hochhackigen Stiefeln zum Ausgang. Harry packte das Notebook zusammen, steckte