Veyron Swift und das Juwel des Feuers. Tobias Fischer
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Читать онлайн книгу Veyron Swift und das Juwel des Feuers - Tobias Fischer страница 7
»Willst du uns nicht mehr erzählen? Was ist passiert? Gibt’s schon einen Verdächtigen«, fragte Tom neugierig.
Jane schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Er will es nicht«, sagte sie und nickte in Veyrons Richtung.
Tom schaute seinen Patenonkel verdutzt an. »Was? Sie fahren zu einem Tatort und wollen nicht genauer informiert werden? Was für eine Art Detektiv sind Sie denn eigentlich?«
Veyrons Kopf ruckte herum. »Erstens: Wir fahren nicht zu einem Tatort, sondern besuchen die Pathologie. Zweitens: Dass ich Detektiv bin, ist allein deine Vermutung. Ich sagte bereits, dass ich nicht im kriminalistischen Sektor tätig bin. Ich interessiere mich nicht für die Abgründe des menschlichen Daseins, sondern für ganz andere Aspekte. Nun zu deiner ersten Frage: Ich will deshalb nicht vorab informiert werden, um mir selbst ein Bild von der Lage zu machen, vollkommen unbeeinflusst und unabhängig. Das Gehirn des Menschen ist ein furchtbar fauler Apparat, Tom. Es will sich alles immer so einfach wie möglich machen. Sobald ich eine Theorie zu einer Sachlage von jemandem vernommen habe, sucht mein Gehirn nach Spuren, um das Gehörte zu bestätigen – oder es zu widerlegen. Es will sich die Mühe sparen, alles neu zu untersuchen und zu erforschen. Das macht die unabhängige Suche nach Informationen jedoch fast unmöglich. Es ist überhaupt ein großer Fehler des Ermittlungswesens, zuerst Zeugen zu befragen, anstatt zunächst den Ort des Geschehens – sei es Tatort oder Unfallort – genauestens zu untersuchen. Befragt man erst die Zeugen, hat man bereits ein Bild im Kopf. Bei der nachfolgenden Untersuchung werden daher wichtige Informationen bewusst oder unbewusst übersehen. Verstehst du das?«
»Hm, jaa … ich glaub schon. Aber eines will ich nicht so ganz kapieren: Warum fahren wir überhaupt dahin, wenn Sie nicht an Kriminalistik interessiert sind?«
»Wir fahren dahin, weil ich wissen will, ob das Opfer ganz banal ermordet wurde, oder ob der Mord auf eine, nun, sagen wir mal, unnatürliche Art und Weise bewerkstelligt wurde.«
Nun musste Tom lachen. »Wie kann man denn auf unnatürliche Weise ermordet werden? Mord ist Mord. Oder nicht?«
Veyron schenkte ihm einen enttäuschten Blick. »Aus juristischer Sicht gibt es keinen Unterschied, das stimmt«, erwiderte er seufzend. »Aber es macht sehr wohl einen Unterschied, ob der Täter ein gemeiner Straßenräuber oder aber ein Vampir ist, findest du nicht?«
Für einen Moment wusste Tom darauf nichts zu antworten. Er starrte Veyron nur aus großen Augen an, während sein Gehirn zu entscheiden versuchte, ob er auf den Arm genommen wurde, oder ob Veyron verrückt war. »Ein Vampir? Hier? Mitten in London? Sie verarschen mich!«
Veyron zuckte nur mit den Schultern. Tom sah zu Jane, die jedoch gar nichts dazu sagte. Mit starrem Blick konzentrierte sie sich auf die Straße und tat so, als hätte sie nichts gehört. Irgendwie war es beängstigend, dass sie Veyron nicht wegen seiner blöden Gruselgeschichte zurechtwies. Sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen.
Sie waren kaum im Krankenhaus angekommen, als sie auch schon von einem Dr. Strangley begrüßt wurden, den Veyron offenbar schon länger kannte.
»Wieder einmal ein Prachtexemplar für dich, Veyron. So etwas habe ich noch nie gesehen, das wird dir gefallen. Enthauptet, aber keine der klassischen Methoden und darum so rätselhaft. Der CID steht vor einem Rätsel – wie immer. Die beiden Gerichtsmediziner haben mir bestätigt, dass sie so was noch nie zuvor gesehen haben. Aber für das ungewöhnliche Zeug bist du zuständig«, rief Strangley voller Begeisterung.
Tom erschauerte. »Eine echte, wirkliche Enthauptung? Ist ja irre«, platzte es aus ihm heraus. Er war inzwischen so aufgeregt, dass er am liebsten wie verrückt herumgesprungen wäre.
Strangley brachte Veyron, Jane und Tom hinunter in die pathologische Abteilung. Sie eilten einen schmalen Korridor entlang, dessen Ende Tom im Zwielicht der spärlichen Beleuchtung nicht ausmachen konnte. Fast jede dritte Lampe war ausgefallen oder flackerte. Die Wände waren mit zitronengelben Fliesen gekachelt, einige davon fehlten. Der Boden bestand aus graublauem Linoleum, das sich an den Ecken bereits löste. Tom war sofort klar, dass sie sich in einem sehr alten und nur selten benutzten Teil der Pathologie aufhielten. Die ganze Abteilung hätte dringend eine Sanierung nötig. Das Halbdunkel der Räume verlieh der ganzen Situation zusätzliche Spannung. Tom erwartete fast, dass aus irgendeiner Ecke ein Zombie hervorsprang und sie angriff.
Sie erreichten das Labor, einen tristen, rechteckigen Raum mit weißen Wänden, in dessen Mitte ein einzelner Tisch stand. Obwohl die Leiche zugedeckt war, konnte Tom ausmachen, dass sie keinen Kopf mehr besaß. Der stand auf einem Beistelltisch daneben, zum Glück ebenfalls abgedeckt, aber die Form unter dem weißen Leichentuch war unverkennbar. Tom konnte sogar genau erkennen, wo sich die Nase befand. Er bekam augenblicklich eine Gänsehaut, seine Aufregung schlug in Furcht um. Jane blieb an der Tür stehen, während Strangley und Veyron hineingingen. Tom zögerte einen Moment. Er blickte zu Jane. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie nicht, dass er sich das antat. Andererseits war dieses Wechselspiel von Neugier und Furcht unfassbar aufregend und reizvoll. Es war Tom unmöglich, diesem Drang zu widerstehen. Er musste da hinein und sich das Ganze ansehen – selbst wenn er sich danach sehr wahrscheinlich übergeben würde. Er schlüpfte an Jane vorbei und blieb in sicherer Entfernung zur Leiche stehen.
Strangley schlug das weiße Laken zurück. Veyron bückte sich und betrachtete den blutverschmierten Halsstumpf. Schlagartig wurde Tom schlecht. Er musste sich wegdrehen, damit sein Mageninhalt nicht nach oben stieg.
Veyron hatte dagegen nur Augen für die Leiche, hüpfte aufgeregt um sie herum und untersuchte alle möglichen Stellen ihres Körpers. »Personalien«, verlangte er so gefühlskalt wie ein Roboter.
»Sarah Burrows, Studentin in Oxford. Sie hat für einen Professor Lewis Daring gearbeitet, der dort Geschichte, Vorgeschichte, Kunst und Germanistik unterrichtete. Daring ist inzwischen im Ruhestand, aber Burrows arbeitete nebenberuflich als seine Sekretärin«, klärte Jane die Anwesenden auf.
Veyron fischte sein Smartphone aus der Manteltasche und schoss eine Vielzahl von Fotos. Das Gleiche wiederholte er bei dem abgerissenen Kopf. Tom kniff die Augen zu, um nicht weiter hinzuschauen. Als er wieder blinzelte, zoomte Veyron die Fotos so weit heran, bis er jedes noch so kleine Detail genauestens erkennen konnte. Wie eine Salzsäule stand er vor dem Seziertisch, starrte auf die Fotos, blätterte vor und zurück und wieder in die Gegenrichtung. Dann fing er an, hastig auf und ab zu gehen, und murmelte leise vor sich hin. Immer wieder blieb er stehen, um sich das eine oder andere Foto genauer anzusehen. »Ohne jeden Zweifel: Wir haben einen Fall!«, rief er nach einer Weile begeistert aus.
Strangley deckte die Leiche wieder ab, zu Toms immenser Erleichterung.
»Okay. Lass hören, Veyron«, bat Strangley neugierig.
Veyron Swift gestattete sich ein kurzes Lächeln, dann schloss er die Augen, legte die Fingerspitzen aneinander und begann zu erklären: »Fürs Erste liegst du richtig, Bert. Das Opfer wurde enthauptet. Aber nicht mit einem Schwert, einer Axt oder eine Säge. Der Kopf wurde abgebissen. Ich weiß, ich weiß, es sind keine Bissspuren zu sehen; zumindest keine herkömmlichen. Betrachte das aufgerissene Fleisch im Nackenbereich und die zerquetschten Wirbel. Die Krafteinwirkung erfolgte von zwei Seiten gleichzeitig. Sämtliche Halswirbel bis hinauf zum Hinterkopf fehlen. Der Schädelknochen ist zertrümmert. Es war nur ein einziger Biss, wie von einer gewaltigen, gewellten und mit Zähnen versehenen Schere. Man kann die Abdrücke gut an den übrigen Wirbelknochen und an den Furchen im Fleisch erkennen. Warum also ein Biss und kein Werkzeug? Sieh dir die Zahnabdrücke an. Sie sind ungleichmäßig und unterschiedlich