Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich

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Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg - Gerstäcker Friedrich

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auch entsetzlich mitgenommenen Cylinderhut, den er, als er den Hof betrat, nach allen Seiten hin auf das Zierlichste schwenkte.

      Die Frau dagegen, ein abschreckend häßliches Weib, was durch die Kleidung nur noch mehr hervorgehoben wurde, hatte den dürren Körper in ein großgeblümtes Muslinkleid gehüllt, das sein erstes Debüt jedenfalls einmal auf einem Balle in Sidney, gemacht, und auf diesem Körper schlimmer als zum Kehrichthaufen degradirt war. Auf dem Kopfe trug sie einen ebenfalls schon längst abgelegten Seidenhut, mit einer wahren Unmasse schmutziger künstlicher Blumen, und dazu eine ordinäre rothwollene Schärpe um den Gürtel. Sonst ging sie natürlich barfuß, das Kleid überall eingerissen und mit großen Schmutzflecken, und auf dem Rücken, eben so gut wie die übrigen Frauen, ein altes bastgestricktes Netz mit einem Stück Harz und einem Ueberreste halbgerösteter Hammelrippen - die Ueberbleibsel ihrer letzten Mahlzeit.

      Ordentlich elegant sahen die nackten Eingeborenen neben ihr aus, die sich mit der natürlichen Grazie jedes wilden Stammes bewegten, weil sie ihre Blöße eben nicht fühlten. Nur im Anfang zeigten sie sich noch etwas schüchtern, weil sie eben nicht wußten, wie sie empfangen werden würden.

      Der Stockkeeper, der gerade über den Hof kam, begrüßte sie auch mit einem von seinen Kernflüchen, denn er wußte recht gut, wie willig sie ihm da draußen im Busch Alles stehlen würden, was ihnen eben an jungem Vieh unter die Finger kam; Gertrud aber, die sich bis jetzt stets freundlich gegen die Eingeborenen gezeigt, winkte die jungen Mädchen heran und wies sie nach der Küche, wo sie zu essen haben sollten. Die Bewohner der Stationen waren zu sehr an die /99/ Erscheinung dieser Menschen gewöhnt, um etwa daran Anstoß zu nehmen oder das geringste Störende darin zu erblicken.

      Die Eingeborenen waren von sieben oder acht Hundegerippen begleitet, die sich aber scheu zu ihren Herren hielten, denn zwei große langhaarige Känguruhunde, die auf dem Hofe in der Sonne gelegen, standen auf und umkreisten mit emporgesträubten Haaren und hochgehobenen Schwänzen die ruppige Schaar. Eben so wenig sicher fühlten sich auch wahrscheinlich die Eingeborenen selber mit ihren nackten Beinen in solcher Nachbarschaft, und griffen ihre „Waddies" schärfer auf, um sich im Nothfall gegen einen etwaigen Ueberfall vertheidigen zu können. Aber des Stockkeepers Stimme hielt die Hunde zurück, die auch - zu stolz vielleicht, über solche Köter herzufallen, dem Rufe langsam Folge leisteten und sich nur jetzt vor das Herrenhaus legten, als ob sie den fremden Eindringlingen dorthin jedenfalls den Zutritt verweigern wollten.

      Noch ein paar Eingeborene befanden sich aber auf dem Hofe, die bis jetzt, von Niemandem bemerkt, wenigstens von Niemandem beachtet, in der einen Ecke gestanden hatten, aber nun ebenfalls langsam vorkamen, um den neuen Besuch zu betrachten. Es waren zwei Emus oder australische Kasuare, die schon seit mehreren Jahren zahm auf der Station gehalten wurden, und oft selbst kleine Streifzüge in die Nachbarschaft unternahmen, ohne je daran zu denken, ihre ihnen gelassene Freiheit zu mißbrauchen. Von den schwarzen Männern und Frauen nahmen sie auch nicht die geringste Notiz und schienen es nur auf die fremden Hunde abgesehen zu haben, nach denen sie mit ihren langen, harten Schnäbeln hackten und die unglücklichen Bestien winselnd und knurrend noch dichter zwischen die Füße ihrer Herren hineintrieben.

      Malchus, der dieser ganzen Gruppe den Rücken zudrehte, hatte wohl den Lärm der Neugekommenen gehört, war aber viel zu müde oder auch gleichgültig gewesen, selbst nur den Kopf nach ihnen umzudrehen, und saß noch immer auf seinem Baumstumpf, sich mit dem breitgehaltenen und schon ganz durchnäßten Taschentuch Luft zufächelnd.

      Den Schwarzen war indessen Niemand unbedeutend, denn von Jedem konnten sie nach Umständen ein Stück Brod /100/ oder ein Stück Geld bekommen, und da Malchus hier gerade den Mittelpunkt der ganzen Scenerie einnahm, mochte es auch sein, daß sie ihn für eine ganz besondere Persönlichkeit hielten. Jedenfalls gingen die beiden angekleideten Individuen, die für die passendsten gehalten wurden, um mit den Weißen zu verkehren, und in der That auch etwas Englisch sprachen, geraden Wegs auf Malchus zu und überraschten den kleinen Mann, der noch keine acht Tage in Australien war und in Sidney selber noch keinen Wilden zu sehen bekommen hatte, auf das Aeußerste.

      Von beiden Seiten traten sie um ihn herum und vor ihn, und während der Herr seinen Hut abnahm, diesen bis auf den Boden schwenkte und eine entsprechende ehrfurchtsvolle Verbeugung machte, bei der er mit seinem fettglänzenden Haar beinah das Gesicht des kleinen Deutschen berührte, knixte die Frau in einem fort auf und nieder, und hielt dabei die Hand ausgestreckt und rief:

      „Ein klein wenig weiß Geld, Sir - ein klein wenig weiß Geld."

      „Gott straf' mich," sagte Malchus, indem er sein Taschentuch auf den Schooß sinken ließ, und die Augenbrauen hoch hinaufzog, „wo kommt Ihr schwarzen Deuwels denn auf einmal her?"

      „Ein klein wenig weiß Geld, Sir - ein klein wenig weiß Geld," drängte aber die Frau und hielt ihm die ausgestreckte Hand mit den spitzen dürren Fingern immer näher auf den Leib. Allerdings verstand er kein Wort Englisch, aber nach der Bewegung der Hand doch so viel, daß das Volk etwas von ihm haben wollte. Wie er aber eben in die Tasche griff, hörte er ein Geräusch hinter sich, und den Kopf danach umdrehend, sah er sich plötzlich von dem ganzen Trupp der schwarzen Gesellschaft, die Mehrzahl in ihrem Urzustände, dicht eingeschlossen.

      „Alle Wetter," schrie er, jetzt wirklich erschreckt in die Höhe fahrend, „ist denn die Hölle los?" Dabei trat er der Frau mit seinen schweren Schuhen auf den bloßen Fuß; diese kreischte laut auf und fuhr zurück, die Hunde fingen an zu bellen, die beiden Känguruhunde kamen wieder knurrend /101/ angesprungen, und für einen Moment herrschte völlige Verwirrung auf dem Hof. - Die aber legte der Stockkeeper gründlich mit seiner langen Peitsche. Schon die Bewegung derselben scheuchte die Känguruhunde auf ihren alten Platz zurück und die räudigen Kläffer der Schwarzen zwischen deren Füße. Dann beorderte er den Schwarm der Eingeborenen, ohne selbst Rücksicht auf die in voller Toilette zu nehmen, in der einen Ecke des Hofes zu warten, bis sie ihre Geschenke bekommen würden, und befreite damit augenblicklich Malchus von der unangenehm werdenden Gesellschaft.

      Gertrud hatte indessen den Mädchen gebackenes Brod wie etwas Fleisch und Salz gegeben, um es unter die Uebrigen zu vertheilen, und die Eingeborenen zogen dann wieder - der im Frack mit tiefen Verbeugungen, die Frau im Kleid mit tiefen Knixen, zum Thor hinaus und mitten in die Wildniß hinein, um draußen das Erhaltene auch augenblicklich zu verzehren.

      Den Deutschen war ebenfalls eine Mahlzeit bereitet und sie eingeladen worden, in des Stockkeepers Wohnung einzutreten, wo sie sich setzen und in Ruhe essen konnten. Die Hütte oder das kleine Haus lag parterre, wie alle diese Gebäude selten mehr als ein Stockwerk haben, und Malchus hatte sich hier, nachdem das ihnen Gegebene ausgetheilt, dicht an das offene Fenster gesetzt, mit seinem Teller vor sich auf einem kleinen Tisch. Neben Jedem stand dabei ein blecherner Quarttopf mit heißem Thee, dem besten Labsal, was man nach einer heftigen Anstrengung genießen kann, und die Hammelrippen mit dem freilich harten Brod oder Damper dufteten verlockend genug nach dem langen Fasten.

      Trotzdem sollte Malchus aber selbst hier ein Hinderniß finden, seinem leiblichen Behagen zu folgen, denn in demselben Moment, wo er Messer und Gabel ansetzte, dem delicaten Rippenstück zuzusprechen, sah er plötzlich einen Kopf mit zwei großen glänzenden Augen an einem Schlangenleib, und anscheinend ohne weiteren Körper, vor sich, und ehe er nur einen andern Gedanken fassen konnte, hatte der Kopf mit einem riesigen Schnabel das Fleisch von seinem Teller aufgepackt und war damit wie in die Luft hinein verschwunden. /102/

      Mit einer Hast, wie er sie in seinem ganzen Leben noch nicht gezeigt, fuhr der kleine Mann jetzt zwar in die Höhe und über den Tisch hinüber mit dem Kopf aus dem Fenster - aber zu spät. Er sah nur noch, wie der eine Kasuar mit klafterlangen Schritten über den Hof lief und im Laufen, ohne sich weiter aufzuhalten, sein Mittagessen hinunter würgte.

      Der Stockkeeper war, in der Thür stehend, Zeuge der ganzen Scene gewesen, und schrie laut auf vor Lachen. Dem armen hungrigen Teufel kam die Sache aber gar nicht so komisch

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