Veyron Swift und das Juwel des Feuers. Tobias Fischer
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2. Kapitel: Professor Daring
Am nächsten Morgen wachte Tom auf und hoffte, dass sich das nächtliche Abenteuer in der Pathologie nur als Traum entpuppte. Immerhin: Er konnte sich gar nicht mehr so genau daran erinnern, wie er überhaupt ins Bett gekommen war. Bedeutete das, dass er die Ereignisse von letzter Nacht wirklich nur geträumt hatte?
Er stand auf, machte sich frisch, zog sich an und ging hinunter in die Küche. Mrs. Fuller hatte um diese Zeit meistens schon das Frühstück hergerichtet – oder wegen ihrer Erkrankung wohl diesmal Veyron. Der Gedanke an dessen Scharade in der Pathologie ließ sofort wieder die Wut in Tom hochkochen. Er war immer noch sauer auf Veyron. Nur ungern wollte er ihm heute über den Weg laufen. Doch genau wie befürchtet saß sein Pate noch am Tisch und studierte eine Zeitung. Veyron hatte wirklich eine Menge Zeitungen abonniert, an die vierzig verschiedene. Er stapelte sie jeden Morgen auf dem Küchentisch und schuf so eine kleine Barriere zwischen sich und Tom. Tom hatte den Küchentisch noch nicht ganz erreicht, als Veyron die erste Zeitung auch schon achtlos zu Boden fallen ließ und die oberste vom Stapel griff. Er blätterte bis zu den Tratsch- und Kuriositäten-Spalten – etwas anderes interessierte ihn nicht – und las ein paar Sekunden. Mit einem ärgerlichen Zischen warf er auch diese Zeitung zu Boden. Sofort nahm er die Nächste zur Hand. Dieses sonderbare Gebaren wunderte Tom inzwischen nicht mehr, wo er letzte Nacht selbst erlebt hatte, wie verrückt Veyron Swift tatsächlich war.
Übellaunig brummelte Tom: »Morgen«, bevor er sich an den Tisch setzte. Er nahm sich einen fast vollständig verkohlten Toast und beschmierte ihn mit Zitronenmarmelade.
Veyron sagte gar nichts, blätterte kommentarlos in der Zeitung und ignorierte ihn. Tom bekam ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte er ihn gestern Nacht doch keinen Spinner heißen sollen – auch wenn’s der Wahrheit entsprach. »Das, was ich gestern Nacht gesagt hab, tut mir leid«, murmelte er. Veyron schwieg ihn weiter an, in die Zeitung vertieft. Toms schlechtes Gewissen wurde immer größer. »Es tut mir wirklich leid. Aber ich war so furchtbar wütend, weil Sie und Jane mich auf den Arm genommen haben.« Er begann zu lächeln. »Aber es war schon cool, da unten in dem alten Labor. Ein richtiges Abenteuer.«
Veyron sagte immer noch nichts. Er warf die Zeitung auf den Boden und holte sein Smartphone aus der Hosentasche. Was tat er da? Offenbar studierte er den Wetterbericht. Toms schlechtes Gewissen schlug allmählich in Zorn um. Er begann zu verstehen, wieso Jane solche Schwierigkeiten mit diesem Menschen hatte. Der Kerl ist das reinste Aas, dachte er verärgert. Ganz klar: Noch heute Nacht würde er seine Sachen packen und abhauen. Zunächst zu Jane. Vielleicht brauchte sie nach der Trennung von Michael ein wenig Gesellschaft.
»Hast du schon von diesem Wetterphänomen über dem Atlantik gehört? Blitze am Himmel ohne Gewitterwolken. Einige Piloten haben davon berichtet, aber die Satelliten melden nichts Ungewöhnliches. Kurios, nicht wahr? Und so treffend, da die erste Beobachtung in den gleichen Zeitraum fällt wie die Schlachtung von Mr. Falthinghams Pferden. Ich müsste mich schon gewaltig irren, wenn zwischen diesem Wetterphänomen und unserem Pferde fressenden und Köpfe abbeißenden Ungeheuer kein Zusammenhang besteht. Was meinst du dazu?«, fragte Veyron plötzlich, ohne Tom dabei anzuschauen.
Aus Zorn wurde schlagartig Verwirrung. Etwas verdattert gestand Tom, dass er sich nicht sonderlich für Nachrichten interessierte, schon gar nicht fürs Wetter.
Veyron schnaubte verächtlich. »Pubertäre Ignoranz! Zum Glück war ich in deinem Alter nicht so. Du musst die Augen aufmachen, Tom! Wir sind umgeben von einer plötzlichen Häufung unnatürlicher Vorkommnisse, die alle in den gleichen Zeitraum fallen. Ich versuche gerade, eine Theorie zu entwickeln, die einen Zusammenhang zwischen all diesen Ereignissen herstellt.«
Tom rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her. Okay, Blitze ohne Gewitter mochten vielleicht sonderbar sein. Ihm wollte auch keine mögliche Erklärung dazu einfallen, aber er war immerhin erst vierzehn und kein studierter Wissenschaftler.
»Glauben Sie wirklich, dass es da draußen noch eine andere Welt gibt? Dass Vampire, Drachen und was weiß ich noch alles für Wesen, echt existieren?«, fragte er vorsichtig.
Veyron legte das Smartphone beiseite und schaute Tom eindringlich an. »Ich glaube es nicht, ich weiß es. Ich sehe ein, dass unser kleiner Ausflug letzte Nacht wohl ein wenig zu viel für dein Fassungsvermögen war. Darum will ich dir die Geschichte von Anfang an erzählen: Alles begann vor acht Jahren. Ich studierte gerade im zweiten Semester Psychologie, als ich einen sehr interessanten jungen Mann kennenlernte. Er war ebenfalls Student und zufällig an der gleichen Universität in Oxford wie ich. Sein Name war Floyd Ramer. Du hast vielleicht schon von ihm gehört.«
Tom brauchte nicht lange nachzudenken. »Sie meinen doch nicht etwa den Floyd Ramer, den Milliardär? Es hieß, er wäre spurlos verschwunden, vor etwa sieben oder acht Jahren. Daran kann ich mich noch erinnern. Das war damals an der Schule und auch zu Hause das Thema. So was vergisst man nicht.«
»Genau den meine ich. Ramer war so sagenhaft wohlhabend, dass er zu den vermögendsten Leuten der Welt zählte, wahrscheinlich war er sogar der reichste Mensch überhaupt. Es gab zumindest nichts, was er sich nicht für Geld kaufen konnte. Das zeigte er uns Kommilitonen damals auch. Die Mädchen liebten ihn beziehungsweise sein Geld. Jeden Abend Party, jeden Abend in einem anderen Palast. Damit meine ich echte Paläste, keine Nobelhotels, sondern richtige Schlösser und Burgen im Besitz von Fürsten und Königen. Jeden Morgen mit dem Lamborghini zur Uni, stets mit neuen Designerklamotten, Manschettenknöpfen aus purem Gold und Armbanduhren aus Diamant und Platin. Er war ein Angeber in einer Größenordnung, wie es ihn auf der Welt kein zweites Mal gegeben hat oder jemals wieder geben wird.
Heute glauben viele, dass er seinen Reichtum nur deshalb so demonstrativ nach außen trug, weil er in Wahrheit depressiv war. Nach seinem spurlosen Verschwinden vor acht Jahren gab sich die Polizei schließlich damit zufrieden, dass er vermutlich Selbstmord begangen hatte. Seine Leiche wurde nie gefunden.
Sein Verschwinden machte mich neugierig, denn ich kannte Ramer und war mit den Theorien der ganzen Armee von Polizeipsychologen nicht einverstanden, die sich plötzlich aus allen Teilen der Welt zu Wort meldeten. Ramer hatte niemals irgendwelche Antidepressiva genommen und zeigte auch sonst keine Symptome von Depression. Keine plötzlichen Stimmungsschwankungen, kein Überforderungsgefühl, keine Melancholie und vor allem: keinerlei Selbstzweifel. Nein, depressiv war Floyd Ramer auf gar keinen Fall. Aber gelangweilt. Ich würde sogar sagen, dass er der gelangweilteste Mensch war, der je auf Erden lebte. Ich verbrachte einige Zeit mit ihm – außerhalb der Partys, da wir uns beide sehr für griechische Mythologie interessierten. Wir besuchten gemeinsam verschiedene Kurse, und in den Pausen führten wir sehr erhellende Diskussionen. Ich erinnere mich gut daran, dass er dem Alltag nicht viel abgewinnen konnte. Er fand so ziemlich alles langweilig: Politik, Wissenschaft, Gesellschaftsleben. Alles war für ihn so furchtbar normal.
›Wie langweilig die Menschheit ist, Veyron. So einfach, so gewöhnlich, so durchschnittlich. Es stimmt, was meine Mutter immer sagt: Seit die Menschen allein über die Erde herrschen, ist es trist und still geworden. Und je länger sie das tun, umso langweiliger wird die Welt. Es gibt nicht einmal mehr richtige Könige, nur noch ein paar verarmte Monarchen von Volkes Gnaden, besser gesagt von des Finanzministers Gnaden. Er bestimmt die Höhe der Apanage anstelle des Königs. Wo sind sie hin, die absoluten Regenten mit ihren Prunkbauten für die Ewigkeit? Verschwunden, weggefegt und entsorgt. Stattdessen herrschen jetzt die Nullen im Parlament. Alles nur Phrasendrescher. Kein Wunder, dass die Menschen da alle eingeschläfert werden. Langweilig, langweilig, langweilig. Ich wünschte, ich könnte endlich an diesen anderen Ort gehen, wo noch was los ist, wo man als König noch was zählt‹, das sagte er. Und er wiederholte es oft, bei