Geschichten der Nebelwelt. Inga Kozuruba

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Geschichten der Nebelwelt - Inga Kozuruba Geschichten der Nebelwelt

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Engstelle war.

      Kari warf ihrer Reiterin einen Blick zu. Sie hatte offensichtlich genug vom Herumstehen. Feli lächelte die Stute an und legte ihr Sattel und Zaumzeug an, um sich dann mit einer schnellen, fließenden Bewegung in den Sattel zu schwingen und aufzubrechen. Die Sonne zeigte sich über den Wipfeln der Bäume und es war hell genug, dass Kari ohne Schwierigkeiten querfeldein über die Wiese preschen konnte, die zwischen der Straße und dem Waldrand lag. Das lange Gras wogte im sanften Morgenwind, und der letzte Tau flog funkelnd durch die Luft, wann immer die Grashalme durch Karis Ansturm zur Seite gepeitscht wurden. Feli sog gierig die frische Morgenluft ein, die sie so liebte. Noch war es kühl, aber darum machte sie sich keine Sorgen. Die Bewegung würde sie und Kari schnell aufwärmen.

      Die Straße floss unter Karis Hufen vorbei wie ein Fluss aus Erde und Staub. Felis scharfe Augen sahen deutlich, dass ihr die Begegnung mit dem Heer des Rächerordens noch immer bevorstand. Alles, was der Wind ihr zutrug, waren die Geräusche des Waldes und der Wiese, Vögel und Insekten. In dieser Gegend war nichts zu spüren von der drohenden Gefahr, die irgendwo im Südosten lag.

      Grünau war schon bald zu sehen. Gewöhnliche Reisende hätten von der Hütte aus sicherlich einen halben Tag gebraucht, aber Feli reiste schnell und mit leichtem Gepäck. Als sie sich dem Dorf näherte, sah sie bereits die Bauern auf den umliegenden Feldern, und in größerer Entfernung auch die Schafe kleinen Wolken gleich auf den grünen Wiesen. Sie fragte sich, ob das von ihr geschlagene Wolfsrudel sich an einem dieser Tiere gütlich getan hatte, oder ob die Bauern Glück gehabt hatten. Sie hatte keine Zeit, um sich dieser Angelegenheit anzunehmen, und konnte nur auf das Beste hoffen.

      Die Straße führte sie schließlich mitten ins Dorf hinein, über den Marktplatz, und weiter nach Osten. Sie musste Kari etwas zügeln, um die vielen Menschen auf den Straßen nicht über den Haufen zu reiten, und ihre Anwesenheit immer wieder mit Ausrufen ankündigen. Der Markttag würde zwar erst am folgenden Tag stattfinden, doch auch an einem gewöhnlichen Tag war in einem Ort dieser Größe einiges auf den Straßen los. Die Handwerker hatten ihre Türen geöffnet und präsentierten die zum Verkauf stehende Ware in der Auslage direkt am Straßenrand. Kinder, die gerade nicht dazu verdonnert waren, im Haushalt oder auf den Feldern auszuhelfen, tobten unter der Sonne im Freien. Sie sah den einen oder anderen streunenden Hund, und Katzen, und auch ein rebellisches Huhn, das wohl vor dem Schlachtblock Reißaus genommen hatte und von einer wütend schreienden Bauernfrau verfolgt wurde. Sie sah Waschfrauen am einem großen Zuber am Brunnen, den einen oder anderen bereits rauchenden Kamin, auf dem wohl bereits das Mittagsmahl gekocht wurde, und auch die bemannten Ausgucke in hölzernen Türmchen entlang des Palisadenzauns, der das Dorf umgab und die Wachsamkeit über das offene Gelände in alle vier Himmelsrichtungen sicherte. Feli war sich sicher, dass diese Befestigung das Dorf in einem richtigen Krieg nicht retten würde, doch vor marodierenden Banditen und Wolfsrudeln bot das einen genügenden Schutz.

      Die Dorfleute sahen ihr neugierig nach, doch nicht allzu lange. Es kam nicht oft vor, dass Menschen wie Feli in größter Eile durch Grünau geprescht kamen, aber es war nicht unerhört. Die Gilden waren zwar schon lange in den Hintergrund getreten, und hatten in diesen Landen bei weitem nicht mehr die Präsenz und die Macht wie sie sie in den früheren Tagen ausgeübt hatten, aber das Abzeichen der Waldläufer, das Feli deutlich sichtbar an ihrer Reisegewandung und auch am Sattel und Zaumzeug ihrer Stute trug, war den meisten Leuten noch ein Begriff. Wann immer es notwendig war, Nachrichten schnell zuzustellen, oder bedeutende Personen sicher durch die Wildnis zu geleiten, wandte man sich an ihre Zunft. Damit war diese Gilde in den Köpfen der Leute noch immer präsent, während die obskuren Geistesbegabten und verschiedenen Magierschulen schon längst zum Stoff von Geschichten und Sagen wurden, und die legendären Kampfakademien ebenfalls in Vergessenheit geraten waren. Manche Gilden waren in diesen Landen sogar ganz und gar aufgegangen im Klerus, so wie die Heilkundigen und die Geistesbegabten, die nun oftmals als Dämonenjäger oder Seher zu finden waren. Oder aber sie traten an den Höfen der höchsten Adligen als geschätzte Berater auf, da ihr tadelloses Gedächtnis und ihr herausragendes Denkvermögen sie zu unschätzbaren Verbündeten machten, von den weniger bekannten Fähigkeiten ganz zu schweigen.

      Trotz der Verzögerung konnte Feli Grünau bald hinter sich lassen, und spornte Kari abermals an. Sobald sie die das Dorf umgebenden Felder hinter sich ließ, ritt sie wieder querfeldein über die Weidegründe der Kühe und Schafe, und wäre beinahe einem Sturmhauch gleich an ihnen vorbeigeschossen, doch dann kam ihr ein beunruhigender Gedanke in den Sinn und sie zügelte das Pferd neben einem ergrauten Schäfer, der sie unter der Krempe seines großen Schlapphuts aus Filz überrascht und auch etwas erschrocken ansah.

      „Keine Angst, es ist nichts passiert,“ rief sie ihm hastig zu. „Ich muss gleich weiter. Ein Heer der Rächer wird bald hier über die Straße ziehen, nach Starogrâd. Warnt die Dorfbewohner vor, damit sie möglichst wenig Scherereien haben. Und haltet eure wertvollsten Tiere zurück, nicht dass man sie zum Schlachten einfordert.“

      Sie wartete die Antwort des Mannes nicht ab und trieb Kari wieder zur Eile an. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihr, dass der alte Schäfer einen der jüngeren Burschen zu sich gerufen hatte und ihm wohl wild gestikulierend die Anweisung gab, ins Dorf zu laufen. Feli hoffte, dass sie den Menschen im Dorf mit dieser Vorwarnung einen Gefallen getan hatte. Auch wenn die Truppen der Rächer sich in vielerlei Hinsicht deutlich disziplinierter und zivilisierter benahmen als die Söldnerheere der Adligen, so nahmen sie sich zumindest in Bezug auf die Versorgung der Soldaten durchaus gewisse Freiheiten heraus, was das Eigentum anderer Leute betraf. Der Klerus und seine Armeen hatten schon immer ihre Sonderrechte. Also war es besser, wenn die besten Tiere, insbesondere die für die Zucht, dem Heer gar nicht erst ins Blickfeld fallen würden, ebenso wie das gelagerte Saatgut. Alles andere ließe sich verschmerzen. Die Zeit der Kälte war zwar wie immer grausam gewesen, aber das Jahr zuvor hatte sich als fruchtbar erwiesen, so dass die Menschen ein paar Verluste verkraften können würden.

      Feli war inzwischen an dem kleinen Weg angekommen, den Jäger in dieser Gegend nutzten, um schnell durch die Wälder zur Fuhrt zu gelangen. Sie ließ ihre Stute so schnell vorwärts reiten wie es unter dem Blätterdach möglich war, und wandte ihre Sinne ganz und gar der Umgebung zu. Mit Raubtieren würde sie vermutlich keine großen Schwierigkeiten bekommen, aber sie wollte nicht unerwartet auf einen Trupp Wegelagerer stoßen, die solche versteckten Wege auch gern nutzten, um schnell zwischen verschiedenen Abschnitten der großen Straße zu reisen und einem ausgekundschafteten Ziel einen Hinterhalt bereiten zu können. Diesen Leuten wollte Feli nicht in die Arme laufen. Auch wenn sie den meisten Banditen durch ihre Kampfausbildung, Bewaffnung und Erfahrung überlegen war, gegen eine Überzahl mitten im Wald zu kämpfen war eine riskante Angelegenheit. Sie wollte lieber vorgewarnt sein, und selbst das Überraschungsmoment nutzen können, um so viele Gegner wie möglich mit ihrem Bogen niederzustrecken, bevor sie in den Nahkampf musste. Sie wollte Kari um keinen Preis der Gefahr aussetzen, verletzt oder gar abgestochen zu werden, nur um dann als Mahlzeit zu enden, weil solche Leute den Wert eines derart edlen Tiers nicht erkennen würden. Und wenn die Räuber halbwegs bei Verstand wären, dann würden sie zuerst versuchen, das Pferd niederzustrecken, bevor sie sich an die Reiterin machen. Dieses Szenario wollte Feli unbedingt vermeiden.

      Ihre Ohren vernahmen den Ruf eines Falken weit über ihr. Feli lächelte leicht und deutete Kari, anzuhalten. Wenig später stand die Stute still und gab bis auf ein leises Schnauben kein Geräusch von sich. Feli hob ihr Gesicht 'gen Himmel und sah einen winzigen Schemen weit oben durch die wenigen Lücken zwischen den sich im Wind bewegenden Ästen, die über dem Weg nicht so dicht zusammenschlugen wie drum herum. Feli fixierte die geflügelte Gestalt mit ihrem Blick so gut sie konnte, und breitete langsam die Arme auf Schulterhöhe aus, streckte die Finger aus, und sog tief die Luft in die Lungen, während sie ihren Willen auf den Vogel weit über sich konzentrierte. Die Kunst, mit dem Bewusstsein eines Tiers zu verschmelzen, war keine einfache und forderte Kraft, aber es war die beste Möglichkeit, sich einen schnellen Überblick über die nahe Umgebung zu verschaffen. Und falls das Heer der Rächer bereits in der Nähe war, würde sie diese ebenfalls erblicken und sich auf den Rückweg machen können.

      Feli

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