Karibien. Xaver Engelhard

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Karibien - Xaver Engelhard

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Tür, auf der Daddy ‘s Liebling geschrieben stand, und trat in eine ganz in Rosa und Hellblau gehaltene Jungmädchenhölle. Es war, als wäre er plötzlich geschrumpft und in Barbies Puppenvilla geraten. Deren deutlich übergewichtige Bewohnerin lag in einem mit possierlichen, Schleifen-geschmückten Hunden bedruckten Pyjama inmitten einer üppigen Bettlandschaft, tief zwischen unzähligen pastellfarbenen Kissen versunken, naschte aus einer Packung Ding Dongs und sah sich gelangweilt eine Quiz-Show an.

      „20 Punkte für die Hauptstadt von Mexiko und er benutzt den Joker!“, schimpfte sie. „Die Leute werden durch diese Shows nur noch blöder, hab’ ich das Gefühl.” Es fiel ihr schwer, den Blick vom Bildschirm abzuwenden, um den so überraschten wie überraschenden Besucher kurz und abfällig zu mustern. „Was willst du denn hier?”

      „Ich ... ich dachte, es ist niemand hier.”

      „Schade! Ich hatte gehofft, du bist gekommen, um mir ein bisschen Gesellschaft zu leisten.” Sie griff nach einer Carlton, dankbar für jede Ablenkung an diesem Abend, an dem sich sämtliche 112 über die Satellitenschüssel zu empfangenden Sender gegen sie verschworen hatten. Sie wälzte sich von links nach rechts und zog schließlich das Feuerzeug hervor, das unter ihren Hintern gerutscht war. „Einbrecher oder was?” Sie zündete sich die Zigarette an, tat einen geübten Zug und stieß eine Rauchwolke aus. Ihre Fingernägel waren grün, ausgesprochen lang und für fast jede Tätigkeit außer dem Verfertigen künstlicher Fingernägel ungeeignet. Kleine Glitzersternchen klebten auf ihren Wangenknochen. Die Zigarettenschachtel steckte in einem gehäkelten Überzug.

      Rodney wollte zuerst alles leugnen, konnte aber auf die Schnelle keine plausible Ausrede für sein nächtliches Erscheinen in einem ihm völlig fremden Haus finden. Schließlich nickte er vorsichtig.

      „Ich hab’ den Fernseher gehört und da ...”

      „Und statt abzuhauen kommst du hier reingelatscht! Scheinst mir ja auch ‘n ziemlicher Trottel zu sein. Schon mal daran gedacht, an so ‘ner Quiz-Show teilzunehmen?” Sie betrachtete ihn gespannt.

      „Äh, nein, nicht direkt, ich ...” Rodney errötete.

      „Willst du etwa, dass ich aufstehe und dir irgendwie behilflich bin?” Sie prustete los, erheitert von so viel Naivität. Sie stand nicht einmal auf, um ihrem Vater behilflich zu sein, und das schon mindestens seit er die neue Frau hatte. Sie beruhigte sich mit einem letzten Schnauben. „Oder willst du mich am Ende vergewaltigen?” Eine absurde Vorstellung, sah man den schmächtigen Rodney vor ihrem riesigen Körper stehen! Sie pickte mit der gleichen Hand, die auch die Zigarette hielt, einen Ding Dong aus der offenen Schachtel neben sich, begann, nachdenklich daran zu knabbern, und musterte Rodney. „Würde mir vielleicht gar nichts ausmachen. Bist ‘n hübsches Bürschchen.”

      „Nein nein, das geht leider nicht. Wir haben oben schon alles fertig und müssen gleich abhauen.” Rodney wedelte mit der Hand.

      „Wir? Also auf Schweinereien steh’ ich nich’. Ich zieh’ mein Angebot zurück.” Sie griff verärgert nach der Fernbedienung und schaltete zu einer Talkshow um. Eine Frau beschwerte sich wortreich darüber, dass sie ihren Freund nicht dazu bringen könne, sich die Haare zu schneiden. „Da hört sich doch alles auf“, brummte die Dicke leise. „Kannst du das glauben?”, fragte sie lauter und an Rodney gewandt.

      Rodney schüttelte den Kopf und sah sich vorsichtig in dem Zimmer um. Außer dem Fernseher gab es nichts, was den Abtransport gelohnt hätte.

      „Bist du vielleicht auch so einer, wo sich nich’ pflegt?” Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu und musterte seine Frisur. Ihr eigenes Haar war im Moment kupferrot und fiel in langen, schillernden Wellen auf die Schultern. „So was kann ich nämlich überhaupt nich’ ab.”

      Wieder schüttelte Rodney den Kopf.

      „Wird dein Kumpel da oben nicht unruhig, wenn du so lange weg bleibst?” Sie drückte die Zigarette in einen randvollen Aschenbecher, der zwischen den Kissen verborgen war, und griff gleich nach der nächsten.

      „Sie sollten nicht im Bett rauchen, wissen Sie?!“, stammelte Rodney. „Eigentlich sollten Sie überhaupt nicht rauchen!”

      „Mein Gott, das kann dir doch nun wirklich scheiß egal sein, was ich mit meinem Körper mach’! Du willst mich doch eh nur ausrauben.” Sie warf ihm einen schlauen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Und missbrauchen, falls du Manns genug dazu bist! Was ich ehrlich gesagt bezweifle!” Sie sog mit demonstrativem Genuss an der Zigarette.

      „Um Gottes Willen!” Rodney hob abwehrend die Hände. „Wir nehmen nur ein paar von den elektrischen Geräten mit.”

      „Von mir aus könnt ihr euch schnappen, was ihr wollt. Fahren ohne mich in den Urlaub und glauben, ich bin so blöd und pass’ so lange auf ihre Klunker auf! Die wird sich wundern.”

      „Gibt es denn etwa Juwelen?” Rodney schaute die Frau erstaunt an. „Vielleicht in einem Safe?“

      „Du meine Scheiße, was glaubst du denn, wo du gelandet bist? In ‘nem Luxushotel am Strand von Nice?” Sie sprach den Namen der französischen Hafenstadt betont falsch und betont englisch aus. „Der Schmuck ist im Wohnzimmer unterm Sofakissen. Aber versprich dir nicht zu viel davon! Das Meiste is’ aus’m HOT.”

      „Was ist mit Computern. Schmiss ist ...”

      „Schmiss? Klingt nicht sehr amerikanisch, wenn du mich fragst. Is’ doch kein Schwarzer, oder? So einen lass’ ich bestimmt nich’ ran.” Sie kicherte.

      „Er hat deutsche Vorfahren“, stellte Rodney empört klar. „Zumindest zum Teil!”

      „Na, das is’ aber ‘ne Beruhigung! Ein verfluchter Nazi nimmt mir die Bude auseinander. Gibt ‘s denn keine Juden mehr, mit denen die spielen können? Das hätten die sich mal vorher überlegen sollen, bevor sie die alle durch den Schornstein jagen.” Sie setzte sich mühsam auf und angelte mit ihren auffällig kleinen Füßen nach den Plüschpantoffeln vor dem Bett. Sie streifte mit der Zigarette im Mund ein weites, Kaftan-ähnliches Hemd über den Pyjama.

      Rodney streckte beide Arme aus.

      „Bitte keine Umstände! Wir finden das Zeug auch allein, ehrlich!”

      „Du lässt nich’ locker, was? Gönnst mir nich’ mal für ‘nen Augenblick die Illusion, dass dein Eindringen hier romantische Gründe haben könnte.” Sie warf ihm unter langen, aufgeklebten Wimpern einen koketten Blick zu. „Du bist doch ‘n Eindringling, oder?”

      „Ich weiß nicht. Ich ...”

      „Werd’ mir auf jeden Fall mal diesen Schmiss anschauen. Vielleicht is’ mit dem ja mehr los.” Sie fuhr sich durchs Haar. „Bei diesen Krauts kann man leider nie wissen. Von denen sind viele voll pervers, heißt es.”

      „Du meine Güte, was ist denn da oben los?”, fragte die Dicke schon auf der Treppe, die aus dem Keller führte, und rümpfte die Nase. „Wonach stinkt ‘s denn hier?“

      Rodney war genauso erstaunt wie sie, hatte aber sofort einen Verdacht.

      „Äh ... das ... ja, das ist vermutlich mein Partner Schmiss.“

      „Und der riecht so?“ Sie blickte ihn ungläubig an. Sie waren im Flur angelangt und näherten sich der Küche, aus der der Brandgeruch zu kommen schien. Sie traten durch die Tür und blieben verblüfft stehen.

      Schmiss

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