Der Weg nach Afrika - Teil4. Helmut Lauschke

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Der Weg nach Afrika - Teil4 - Helmut Lauschke

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glauben wollte, dass es nun seine Leute sind, die da entgleisen liessen, was nicht entgleisen durfte, wenn die Ärzte und Apotheker, Hans, der Physiotherapeut, und die Sozialarbeiter im Hospital ihrer Arbeit nachgingen. Er setzte sich mit der Polizei in Verbindung, die es bei Versprechungen beliess, für Ordnung zu sorgen, und der Unordnung mit den Diebstählen tatenlos zusah. Die nächtlichen Raubüberfälle und Einbrüche häuften sich, dass sich die Weissen in Ermangelung einer wirksamen Polizei zum Selbstschutz zusammentaten und nächtliche Patrouillen auf Privatfahrzeugen mit lichtstarken Lampen und Schusswaffen fuhren, um dieser frühen Kriminalität Einhalt zu gebieten. Es half für die Nacht, dafür wurde am Tage mehr eingebrochen. Die Arbeit am Hospital musste weitergehen, sie ging weiter, wenn auch mit dem Hintergedanken, dass da in den Häusern eingebrochen wurde, während sie im Schweisse des Angesichts die Patienten untersuchten und operierten. Da schluckte die schwarze Frühkriminalität einen beachtlichen Teil der Konzentration weg, die eigentlich den kranken Menschen gehörte. Es lag ein schwarzes, asoziales Verhalten vor, das durch die Gemeinheit der Diebstähle sich gegen die eigenen Menschen richtete. So offenbarte die erste Phase der Übergangsperiode die erste neue Unordnung, die nicht in Ordnung zu bringen war, es sei denn, die Sperrschranken würden wieder errichtet, Fahrzeug- und Personalkontrollen wieder eingeführt. Aber gerade das sollte mit dem Versinken der weissen Apartheid ein für alle Mal überwunden sein. Die andere Alternative war die stählerne Vergitterung der Fenster und Türen. Doch dazu fehlte das Geld wie das Material. So blieben die Reinigungs- und Bügelfrauen in den Häusern und die Männer in den Vor- und Hintergärten übrig, denen man vertrauen musste, weil man ihnen vor Eintritt der ersten Phase des Übergangs auch vertraut hatte. Das ging leider nicht immer gut, weil es da Fälle der ungezogenen Zusammenarbeit mit den Dieben gab, denen sie den günstigsten Zeitpunkt zum Stehlen gaben, die es dann so taten, ohne dass Türen aufgebrochen und Fenster eingeschlagen wurden. Nach dieser tür- und fensterschonenden Ausräumung von Radios plus Tonbändern, Fotoapparaten, Uhren, Brillen, Sonnenbrillen, Schmuck mitsamt Kassetten, den weniger getragenen Schuhen, besseren Kleidungsstücken bis zur Bettwäsche und den Handtüchern und manchmal unter Mitnahme erheblicher Bargeldbeträge, oder von Ersatzrädern, Fahrrädern und gefüllten Benzinkanistern aus den Garagen kamen dann auch meist die Haushilfe oder der Gärtner oder beide am nächsten Morgen nicht zurück. Sie blieben verschwunden, oft mit dem Essbarem aus den Kühlschränken und Kühltruhen, die sie da gleich mit ausgeräumt hatten. In einigen Fällen wurden leere Bier- und Whiskyflaschen zurückgelassen. Die Diebe waren nicht zu fassen, weil keiner wusste und wissen wollte, wo sie wohnten oder waren. Die Kriminellen zogen sich auf die natürlichste Weise in neue Startlöcher zurück, ohne dass man sie zur Rechenschaft ziehen konnte. Nach grösseren Ausräumungen liessen sie sich dann im Dorfe für eine längere Zeit nicht blicken. Das war die Situation, kurz nachdem die UNTAG kam, um den friedlichen Übergang von der weissen Apartheid in ein freies, rechtschaffenes und demokratisches Namibia zu überwachen, gemäss der UN-Resolution 435. Gleich am Anfang war es nicht so gut, weil da Dinge durcheinanderkamen, die eigentlich in Ordnung sein sollten.

      In dieser Phase des Übergangs, in der es eine Verwalzung, ein Plattdrücken des Alten gab, und eine Umwälzung, wie es der Pflug im Ackerboden tut, anzumerken war, bekam das Dorf unweit der angolanischen Grenze, das all die Jahre wie am Ende der Welt lag, eine neue Bedeutung. So wurde Oshakati mit dem 'International Guesthouse' eine wichtige Durchgangsstation, eine Art Umsteigebahnhof, wo Menschen der weissen Hautfarbe, die ausgeschlafen und Frühaufsteher waren, mit dem Auto aus dem südlichen Windhoek kamen, Dr. Ferdinand in seiner engen Wohnstelle einen Besuch abstatteten, ihn zum Abendessen im besagten Gästehaus des Internationalen einluden, oder nicht, und dabei Erkundigungen über die augenblickliche Lage einzogen. Mit den neuesten Kenntnissen vor Ort flogen sie am nächsten Morgen von Ondangwa nach Lubango im Süden Angolas weiter, um die ersten Kontakte mit den Menschen zu knüpfen, die "morgen" die Macht zu übernehmen gedachten. Da kam das Nordphänomen auf, das das Südphänomen mit dem Blick nach Pretoria oder dem pretorianischen Blick ablöste, wo das Dorf im Norden Eigenschaften eines Magneten bekam, das magisch Menschen aus dem Süden, hauptsächlich Windhoek, bis an die angolanische Grenze anzog. Sie alle waren vom Bedürfnis beseelt, den Übergang nicht nur gut zu überstehen, sondern auch "morgen" mit einer guten Position bei guter Bezahlung dabei zu sein, wenn die neue Mannschaft nach den Hebeln der Macht griff. Da galt, wenn es um die Macht und die nächstliegenden Posten ging, die in Sichtweite zur Macht waren, oder von denen aus durch das Fenster, das da jedesmal weit geöffnet wurde, die entsprechenden Hebel zu sehen waren, wenn man sie nicht selbst anfassen durfte, da galt noch immer das Prinzip: 'first come first served' (wer zuerst kommt, wird zuerst bedient). Da stellten sich jene mit den höheren Ambitionen frühzeitig in die Schlange, die vom Typ her ‘elastisch’ waren und die unterschiedlichsten Systeme für den eigenen Vorteil spielend in Kauf nahmen, als wäre es nicht mehr als ein Hemd- und Hosenwechsel. Da waren es wieder die Frühaufsteher, die als erste kamen, um mit veränderter Gesichtsmaske und veränderten Papieren sich ans Neue anzulehnen und ohne Hosenträger und mit offenem Hemd sich anzuschmiegen. Sie hatten ihren Schreibtisch mit der polierten Platte und den anderen Annehmlichkeiten in den höheren Etagen fest vor Augen. Da sollte es beim Status bleiben, egal, mit welcher Farbe sich das System politisch umhing.

      Die Statusleute wollten auch diesmal wieder als erste bedient sein. Dafür waren sie früh aufgestanden und nahmen die Reisestrapaze in Kauf, um bis vor die angolanische Grenze zu fahren, wo das Dorf über all die Jahre von der Welt verlassen war. Nicht dass es aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde, dafür war der Krieg zu wild, das Elend zu gross, die Toten ohne Begräbnis (Sartre) zu viel, aber es bekam über Nacht mit dem Eintreffen der UNTAG eine Bedeutung, die die Menschen mit den unterschiedlichen Absichten überraschte. Das Dorf wurde politisch verkehrmässig zu einem Knotenpunkt, wo geknüpft und umgestiegen wurde. Von da gingen nun die Blicke nach Norden weit über die Grenze hinaus, wo die weiter südlich positionierten und einst pretorianisch ausgerichteten Frühaufsteher bereits in Halbachtstellung auf den neuen politischen Sonnenaufgang warteten, ihn eigentlich gar nicht früh genug erwarten konnten. Da gab es jene, denen man es nicht zugetraut hatte, die da bereits in aller Herrgottsfrühe dastanden und warteten, nach Norden schielten, vom Süden nicht mehr sprachen, sich auf die Ankunft der neuen Mannschaft eingestellt hatten und schon das neue Fähnchen zum Winken in der Hand hielten, auch wenn es aus taktischen Gründen noch zusammengerollt war. Was während der Apartheid Pretoria im Süden war, das wurde nun das Dorf Oshakati im Norden, als würde hier die schwarze Mannschaft anlegen, sich als Gladiatoren der Freiheit auf dem Platz vor dem 'International Guesthouse' aufstellen und mit Pauken und Trompeten feiern lassen.

      Da wurden die Stühle mit den Schreibtischen umgestellt, um einhundertachtzig Grad gedreht und vor die Nordfenster gerückt, die weit geöffnet wurden, um den Apartheidsmief rauszukriegen und über die Schreibtischplatten den frischen Nordwind wehen und ziehen zu lassen. Es wurde sich nördlich umorientiert, so gut und so schnell es sich machen liess. Damit war für jene Aufsteher der Süden über Nacht abgehakt, bevor die andern kamen, die es ihnen nachmachten, aber den pretorianischen Südblick später aus ihrem Gesicht wischten und sich deshalb, nördlich gesehen, in der Schlange weiter hinten anzustellen hatten. Da stellten sich nun die Weissen in der Reihe an, die von den oberen Etagen vorn, die von den unteren Etagen hinten, wo die Auslese nun schwarz vorgenommen, sie schwarz getroffen wurde. Das Umsteigen im Dorf vom Auto von Windhoek ins Flugzeug nach Lubango zur frühen Kontaktaufnahme mit den zur Macht Greifenden in spe hatte sich für einige gelohnt, ihnen wurde das frühe Aufstehen mit den Reisestrapazen gut vergolten. So schaffte es einer, der mit seiner Frau Dr. Ferdinand in seiner kleinen Wohnstelle besuchte und ihn in ein stundenlanges Gespräch zur Förderung von Informationen über die Lage vor Ort verwickelte, nach vollzogenem Machtwechsel auf den Stuhl eines Ministerstellvertreters.

      Die Schwarz-Intellektuellen nahmen das mit der künftigen Postenverteilung aufgrund des Melanozytenreichtums in der Haut gelassener. Sie rechneten sich gleich zu Anfang die besseren Chancen aus. Wenn auch die Bildung sich in den Grenzen des Durchschnittlichen hielt, so kam doch die nötige Einbildung mit der Portion überproportionaler Selbstsicherheit dazu, was beides oft nicht balanciert war, um sich schon auf einem Stuhl in der oberen Etage mit geräuschloser Klimaanlage und Sekretärin, dem hoch dotiertem Gehalt und den Extra-Zulagen, den vielen Annehmlichkeiten und Vergünstigungen sitzen zu sehen. Bei einem sah Dr. Ferdinand die Brust schon

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