Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 1 - Gerstäcker Friedrich

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/86/ Eigenthümlichkeiten, und ich fand das, je mehr ich von ihnen sah, auch immer nur mehr und mehr bestätigt. Das so fatale und den Nordamerikanerinnen besonders eigene laute Aufstoßen ist hier etwas so Gewöhnliches, daß es keinem Menschen mehr auffällt. Selbst bei Tisch geniren sich die guten seňoras und seňoritas nicht im Mindesten, und dergleichen Unanständigkeiten kamen manchmal so laut und unschuldig zum Vorschein, daß ich oft an mich halten mußte, trotz allem Ekel nicht laut aufzulachen. Das allerdings darf ich nicht unerwähnt lassen, daß ich erst über einen Gegenstand später aufgeklärt wurde, nämlich gar keine hübschen jugendlichen Gesichter unter den Frauen zu finden. Das aber hatte eben seinen Grund in den indianischen Feindseligkeiten, vor denen alle jungen Mädchen nach den befestigten oder wenigstens durch Militär besetzten Plätzen geschafft waren. Etwas reinlicher hätte es also gewiß, wären sie gegenwärtig gewesen, in den Häusern ausgesehen, jedenfalls freundlicher. Die Männer blieben aber immer dieselben, und wahrscheinlich auch die alten Frauen, und ein warmes Bad mit ein paar Stücken Bimssteinseife würde keinem von ihnen geschadet haben.

      In solchen kleinen Städtchen genießt man übrigens auch den Luxus eines Stuhls oder einer Bank, denn in den gewöhnlichen Hütten der Gauchos bedient man sich fast nur der Erde zum Sitzen oder, wenn es hoch kommt, zu diesem Zweck hereingeschaffter Pferdeschädel, die dann aber auch das vollständige Ameublement einer solchen Wohnung bilden.

      Keineswegs appetitlich ist dabei die Kocherei selber. Die Pampas sind so holzarm, daß sogar die paar Stücken Holz, die der Gaucho zu den Eckpfählen seiner Einzäunung braucht, und von denen er dann, von einem zum andern, dünn geschnittene Streifen ungegerbter Haut herüberspannt, viele, viele Tagereisen weit mit Pferden herbeigeschafft werden müssen. An Holz zu Feuerung ist deshalb, die Stengel einiger holzartiger Gräser ausgenommen, gar nicht zu denken. Das vorzüglichste und Hauptbrennmaterial ist deshalb auch Kuhdung, um das dann noch, es etwas besser zusammenzuhalten, einzelne Knochen gelegt werden. Diese brennen allerdings nicht sel/87/ber, aber sie concentriren die Hitze und - stinken. - Auf dies qualmende, schauerlich duftende Material wird dann sehr häufig ein anderer Knochen, an dem noch etwas Fleisch sitzt, geleqt und gebraten, und meint es der Gaucho, lieber Leser, recht gut mit Dir, so nimmt er den Knochen für Dich aus dem Feuer, klopft ihn an seinem Bein ab, reißt ein paar Stücken mit den eigenen Zähnen herunter, um zu sehen ob er geröstet ist, und reicht ihn Dir dann. Du aber sagst: muchos gracias, seňor, mit einem etwas sauersüßen Lächeln und nagst, weil Du einen wahrhaft schmählichen Hunger hast, weiter.

      Das Gespräch drehte sich hier, wie überall, um die Indianer und ihre befürchteten Angriffe, und mein etwas geschwätziger alter Begleiter erzählte den aufmerksam und ängstlich lauschenden Städtern all' die fürchterlichen Berichte, die er „im Lande drin" über die wilden, blutdürstigen Stämme der Pampas gehört hatte, und auch alle, wie ich das fest überzeugt bin, auf Wort und Gewissen glaubte. Ich fand jedoch nur zu bald, daß die gehörten Berichte keineswegs so ganz übertrieben sein mochten, denn auf den nächsten Plätzen, die wir erreichten, waren die Frauen mit ihren Kindern schon nach den nächsten kleinen Städten, die Ankunft der feindlichen Stämme fürchtend, geflohen. Die zurückgebliebenen Männer hielten theils bei ihren Heerden Wache, theils hatten sie für sich die Pferde dicht am Haus und gesattelt stehen, um ohne Säumniß, sobald sie die Ankunft der blutdürstigen Indianer entdeckten, einem sonst, wie sie sagten, gewissen Tode entfliehen zu können. Wieder lagen wir hier wohl bis elf Uhr Morgens, ehe mein alter Correo, des starken Nebels wegen, zum Aufbruch rief.

      Als wir endlich, und die Sonne stand schon bald im Zenith, durch die Steppe sprengten und etwa acht oder zehn englische Meilen zurückgelegt haben mochten, sah ich plötzlich, zu meinem nicht geringen Erstaunen, einen Gegenstand in der Ferne, der sich augenscheinlich gerade auf uns zu bewegte, von dem wir aber zuerst gar nicht ausmachen konnten, was er eigentlich bedeute. Im Anfang griffen wir unseren Thieren in die Zügel - es konnte ein dichtgedrängter kleiner Trupp Indianer sein, das aber, fanden wir bald, war nicht /88/ der Fall, und je näher das wunderliche Ding jetzt kam, desto mehr schien es mir, als ob ich etwas Aehnliches schon einmal in meinem Leben gesehen haben müßte. Die dunkle, fast verwischte Vorstellung einer gelben Landkutsche, die vor Erfindung der Eisenbahn unglückliche Passagiere von einem Landstädtchen zum andern räderte, tauchte in mir auf, obgleich der Gedanke fast zu absurd war, die gelbe Landkutsche hier mitten in den Pampas zu suchen. Als es aber näher und näher herankam, gewann der kolossale Gegenstand auch mehr und mehr Form und Gewißheit, und endlich - nein, wahrlich es war zu komisch, und ich mußte laut auflachen - rollte die gelbe Landkutsche (aber keineswegs mit gewöhnlicher gelben Landkutschenschnelle, sondern von sechs galoppirenden Pferden gezogen) rasch durch den Sand heran - und abenteuerlich genug sah der Zug aus.

      Die Pferde, sämmtlich an die Sattelgurte gespannt, hatten weiter kein Geschirr als den Zaune und Sattel, und auf jedem saß eine in den flatternden Poncho gekleidete wilde Gauchogestalt, mit den langen Sporen und der breiten schweren Revenka. Die Achsen und Speichen der Räder aber, so wie alles Feder- und Holzwerk des langen omnibusartigen Kasten war fest und sicher mit Streifen ungegerbten Leders umwickelt, und jedes Plätzchen dabei auf dem ganzen Wagen, es mochte sich nun befinden wo es wollte, zu einem Kistchen, Fäßchen, Kasten oder Pack benutzt. Zu der gelben Landkutsche aber, sollte sie nicht ganz aus der Rolle fallen, gehörten ein paar alte gemüthliche Gesichter, die in lobenswerther Geduld, und sich ruhig in ihr Schicksal fügend, eine solche Reise machten, und wahrlich, als bei unserer Annäherung der Wagen hielt und das Fenster niederfiel, sah ein mit Runzeln bedecktes und von hoher Brille überragtes Schulmeistergesicht aus dem Schlag, und erkundigte sich mit nicht geringer Genauigkeit bei dem jetzt erkannten Correo nach den Gerüchten über die Indianer. Die Gauchos auf den Pferden hatten zu viel eigenes Interesse bei dieser Antwort, als daß sie hätten gleichgültig bleiben sollen. Sie wandten sich alle gespannt dem alten Correo zu und lauschten seinen Worten, die wieder viel des Entsetzlichen kündeten /89/ - der Alte war ordentlich wie eine reitende Hiobspost. Das

      berichtet, was er berichten wollte, wandte er sich ab und sprengte wieder davon, ich aber hatte indessen ausgefunden, daß ein junger Bursche, ein Knabe von etwa vierzehn Jahren, mit im Wagen saß, der Englisch sprach, und es drängte mich natürlich ebenfalls, zu erfahren, was er mir über den Schnee der Kordilleren - ein für mich sehr interessantes Capitel - etwa sagen könnte. Wie ich aus dem vorigen Gespräch gehört, befand sich in dem Omnibus ein Lehrer mit einigen Zöglingen, die er mit zum Besuch nach Buenos-Ayres nehmen wollte.

      Mit Fragen kam ich aber bei dem jungen Bürschchen im Anfang gar nicht an, denn dieser wollte nur von Indianern hören, und frug mich, ob alle die Mordgeschichten wahr wären, die der Correo da eben seinem Professor erzählt hätte. Ich sah mich nach dem Correo um - dieser war kaum noch zu erkennen, ließ ich mich auf langes Erzählen ein, erfuhr ich nie, was ich wissen wollte, Trost konnte den guten Leuten aber auch nicht schaden, und ich versicherte ihm, es sei kein wahres Wort an der ganzen Geschichte - ich glaube nicht, daß ein Indianer auf zweihundert Meilen im Umkreis sei - die Straße wäre so sicher wie Buenos-Ayres selber - aber die Kordilleren -

      „Sind vortrefflich zu passiren" - lautete die Antwort - „aber im Sommer - wenn der Schnee geschmolzen ist -"

      „Im Sommer? - aber ich will, ich muß jetzt hinüber."

      „Jetzt?" der kleine Bursche lachte - „nonsens," sagte er - „jetzt kann nicht einmal mehr ein Brief herüber von Valparaiso - ich habe von meinem Vater, der dort wohnt, seit zwei Monaten keine Nachricht - die Kordilleren sind „geschlossen."

      Die Gauchos, die eine kurze Zeit unserem für sie Kauderwelsch mehr neugierig als geduldig gelauscht hatten - drückten, dessen jetzt müde, ihren Thieren die Sporen wieder in die Seiten - der Wagenschlag fiel zu, und fort brausten die muthigen Thiere und schleppten das unhehülfliche Fuhr-/90/ werk in wilder Eile durch den wirbelnden Sand. - Ich hatte, die „geschlossenen" Cordilleren im Kopf, eine volle Stunde Arbeit, meinen Correo wieder einzuholen.

      Die Hütten, die wir jetzt erreichten, kündeten uns übrigens fast alle die Nähe der Indianer. - In der einen fanden wir einen jungen Burschen, dessen Vater sie vor kurzer

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