Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich

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Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg - Gerstäcker Friedrich

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war oft Stunden lang bei ihm drüben, um ihm die langsam dahin schwindende Zeit vertreiben zu helfen.

      Die aber, die ihn gerade bis jetzt mit der aufopferndsten Sorgfalt und Freundlichkeit, unermüdet in ihren übernommenen Pflichten, gepflegt und über ihn gewacht hatte - Gertrud - ließ sich, als seine Mutter eingetroffen war und der Arzt jede Gefahr für beseitigt erklärt hatte, nicht mehr bei ihm sehen.

      Sie duldete allerdings nicht, daß ihm etwas fehle, sie bereitete wie früher seinen Trank, sie kochte für ihn wie früher selber die vorgeschriebene Suppe, aber andere Hände als die ihrigen

      trugen die Labung an sein Lager, und es war ordentlich, als ob sie es ängstlich vermied, in seine Nähe zu kommen.

      Und doch suchte sie der Kranke, und nie öffnete sich die Thür, ohne daß nicht sein Blick rasch dorthin geflogen wäre, immer in der Erwartung, die Langvermißte endlich wieder zu sehen - aber immer und immer wieder getäuscht.

      Sein Vater kam endlich, um Mutter und Tochter wieder abzuholen, denn er wollte nicht, daß sie der Sutton'schen Familie so lange zur Last lägen, wenn auch Mr. und Mrs. Sutton selber gegen ihre Abreise protestirten. Ueber Charles' Befinden konnten sie außer Sorge sein, denn wenn ihn der Arzt auch jetzt noch nicht transportirt haben wollte, gab er ihnen doch das feste Versprechen, daß er in spätens acht oder zehn Tagen mit einem bequemen Wagen recht gut nach Sidney geschafft werden könnte. Damit mußten sie sich begnügen, und am andern Morgen nach dem Frühstück kehrten Pitts nach Sidney zurück und überließen den Sohn noch für eine andere Woche der Gastfreundschaft dieser guten Menschen.

      Charles konnte aber jetzt schon ganz als Reconvalescent betrachtet und seine Wartung einem jungen Burschen überlassen werden, den Mr. Sutton einst als Waise in sein Haus ge/91/nommen und aufgezogen hatte. Ueber Tag war er meistentheils mit im Familienzimmer, und Mrs. Sutton wie Rebekka, die den jungen Menschen lange seines stillen freundlichen Wesens wegen lieb gewonnen hatten, suchten dann Alles hervor, ihm die Zeit so angenehm als möglich zu vertreiben. Rebekka besonders saß oft Stunden lang bei ihm und las ihm vor, und er lehnte dann neben ihr in dem bequemen Polsterstuhl und schaute träumend auf die fernen Berge hinaus, in denen das gierige Menschenvolk nach Gold wühlte.

      Gertrud hatte er seit der Zeit schon oft wieder gesehen, aber immer nur bei Tisch, in Gegenwart der Familie; selbst Abends kam sie nie herüber, sondern blieb immer auf ihrer eigenen Stube, wo sie auch mit den Wirthschaftsbüchern viel beschäftigt war.

      So vergingen wieder fünf Tage, und die Sutton'sche Familie hatte eine Einladung nach einer andern Station bekommen, wo die Hochzeit der Tochter mit einem jungen Engländer gefeiert werden sollte. Charles war indessen so weit genesen, daß Mrs. Sutton sogar den Vorschlag gemacht hatte, ihn mitzunehmen, denn sie hatten kaum eine halbe Stunde zu fahren. Mr. Sutton litt das aber nicht; eine solche Anstrengung konnte üble Folgen haben, und da seine Rückkehr nach Sidney für die nächsten Tage festgesetzt war, durften sie nichts thun, was dieselbe hätte verzögern können. - Mrs. Pitt würde sich dann nur wieder geängstigt und gesorgt haben.

      Nachmittags um drei Uhr fuhren sie fort, und Charles blieb allein in der Wohnstube der Familie zurück.

      Nachmittags um vier Uhr kam gewöhnlich der jetzt regelmäßig fahrende Postwagen von Sidney dort vorbei, und Henry - Charles kleiner Wärter - ging dann jedesmal nach der Wegschenke hinüber, um die für Englisch Bottom eingelaufenen Briefe abzuholen. Er hatte auch heute seine Zeit eingehalten und die Station etwa zehn Minuten verlassen, als die Thür aufging und Gertrud hereinkam, einen Schlüssel zu holen. Sie schrak augenscheinlich zurück, als sie Charles allein sah; was aber auch ihr erstes Gefühl gewesen, zurück konnte sie nicht mehr, und die Thür hinter sich zuziehend, grüßte sie den /92/ jungen Mann freundlich und ging dann zu dem Schlüsselbrett, um das Nöthige dort zu holen.

      „Gertrud," sagte Charles, über dessen Antlitz eine fliegende Röthe zuckte und dem die Bewegung des Mädchens beim ersten Betreten des Zimmers nicht entgangen war - „was habe ich Ihnen gethan, daß Sie, die mich so treulich in der schweren Zeit gepflegt, mich jetzt so ängstlich vermeiden und kaum einen Gruß, kaum einen Blick mehr für mich finden? Habe ich Sie durch irgend etwas gekränkt? - Guter Gott, es ist dann wahrlich unwissentlich geschehen, denn wem wäre ich zu größerem Dank verpflichtet, wie gerade Ihnen - und doch haben Sie mir noch nicht ein einzig Mal Gelegenheit gegeben, ihn auch nur auszusprechen."

      „Sie haben mich durch nichts gekränkt, Mr. Pitt," lautete die leise, fast scheue Antwort des Mädchens, „aber da ich Ihre Pflege jetzt in besseren Händen wußte -"

      „In besseren Händen, Gertrud?"

      „So konnte ich Sie denen mit voller Ruhe überlassen. Sie - wissen außerdem, daß meine Stellung hier im Hause eine untergeordnete ist."

      „Weichen Sie mir nicht aus, Gertrud," sagte Charles, indem er aufstand, auf sie zuging und ihre Hand zu ergreifen suchte, die sie ihm aber entzog. „Etwas Anderes hat sich zwischen uns gestellt, und ich habe die ganze Zeit das drückende Gefühl mit mir herumgetragen, daß ich Ihnen auf eine oder die andere Weise müsse weh gethan haben - und doch glauben Sie gar nicht, wie schmerzlich mir das gewesen ist."

      „Durch nichts, Mr. Pitt - durch nichts," sagte das Mädchen ängstlich, und Charles konnte es nicht entgehen, daß sie das Gespräch abzukürzen suchte - „ich versichere Sie, ich habe Sie nicht gemieden, und nur - meine Stellung hier brachte es mit sich, daß wir uns nicht so oft begegnet sind wie früher. Es wäre auch unrecht von mir gewesen, wenn ich Ihnen nur irgend einen Groll hätte nachtragen sollen, denn Sie - haben mich stets mit - achtungsvoll und freundlich behandelt."

      „Dann lassen Sie uns aber auch Freunde sein, Gertrud, und weichen Sie mir nicht länger so sorgsam aus," sagte /93/ Charles herzlich, indem er ihr die Hand entgegen streckte. „Ich gebe Ihnen mein Wort, Sie - haben dadurch meine Genesung eher aufgehalten als gefördert, denn die langen, langen Tage hatte ich eine ordentliche Sehnsucht danach, Ihnen einmal Auge in Auge zu sagen, wie dankbar ich Ihnen für die Sorgfalt bin, die Sie dem kranken Fremden gezeigt haben, und - wie gern ich Ihnen das beweisen möchte, wenn Sie – mir nur Gelegenheit dazu böten."

      Gertrud hatte ihm ihre Hand nur widerstrebend gegeben, und ihre Züge waren dabei um einen Schatten bleicher geworden. Sie hob ihr Auge auch nicht zu ihm auf, und die Hand langsam wieder zurückziehend, sagte sie:

      „Ich danke Ihnen für die freundlichen Worte. - Glauben Sie mir, daß ich Alles, was ich für Sie thun konnte, gern gethan habe; es verdient auch kaum einer weiteren Erwähnung - und nun erlauben Sie, daß ich meinen Geschäften nachgehe. - Ich muß etwas für den Stockkeeper herausgeben."

      „Nicht so, Gertrud," drängte Charles, von der Gewalt des Augenblicks hingerissen, indem er ihr, wie sie das Zimmer wieder verlassen wollte, bittend in den Weg trat - „gehen Sie nicht s o von mir. Wir sind in diesem Augenblick allein, und wer weiß, wann sich je wieder eine solche Gelegenheit bietet, Ihnen das zu sagen, was ich Ihnen sagen muß."

      „Mr. Pitt."

      „Ich liebe Sie, Gertrud - seit ich Ihr stilles Walten hier im Hause beobachten konnte, seit ich Ihr freundliches Wesen kennen lernte, seit ich des Glückes theilhaftig wurde, von Ihrer Hand gepflegt zu werden, hab' ich die Kugel gesegnet, die mich zu Boden warf, nur um in Ihrer Nähe wieder zu einem neuen Dasein zu erwachen. Stoßen Sie mich nicht zurück, mein Herz ist ohne Falsch und jedes Wort, das ich Ihnen sage, so treu gemeint, wie es zu Ihrem Ohre dringt. - Werden Sie mein Weib - geben Sie mir das Recht, Ihnen das Alles in langen, langen Jahren wieder zu vergelten, was Sie jetzt an mir gethan, und Sie sollen es nie, nie bereuen, Ihre Hand am Altar in die meine gelegt zu haben." /94/

      Gertrud war einen Schritt zurückgetreten, und das Blut strömte ihr bei der warmen Anrede des jungen Mannes in Stirn und Schläfe.

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