Veyron Swift und das Juwel des Feuers. Tobias Fischer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Veyron Swift und das Juwel des Feuers - Tobias Fischer страница 13
»Einen Moment!«, protestierte Jane. »Was hat die Energreen Corporation damit zu tun? Woher wollen Sie überhaupt wissen, dass Nagamoto Darings Kontakt ist? Es könnte auch jeder andere aus dem Kalender sein.«
Veyron seufzte enttäuscht und drückte sich für einen Moment mit Daumen und Zeigefinger die Augenlider zu. »Willkins, Willkins, Willkins … Da fällt mir spontan Tolkien ein: Am besten, Sie gehen wieder ins Bett, Ihr Verstand schläft nämlich noch! Nagamoto Tatsuya, oder Tatsuya Nagamoto – wenn Ihnen die europäische Schreibung seines Namens geläufiger sein sollte – ist der stellvertretende Vorsitzende eines Energiekonzerns, der Energreen Corporation. Die verkaufen Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft. Ich habe davon in der Zeitung gelesen, weil Energreen eine feindliche Übernahme durch einen Hedge Fonds droht, Borgin & Bronx, wenn ich mich recht erinnere. Nagamoto ist also nicht gerade der typische Gesprächspartner für einen alten Bücherwurm wie Daring, der sich vornehmlich für Kunst, germanische und keltische Mythen und gutes Essen interessiert. Haben Sie etwa noch keinen Blick auf die Bücher geworfen, die hier überall in den Vitrinen stehen? Mit Energiewirtschaft hatte Daring wirklich nichts am Hut. Warum also taucht in seinen Aufzeichnungen ständig ein Energiemanager auf? Ganz klar: Weil Nagamoto Darings Vertrauter ist. Damit ist er unser Mann! Vergessen Sie außerdem diese Blitzerscheinungen am Himmel nicht.«
Jane und Gregson schauten sich verblüfft an, und dann zu Tom, der jedoch in ratloser Geste mit den Schultern zuckte. Veyron atmete tief durch und verdrehte entnervt die Augen. Vermutlich konnte er nicht fassen, wie sechs Augen und drei Gehirne gleichzeitig so wenig begriffen. Er zückte sein Smartphone und tippte wie verrückt darauf herum, während er in ungeduldigem Tonfall und mit rasender Geschwindigkeit sprach. »Diese seltsamen, gewitterfreien Blitze, die seit vierzehn Tagen unregelmäßig von verschiedenen Piloten beobachtet wurden. Seit ihrem ersten Auftauchen über dem Atlantik telefonierte Daring ständig mit Nagamoto. Sie konferierten darüber. Im Terminkalender steht es eindeutig. Nagamoto. Wegen Blitzerscheinungen. Steht da überall. Haben Sie das übersehen? Ist Nagamoto Meteorologe? Nein, er verkauft Solarstrom und hat Betriebswirtschaft studiert. Das verrät mir seine Vita auf der Energreen-Homepage. Vielleicht sollten Sie besser alle wieder ins Bett gehen.«
Gregson hob beruhigend die Hände. Er ging zu Veyron und klopfte ihm anerkennend auf den Rücken. »Schon gut, schon gut. Sie haben gewonnen. Gute Arbeit, wirklich. Also, Nagamoto ist unser Mann. Was haben Sie jetzt vor?«
Als Antwort darauf eilte Veyron nach draußen, packte im Vorbeigehen Tom und zog ihn hinter sich her. »Ich fliege nach New York – und zwar auf der Stelle. Tom kommt mit mir. Sie können derweil nach einem riesigen, insektenähnlichen Wesen Ausschau halten. Fragen Sie die Bauern in Londons Norden. Da haben einige gewiss was Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Wahrscheinlich haben die gedacht, sie seien verrückt. Lassen Sie Ihre Leute mit schweren Waffen ausrüsten, das Ding ist riesig und sehr gefährlich. Damit meine ich nicht einen dummen Troll. Widerstehen Sie außerdem der Versuchung, vorschnell mit Nagamoto Kontakt aufzunehmen. Wir wissen nicht, ob seine Leitung abgehört wird. Jedes Wort von Ihnen könnte unserem Gegner einen Vorteil verschaffen und Nagamoto gefährden. Ich werde ihn selbst aufsuchen und Sie dann auf dem Laufenden halten. Derweil können Sie die anderen Kontakte aus seinem Terminkalender abklappern – auch wenn das wahrscheinlich nichts bringen wird. Aber Vorschriften sind Vorschriften. Also dann, weiter geht’s mit Schwung!«
Kurz darauf saßen Tom und Veyron wieder in einem Black Cab und fuhren in Richtung Flughafen. Tom beklagte, dass er keinerlei Gepäck dabeihatte, noch nicht einmal was zum Anziehen. Für Veyron war dies das geringste Problem. Sie würden sich am Flughafen das Nötigste für den Überflug besorgen und sich Ersatzkleidung in New York kaufen. Tom war einverstanden, bis ihm in den Sinn kam, dass er überhaupt kein Geld besaß.
Veyron winkte jedoch ab. »Keine Sorge, ich bezahle alles. Hauptsache, wir kommen baldmöglichst nach New York. Wir könnten jetzt wirklich ein sehr schnelles Flugzeug gebrauchen. Zu dumm, dass es davon kaum welche gibt. Flammenschwert-Joe hat mindestens fünf Stunden Vorsprung. Garantiert hat er die erste Maschine genommen und den Atlantik inzwischen zur Hälfte überquert. Wir werden ihn nicht mehr einholen. Mit etwas Glück ist Nagamoto vorgewarnt und wird Vorsichtsmaßnahmen treffen«, sagte er, lehnte sich zurück und verfiel wieder in sein stilles Grübeln.
Wer konnte erahnen, welche Gedanken durch sein Gehirn schossen, wie viele Theorien und Möglichkeitsvarianten er gleichzeitig ersann, überprüfte und wieder verwarf? Zumindest ist es in seinem Kopf nicht langweilig, dachte Tom mit einer Mischung aus Respekt und Ehrfurcht. Er hatte England noch nie in seinem Leben verlassen, und morgen wäre er mit einem Mal in New York. Das kam alles ein bisschen plötzlich und erschien ihm sehr abenteuerlich.
Veyron erriet seine Gedanken (vermutlich las er sie einfach Toms besorgtem Gesichtsausdruck ab). Er lächelte beruhigend. »Wir sind rechtzeitig bis Schulanfang wieder zurück, das versichere ich dir. Falls es dennoch Verspätungen gibt, werde ich Willkins benachrichtigen.«
Tom grinste vor Begeisterung von einem Ohr zum anderen. »Eigentlich sind Sie gar nicht so übel, wenn man Sie mal ein bisschen näher kennt«, meinte er.
Veyron seufzte. »Lass das nicht Willkins wissen. Du könntest dich da bei ihr glatt unbeliebt machen. Ich versuche lediglich, effizient zu sein, Tom. Effizienz bedeutet in vielen Fällen Geschwindigkeit. Und deshalb kann ich es mir nicht leisten, auf die Gefühle anderer Menschen großartig Rücksicht zu nehmen. Darauf zu achten, wer durch welches Wort wann und wie beleidigt wird, ist Zeitverschwendung und bringt uns alle in der Sache nicht voran. Wie du siehst, drängt die Zeit, wenn Leben in Gefahr sind. Ich hoffe, Willkins wird das eines Tages verstehen, und du ebenfalls. Deshalb nehme ich dich auf dieses Abenteuer mit. Ich bin davon überzeugt, dass ich mich auf dich verlassen kann, wenn’s darauf ankommt.«
Tom glühte vor Verlegenheit und wusste gar nicht, was er jetzt sagen sollte.
Veyron gestattete sich ein kleines, spitzbübisches Lächeln, griff in seine Manteltasche und kramte darin herum. »Hier, ein kleines Geschenk«, sagte er und hielt Tom einen weißen Briefumschlag hin. Das Kuvert zierten lediglich ein paar Worte am unteren rechten Eck. Mit kunstvollen, geschwungenen Buchstaben, per Hand geschrieben, stand dort eine Adresse.
»Was ist das?«
»Korrespondenz von Professor Daring.«
»An die Weiße Königin«, las Tom vor und blickte verdutzt zu Veyron. »Haben Sie das etwa vom Tatort mitgehen lassen?«, fragte er erschrocken.
Veyron blieb ihm die Antwort schuldig, aber die Wahrheit war ja offensichtlich. »Mach ihn auf, er ist nicht verschlossen.«
Tom öffnete den Umschlag und holte einen sauber zusammengelegten Briefbogen heraus. Er faltete ihn auseinander und glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Das Papier war vollkommen leer. »Ist ja komisch. Warum steckt Daring ein leeres Blatt ins Kuvert?«, fragte er und reichte das Papier an Veyron.
Der hielt es gegen die Scheibe und untersuchte es genau. »Sehr teures Papier, wie es in keinem normalen Büro verwendet wird. Darauf schreibt man keine Geschäftsbriefe; der Adressat muss also jemand Besonderes sein, jemand, den Daring tief verehrt hat. Allein schon die Qualität des Papiers ist Liebesbeweis genug.« Er drückte das Blatt an die Scheibe und ging mit seinen Augen ganz nah heran, kratzte mit dem Fingernagel über das Dokument. »Es wurde beschrieben. Mit Zaubertinte, würde ich spontan sagen. Ich kann feine Linien ausmachen, die wohl Buchstaben sind. Sehr wahrscheinlich eine geheime Botschaft für die Weiße Königin, wer immer das sein mag. Sicher der Deckname für Darings Geheimkontakt, eventuell Nagamoto