Veyron Swift und das Juwel des Feuers. Tobias Fischer
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Читать онлайн книгу Veyron Swift und das Juwel des Feuers - Tobias Fischer страница 11
Tom starrte Veyron an. Er suchte nach einem Anzeichen, dass er erneut veralbert wurde, oder dass Veyron irgendwie anderweitig verrückt war. Jane hatte gestern Nacht jedoch nicht gelacht, ebenso wenig Dr. Strangley. Einen dermaßen Verrückten würde die Polizei sicherlich nicht frei herumlaufen lassen. Also blieb nur ein einziger Schluss übrig: Alles, was Veyron Swift gesagt hatte, musste die Wahrheit sein. Toms Aufregung kehrte zurück. Für einen Moment suchte er nach den richtigen Worten. »Wow. Cool«, war alles, was er herausbrachte.
Das rang Veyron ein Lächeln ab. »Ja, das war damals auch meine erste Reaktion«, meinte er. Sein Lächeln wurde noch breiter, nicht wegen der Anerkennung, die er von Tom erfuhr, sondern wegen der Textnachricht, die soeben auf seinem Smartphone erschien. Ich hab was Interessantes für Sie. Dury Manor, Library Street, Brentford. Gregson.
Er zeigte die Nachricht Tom, der vor Aufregung die Tischkante umkrallte. Etwas Tee schwappte über den Tassenrand, weil er dabei die Tischdecke verzog.
»Bist du also für ein weiteres Abenteuer bereit, Tom?«, fragte Veyron.
Tom sprang sofort vom Stuhl, so heftig, dass Teller und Tassen beinahe fliegen lernten. »Jederzeit, Sir!«
Sie riefen ein Taxi, ein klassisches Black Cab, da Veyron kein Auto besaß, und im Nu befanden sie sich auf dem Weg nach Brentford. Ihr Ziel war ein großes Anwesen mit einem sehr üppigen, gepflegten Garten voller uralter Bäume. Mittendrin stand Dury Manor, ein sakral anmutendes Gutsherrenhaus aus rotem Backstein, alt und verwittert.
Am Eingang wurden sie von Jane empfangen, die sie sofort hineinführte. Das Innere des Hauses war auf sehr altmodische Weise eingerichtet, aber Tom fand es dennoch recht gemütlich. Überall große Plüschmöbel und Ohrensessel, orientalische Teppichböden und Holz getäfelte Wände. Von den Decken hingen eiserne Kronleuchter. Nirgendwo ein Schimmer der Moderne. Wer auch immer hier wohnte, er mochte die heutige Welt nicht und schwelgte in der Vergangenheit des frühen 20. Jahrhunderts, als England noch ein Empire war. An den Wänden hingen Gemälde verschiedener – wahrscheinlich bedeutender – Personen, die Tom jedoch alle nicht kannte.
Veyron ging voraus, führte Tom durch die Absperrungen der Polizei, und sie gelangten zu Gregson, der im Wohnzimmer schon auf sie wartete. Der Inspektor, der sein silbergraues Haar in militärisch strenger Bürstenfrisur trug, kaute auf einem Kugelschreiber herum, während seine wachen Augen den Tatort abtasteten.
»Ah, Gregson, der beste Mann vom CID. Was haben Sie für mich?«, fragte Veyron mit einer Selbstverständlichkeit, als würde er die Ermittlungen leiten und nicht der Inspektor.
»Sieht nach Mord aus. Kommen Sie rein, Veyron. Der arme Kerl liegt noch im Arbeitszimmer«, erwiderte Gregson.
Sie verließen das Wohnzimmer durch eine Seitentür und betraten das Arbeitszimmer, das in Toms Augen wie ein zweites Wohnzimmer aussah (auch hier wieder bequeme Plüschmöbel), nur dass zusätzlich noch ein kleiner Schreibtisch in der Mitte des Raumes stand. Dahinter lag ein älterer Mann zusammengekrümmt auf dem Boden. Das gutmütige, runde Gesicht des Toten, das von schneeweißem Haar umrahmt wurde, machte Tom betroffen. Er wirkte, als sei er nett gewesen, etwa so, wie er sich immer seinen Großvater vorgestellt hatte. Der wohlgenährte Leib des Mannes steckte in einem altmodischen Tweed-Anzug. Eine weinrote Weste spannte sich über einem weißen Hemd. Seine Gesichtszüge waren nicht schmerzverzerrt, sondern wirkten auf seltsame Art und Weise friedlich. Nichts hätte auf einen Mord hingedeutet, befände sich nicht auf Höhe seines Herzens ein faustgroßer, pechschwarzer Fleck.
»Professor Lewis Daring, 83 Jahre alt, ehemaliger Oxfordprofessor. Von vorne erstochen. Die Klinge ging durch die Brust, mitten durch sein Herz, und hinten wieder raus. Jane …« Gregson drehte sich zu der Polizistin um. Jetzt erst entdeckte er Tom, der wie gebannt vor der Leiche stand. Veyron hatte sich inzwischen gebückt und untersuchte den Toten von allen Seiten. Gregson schüttelte verärgert den Kopf. »Veyron, das geht zu weit! Sie können keine Kinder an einen Tatort mitnehmen! Warum besorgen Sie ihm keinen Ferienjob? Was macht er hier überhaupt?«, schimpfte er.
Tom biss sich auf die Lippe. Am liebsten hätte er sich irgendwo versteckt.
»Er hat einen Ferienjob, und zwar bei mir. Tom ist mein Assistent, und soeben assistiert er mir«, antwortete Veyron im beiläufigen Tonfall.
Gregson stellte das jedoch nicht zufrieden. »Bei Ihnen? Sie haben gar keinen echten Beruf, Sie werden nicht einmal bezahlt!«, konterte er zornig.
Veyron schenkte ihm einen genervten Blick. »Ich bin finanziell unabhängig, für Tom ist gesorgt, das wissen Sie genau. Was soll diese Zeitverschwendung? Hier wurde ein Mord begangen. Darauf sollten wir uns konzentrieren!«
Gregson atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand über die gerunzelte Stirn. »Tom ist aber nicht finanziell unabhängig! Irgendwann wird er allein Geld verdienen und seinen Mann stehen müssen. Wie soll ihm das gelingen ohne eine Vorstellung davon, wie es im echten Leben läuft? Für einen Vierzehnjährigen ist das, was Sie hier machen, keine Alternative. Constable Willkins, bringen Sie den Jungen raus. Er hat hier nichts verloren!«
Jane drehte Tom an der Schulter herum und erklärte ihm halblaut, während sie ihn aus dem Raum dirigierte, dass Gregson recht hätte und es klüger wäre, draußen zu warten. Es sei überhaupt ein Fehler gewesen, hierherzukommen.
Veyron riss das Hemd des Professors auf und stieß einen jauchzenden Schrei der Begeisterung aus. Jane und Tom hielten inne, und auch Gregson schenkte ihm wieder seine ganze Aufmerksamkeit.
»Sehen Sie nur: kein Blut! Die Stichwunde ist sowohl an der Ein- wie auch der Austrittsstelle kauterisiert. Man riecht es, verbranntes Fleisch. Mit was auch immer der arme Mann durchbohrt wurde, es muss glühend heiß gewesen sein. Zeitpunkt des Todes dürfte zwischen ein und zwei Uhr morgens liegen, ausgehend vom momentanen Stadium der Totenstarre.«
Gregson bestätigte das. Der Gerichtsmediziner war zu demselben Schluss gelangt. Veyron tastete Darings Leiche von oben bis unten ab, fasste ihm in die Hosen- und Westentaschen. Er untersuchte die Taschenuhr des Professors, danach die Brille, die Daring vom Gesicht gerutscht war.
»Der Professor war körperlich in bester Verfassung, er hatte keine zittrigen Hände und besaß für sein Alter ein hervorragendes Augenlicht. An der Uhr finden sich keinerlei Kratzer von Fingernägeln, die Brillengläser sind nur hauchdünn. Hinzu kommen ausgeprägte Muskeln an Armen und Beinen. Ich fürchte, mein lieber Inspektor, wir sind hier keinem gewöhnlichen Mörder auf der Spur. Der Professor war ein starker, kerngesunder Mann, sicherlich kein wehrloses Opfer«, schlussfolgerte er.
Gregson stimmte brummend zu. »Deswegen habe ich Sie ja auch hergerufen. Daring wurde von einer langen, etwa fünf Zentimeter breiten Klinge durchbohrt, vermutlich ein Schwertstich, aber der Gerichtsmediziner hat so etwas noch nie gesehen.«
Veyron unterzog die Stichwunde einer intensiven Untersuchung. »Zweifelsohne eine zweischneidige Klinge, vermutlich über einen Meter lang. Wurde eine entsprechende Waffe im Haus gefunden? Ich würde es allerdings bezweifeln«, sagte er mit erstaunlicher Gelassenheit.
»Doch«, konterte Gregson, »wir wissen, dass sich ein Schwert im Besitz des Professors befand. Es hing oben in seinem Lesezimmer, ist allerdings verschwunden. Eine sehr sonderbare Waffe, wie ich sie noch nie gesehen habe. Es gibt ein Foto von Daring und seinem Vater, oben im Schlafzimmer. Darauf kann man das Schwert in seiner Halterung gut erkennen.« Er schnippte mit den Fingern.
Sofort eilte ein junger Sergeant los, nur um ein paar Augenblicke später mit besagtem