Karibien. Xaver Engelhard

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Karibien - Xaver Engelhard

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das Reserverad zu montieren und mir einen Kaffee zu holen, hast du verstanden? Eine Minute länger und ich bring’ den Typ wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, Landfriedensbruch und Erregung öffentlichen Ärgernisses hinter Schloss und Riegel. Und dich als seinen Komplizen! Okay?”

      Rodney nickte eifrig. Von seinem dünnen Schnurrbart hingen gleißende Perlen; und es war unklar, ob es Regen war oder Schweiß.

      „Klar, Marge, überhaupt kein Problem, ehrlich, und ...”

      „Und eins versprech’ ich dir: Beim nächsten Mal nehm’ ich ihn hops, ganz egal, was du sagst.“ Marge holte tief Luft und stieß sie mit geblähten Backen wieder aus. „Du hast seltsamen Umgang; und allmählich frag’ ich mich, wieso.”

      Rodney wollte zu einer längeren Erklärung ausholen, sah aber, dass Marge gebückt die Fahrertür öffnete, und ließ es bleiben. Sie holte ein Megafon hervor und reichte es ihm. Rodney seufzte ergeben, trat aus der Deckung des Streifenwagens, kletterte über einen Holzzaun und betrat die Kiesfläche, auf der noch ein paar Baumstämme verrotteten. Dann blieb er stehen, hob das Megafon zum Mund und rief: „Bauer E 4!”.

      Waldo trug Gummistiefel, ein rotes Stirntuch und eine dicke Hornbrille und war bis auf eine verschlammte Feinrippunterhose völlig nackt. Sein Körper war schwer und stämmig, das Haar auf dem Kopf zu einer Bürste geschoren und genauso grau wie der gepflegte Vollbart. Die Lippen waren blau angelaufen. Sein Blick glitt fremd über die versammelten Menschen. Er zitterte und stützte sich auf Rodney, der eine Wolldecke über seine Schultern gebreitet hatte.

      „Wo kriegt er bloß immer die Knarren her?”, fragte Marge beim Anblick des Präzisionsgewehrs und des riesigen Revolvers, die Hilfssheriff Frank sichergestellt hatte. Die Frage war an niemanden Bestimmtes gerichtet, sondern Teil eines verwunderten Selbstgesprächs. Der Tankstellenpächter, der das Reserverad montierte, erhob sich, sah sich um, was wegen der riesigen Kapuze seines Ölzeugs, schwierig war, entdeckte, dass er der einzige in Marges Nähe war, und nahm es auf sich, dem offenbar niedergeschlagenen und im Moment nicht nur des Blaulichts, sondern des ganzen Streifenwagens beraubten Sheriff zu antworten.

      „Ich weiß nich’. Is uns allen ‘n Rätsel.” Er ahnte, Marge verzweifelte im Moment an ihrer Aufgabe. „Vielleicht hat er sie irgendwo vergraben. Vielleicht kauft er sie sich auf Waffen-Shows.” Er machte eine kurze Pause. „Ehrlich, Marge, das mit dem Blaulicht kriegen wir in Nullkommanix wieder hin. Sieht dann aus wie neu. Frank ruft ...”

      „Halt die Klappe! Die ganze scheiß Stadt ist einen Dreck wert; und das weißt du so gut wie ich. Ich kann ‘s gar nicht erwarten, dass sie die endlich platt machen.” Marge löste sich von dem Streifenwagen, an dem sie gelehnt hatte, und wandte sich an Waldo, Rodney und den Hilfssheriff, die beim Schuppen im Schutz des ein wenig vorstehenden Dachs gewartet hatten.

      „Die Knarren in den Kofferraum!” Sie wies Frank mit einer ruckartigen Kopfbewegung den Weg. Dann wandte sie sich an Waldo. „Hör mal her, du Früchtchen! Ich weiß, du bist Veteran und hast ne Menge Scheiß erlebt da drüben und keiner hat ‘s dir je gedankt oder erinnert sich auch nur an den Krieg, den ihr da fast verloren habt, aber irgendwann muss Schluss sein und sogar meine Geduld ist begrenzt. Verstehst du, worauf ich hinauswill?”

      Waldo sah sie nicht an, sondern blickte beschämt zu Boden.

      „Er weiß es, Marge“, behauptete Rodney hastig. „Ich hab ‘s ihm schon klargemacht; und er hat versprochen, dir ein neues Blaulicht zu kaufen, und wird so was nie wieder tun, oder, Waldo?” Er sah seinen Freund an, neben dem er noch schmächtiger wirkte.

      Waldo nickte fast unmerklich.

      Marge stöhnte.

      „Okay, bringt ihn in die Klinik! Doc Simmons wartet schon mit ner Spitze.”

      „Wird erledigt! Wir nehmen meinen Wagen. Mach dir deshalb keine Sorgen! Es wird alles wieder in Ordnung kommen, Marge, und wenn du willst, besorg’ ich dir morgen noch ein paar Donuts.”

      „Schon gut! Schau lieber, dass ihr mir nicht mehr unter die Augen kommt!”

      „Natürlich! Aber … du hast da noch ein bisschen Kaffee auf der Braue!” Rodney wollte den Tropfen schon wegwischen, Marges abweisender Blick belehrte ihn jedoch eines Besseren.

      „Frank, diese Stadt ist ‘n Saustall. Wir sind so ‘ne Enttäuschung für Marge. Wir müssen uns wirklich bessern.” Rodney steuerte seinen altersschwachen Lieferwagen, der in einer stumpfen, undefinierbaren Farbe lackiert war, umsichtig und ließ keine Gelegenheit aus, die Blinker zu betätigen, von denen der rechts hinten allerdings kein Glas und keine Birne mehr hatte.

      „Ja, die arme Marge!” Frank kurbelte das Fenster in der Beifahrertür herunter und spuckte Kautabaksaft auf die Straße. Er hatte ein tiefes Loch in der Wange wie die Narbe eines Durchschusses. Das Haar auf seinem Kopf sah aus wie fahles Schilf im Herbst. „Sie hat was Besseres verdient als Wilbourne. Aber keiner zwingt sie, sich das anzutun! Und ihrem Vorgänger hat die Stadt nichts ausgemacht.”

      „Sheriff Quincey war einer von hier. Er kannte sich aus. Er hatte keine hohen Erwartungen. Aber Marge ... Sie hat diese Illusionen. Sie meint, Wilbourne sollte ‘ne nette Kleinstadt sein, wo alle lieb zu einander sind und Plastikflamingos in den Rasen vor dem Haus stecken. Stattdessen ...”

      „Nun, Wilbourne is’ Wilbourne; und je schneller sie sich daran gewöhnt, desto besser für alle Beteiligten!”

      „Klar, aber für jemanden, der von außerhalb kommt, ist das gar nicht so einfach. Ich hab’ auch ne Weile gebraucht.”

      „Aber du hast dich inzwischen ganz gut eingelebt, hab’ ich recht?”

      „Ja, schon! Nur manchmal ist es auch für mich ein bisschen viel! Ich kann schon verstehen, warum es Leute gibt, die hier alles abreißen und verändern wollen. Es ist wirklich kein Wunder, dass die Touristen nicht anhalten.” Rodney ließ im Vorbeifahren den Blick über den Hafen und ein Areal voll rostiger Kräne, noch rostigerer Schiffsrümpfe und zu Bergen aufgestapelter Metallfässer schweifen, von denen jedes einzelne wie eine rostige Büchse der Pandora aussah. Ein Holztransporter kam ihnen eingehüllt in eine Gischtwolke entgegen. Rodney seufzte leise und wandte sich halb nach hinten, zum Laderaum, wo Waldo in seine Wolldecke gehüllt am Boden kauerte. „Alles in Ordnung, Häuptling?”

      Waldo reagierte nicht.

      Sie bogen noch einmal ab und fuhren bald vor einem baumumstandenen, mit allerlei Farbflächen um eine fröhliche und optimistische Ausstrahlung bemühten Flachbau vor.

      Rodney legte die Fachzeitschrift der holzverarbeitenden Industrie beiseite, in der er geblätterte hatte, stand auf und ging mit einem vorsichtigen Lächeln auf Waldo zu, der von einer dunkelhäutigen und plattfüßigen Krankenschwester durch eine Doppeltür mit bruchsicheren, drahtverstärkten Scheiben geführt wurde, die den neuerdings in hellblau und türkis gehaltenen Aufenthaltsbereich von der Krankenstation trennte.

      „Ham sie ganz nett hergerichtet, oder?“, rief er statt einer Begrüßung und wies mit dem Kinn auf das neue Mobiliar.

      Waldo grunzte nur. Er trug einen dunkelroten, von grauen Streifen durchzogenen Morgenmantel und schlappte auf seinen Pantoffeln zu der kleinen Sitzgruppe am Fenster, während die Schwester zurückblieb und ihm sorgenvoll hinterher blickte.

      „Zehn Minuten, mehr nicht!“, bestimmte sie. „Mr. Woldorowitz hat ein Beruhigungsmittel bekommen und braucht seine Ruhe.”

      „Is’

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