Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich

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Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg - Gerstäcker Friedrich

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      „Ich habe Sie überrascht, Gertrud," sagte Charles leise und mit tiefer Bewegung - „ich wollte Sie nicht erschrecken, aber glauben Sie mir, ich that den Schritt nicht unbedacht und habe Alles vorher reiflich überlegt. Nur noch kurze Zeit bleibe ich in Australien, ja meine Abreise nach Neu-Seeland, wo ich von jetzt an meinen Wohnsitz nehmen soll, wäre schon erfolgt, wenn nicht die Entdeckung des Goldes durch das Entlaufen der Schiffsmannschaft und meine Wunde mein Vorhaben verzögert hätte. Dort in dem wilden Lande brauche ich eine treue und liebende Gefährtin, und wie schwer ein junger Mann hier in Australien ein Herz findet das zu dem seinen paßt und ihm wirklich sein künftiges Glück sichern kann, wissen Sie ja vielleicht so gut wie ich. Da fand ich Sie, Gertrud, und mit der Sehnsucht zugleich, mir Ihren Besitz zu sichern, stieg ein Gefühl in mir auf, als ob Sie sich selber hier und in dieser Stellung, wenn auch bei lieben, guten Menschen, nicht glücklich fühlen könnten. Ich kann mich geirrt haben" - setzte er besänftigend hinzu, als er sah, daß Gertrud eine heftige, wie abwehrende Bewegung machte - „aber in meinem eigenen Herzen irrte ich mich nicht, und Gott ist mein Zeuge, Gertrud, daß Sie mich in diesem Augenblick durch ein kleines freundliches Wort recht glücklich machen könnten. - Wollen Sie mein sein?"

      „Nein," sagte Gertrud leise, und als sie die Hand von ihrem Antlitz nahm, glich ihr Gesicht einem schönen Marmorbild, so starr und steinern sah es aus - „ich kann - ich darf nicht."

      „Gertrud!" rief Charles mit tiefem, bitterem Schmerz.

      „Glauben Sie nicht, Mr. Pitt," setzte das junge Mädchen rascher und fast ängstlich hinzu, „daß ich Ihre Liebe gering achtete, - daß ich nicht im tiefsten Herzen fühlte, wie gut und ehrlich Sie es mit mir meinen - daß ich Ihnen nicht im tiefsten Herzen dafür dankbar wäre, aber - dringen Sie /95/ nicht weiter in mich - machen Sie mich nicht dadurch noch unglücklicher, als ich schon bin. - Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, es kann nicht sein, und möge Sie Gott auf Ihren weiteren Wegen schützen und der Gedanke an mich Ihnen nie eine trübe Stunde bereiten. - Leben Sie wohl" - und an seiner Seite vorübergleitend, verließ sie rasch das Zimmer.

      Charles hielt sie nicht mehr zurück; ein eisiges Gefühl erfaßte sein Herz; die kaum geheilte Wunde schmerzte ihn wieder, er barg sein Gesicht in den Händen und sank bleich und erschöpft in den Lehnstuhl zurück, in dem er liegen blieb, bis Henry von der Wegschenke mit den dort vorgefundenen Briefen und Zeitungen zurückkehrte.

      Draußen im Hof war es indessen außerordentlich lebendig zugegangen, denn ein kleiner Trupp Goldwäscher, die einen näheren Weg in die Berge hatten einschlagen wollen und von diesem abgekommen waren, schien sich dermaßen verirrt zu haben, daß er sich kaum wieder nach der Hauptstraße zurückfinden konnte. Glücklicher Weise trafen sie einen von Mr. Sutton's Schäfern in den Bergen, der ihnen wenigstens die Richtung angab, und zum Tod erschöpft und halb verhungert, wie vor Durst fast verschmachtet, erreichten sie endlich diese Station, wo sie an die Wirthschafterin gewiesen wurden, um sich von ihr etwas Speise und Trank zu erbitten. Sie konnten im wahren Sinne des Wortes, da die Aufregung einmal nachgelassen, in der sie sich bis jetzt befunden, keinen Fuß mehr vor den anderen setzen.

      Es waren vier Deutsche und der Führer der kleinen Schaar, dem sich die Anderen angeschlossen, weil er daheim das Bergfach betrieben und deshalb hier natürlich auch gleich die reichsten goldhaltigen Stellen treffen mußte, war eine besonders auffällige Persönlichkeit.

      Von kleiner, aber sehr corpulenter Gestalt, mit einem dünnen röthlichen Bart, aber sehr dickem, gutmüthigem Gesicht und großen hellbraunen Augen, bot Malchus, wie der Bergmann hieß, allen Schicksalen des Lebens eine so ruhige Stirn und setzte ihnen ein so fabelhaftes Phlegma entgegen, daß Jeder, der ihn nicht näher kannte, in dieser grenzenlosen Ruhe /96/ einen eisernen, felsenfesten Charakter zu finden glaubte - und doch war Malchus gerade das Gegentheil davon. Nur aus seiner Bequemlichkeit wollte er nicht gestört werden, und der heutige Marsch, der ihn zum ersten Mal in seinem ganzen Leben mitten in das wilde, rastlose Treiben der Berge, in ihre Mühen und Gefahren hineinriß und alle seine früheren Berechnungen und Vorsätze mit einem Schlage über den Haufen warf, hatte ihn so förmlich gebrochen und zerknirscht, daß er, die Station kaum erreicht, sich auch mitten im Hof auf einen dort stehen gelassenen Baumstumpf gerade in die Sonne niedersetzte und keuchend und stöhnend den Schweiß an sich heruntertropfen ließ.

      Einer der Anderen, ein junger Photograph aus Sidney, hatte indessen die gerade aus dem Haus tretende Gertrud um eine kleine Erfrischung angesprochen, indem er ihr mit wenigen Worten schilderte, wie sie hergekommen, und Gertrud war in die Wirthschaftsstube zurückgegangen, um das Verlangte zu holen, denn trotz des Goldes war noch kein einsprechender Wanderer von Mr. Sutton's Station ungespeist abgewiesen worden.

      Wie die Deutschen noch im Hofe lagerten und sich ein paar schattige Stellen zum Ausruhen gesucht hatten - nur Malchus blieb in der Sonne sitzen und briet - betrat ein anderer Trupp von Wanderern den Hof, und eine wunderlichere Gesellschaft wie die letztgekommene hätte sich auf der ganzen Welt nicht zusammen finden lassen und war auch wirklich nur allein in Australien möglich.

      Sie bestand aus einem jener herumziehenden Schwärme von Eingeborenen, sogenannten „Schwarzen", die ihre frühere Heimath in den jetzt von den Weißen besiedelten Districten gehabt hatten und daraus vertrieben worden waren, so daß sie jetzt unstät in der Welt umherstreiften. Die Bäume, die ihnnen früher ihr Harz geliefert, waren niedergehauen; das Wild, das sie zu ihrem Lebensunterhalt erbeutet, ebenfalls erlegt oder vertrieben worden; den Nachbarstämmen durften sie dabei nicht in das Revier kommen, denn denen galten sie als Feinde, und das Einzige, was ihnen noch übrig blieb, war, sich ihren Unterhalt von den weißen Eindringlingen zu erbetteln. /97/

      Wie sie sich aber früher vielleicht auf der Jagd oder bei ihren wilden und barbarischen Kriegszügen ausgezeichnet haben mochten, eine solche Fertigkeit hatten sie jetzt in dieser neuen Beschäftigung erworben, und etwas Zäheres im Betteln, als diese einfachen Naturkinder entwickelten, läßt sich nicht gut auf der Welt denken. Uebrigens verschmähten sie auch nicht zu stehlen, wo sich ihnen irgend eine günstige Gelegenheit bot, und ob das nun ein Schaf aus irgend einer Heerde draußen im Busch, ein Laib Brod in irgend einer einzelnen Rindenhütte, ein Huhn oder selbst ein Kalb von einer der Stationen war, blieb sich gleich - nur genießbare Gegenstände mußten es sein, Anderes konnten sie nicht gebrauchen - war es doch nur der Hunger, mit dem sie einen unausgesetzten, erbittterten Kampf ihre ganze Lebenszeit hindurch führten.

      Aber wie wunderlich hatte sich ein Theil dieses kleinen Trupps herausstaffirt, oder war vielleicht zum Scherz von irgend einem Ansiedler so aufgeputzt, denn kein wilder Volksstamm der Welt haßt jedes Kleidungsstück mehr, wie der Australier. Haben die Weißen sich doch sogar genöthigt gesehen, Gesetze für diese Stämme zu geben, oder vielmehr Verbote zu erlassen, daß sie die Städte wenigstens nicht betreten dürfen, ohne mindestens mit einem bis zum halben Schenkel niedergehenden Hemd bekleidet zu sein, und sonderbarer Weise waren es vorzüglich die Frauen, die sich am längsten gegen diesen ungewohnten und verhaßten Zwang sträubten.

      Hier im innern Land aber, wo sie draußen im Busch in ihren Gunyos campirten, und nur dann und wann einmal eine einzeln gelegene Station heimsuchten, erkannten sie gar kein solches Gesetz an, und sieben von dem Schwarm, Männer, Frauen und Mädchen, schritten in der Tracht des Urwalds in den Hof. Die Männer nur mit ihren Waffen, einer kurzen leichten Keule und dem Bumerang geschmückt, die Frauen mit einem kleinen Netz über der Schulter versehen, um etwa erhaltene oder erbeutete Lebensmittel hinein zu thun, aber Alle sonst vollkommen nackt.

      Nur zwei von ihnen, ein junger Bursche und eine ältere Frau waren, wie schon vorher erwähnt, auf das Wunderlichste, und zwar in europäischer Kleidung herausgeputzt. /98/

      Der junge Bursche trug nämlich auf dem bloßen Leibe ein Paar alte schwarze Hosen und einen schwarzen Frack von vorsündfluthlichem Schnitt, mit dem er Gott weiß wie viele Wochen draußen im Busch in Regen und Sonnenschein gelegen haben mochte, ohne daß je eine Bürste an das Kleidungsstück gekommen wäre. Natürlich

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