Der Weg nach Afrika - Teil4. Helmut Lauschke
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In dieser Phase des Übergangs, in der es eine Verwalzung, ein Plattdrücken des Alten gab, und eine Umwälzung, wie es der Pflug im Ackerboden tut, anzumerken war, bekam das Dorf unweit der angolanischen Grenze, das all die Jahre wie am Ende der Welt lag, eine neue Bedeutung. So wurde Oshakati mit dem 'International Guesthouse' eine wichtige Durchgangsstation, eine Art Umsteigebahnhof, wo Menschen der weissen Hautfarbe, die ausgeschlafen und Frühaufsteher waren, mit dem Auto aus dem südlichen Windhoek kamen, Dr. Ferdinand in seiner engen Wohnstelle einen Besuch abstatteten, ihn zum Abendessen im besagten Gästehaus des Internationalen einluden, oder nicht, und dabei Erkundigungen über die augenblickliche Lage einzogen. Mit den neuesten Kenntnissen vor Ort flogen sie am nächsten Morgen von Ondangwa nach Lubango im Süden Angolas weiter, um die ersten Kontakte mit den Menschen zu knüpfen, die "morgen" die Macht zu übernehmen gedachten. Da kam das Nordphänomen auf, das das Südphänomen mit dem Blick nach Pretoria oder dem pretorianischen Blick ablöste, wo das Dorf im Norden Eigenschaften eines Magneten bekam, das magisch Menschen aus dem Süden, hauptsächlich Windhoek, bis an die angolanische Grenze anzog. Sie alle waren vom Bedürfnis beseelt, den Übergang nicht nur gut zu überstehen, sondern auch "morgen" mit einer guten Position bei guter Bezahlung dabei zu sein, wenn die neue Mannschaft nach den Hebeln der Macht griff. Da galt, wenn es um die Macht und die nächstliegenden Posten ging, die in Sichtweite zur Macht waren, oder von denen aus durch das Fenster, das da jedesmal weit geöffnet wurde, die entsprechenden Hebel zu sehen waren, wenn man sie nicht selbst anfassen durfte, da galt noch immer das Prinzip: 'first come first served' (wer zuerst kommt, wird zuerst bedient). Da stellten sich jene mit den höheren Ambitionen frühzeitig in die Schlange, die vom Typ her ‘elastisch’ waren und die unterschiedlichsten Systeme für den eigenen Vorteil spielend in Kauf nahmen, als wäre es nicht mehr als ein Hemd- und Hosenwechsel. Da waren es wieder die Frühaufsteher, die als erste kamen, um mit veränderter Gesichtsmaske und veränderten Papieren sich ans Neue anzulehnen und ohne Hosenträger und mit offenem Hemd sich anzuschmiegen. Sie hatten ihren Schreibtisch mit der polierten Platte und den anderen Annehmlichkeiten in den höheren Etagen fest vor Augen. Da sollte es beim Status bleiben, egal, mit welcher Farbe sich das System politisch umhing.
Die Statusleute wollten auch diesmal wieder als erste bedient sein. Dafür waren sie früh aufgestanden und nahmen die Reisestrapaze in Kauf, um bis vor die angolanische Grenze zu fahren, wo das Dorf über all die Jahre von der Welt verlassen war. Nicht dass es aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde, dafür war der Krieg zu wild, das Elend zu gross, die Toten ohne Begräbnis (Sartre) zu viel, aber es bekam über Nacht mit dem Eintreffen der UNTAG eine Bedeutung, die die Menschen mit den unterschiedlichen Absichten überraschte. Das Dorf wurde politisch verkehrmässig zu einem Knotenpunkt, wo geknüpft und umgestiegen wurde. Von da gingen nun die Blicke nach Norden weit über die Grenze hinaus, wo die weiter südlich positionierten und einst pretorianisch ausgerichteten Frühaufsteher bereits in Halbachtstellung auf den neuen politischen Sonnenaufgang warteten, ihn eigentlich gar nicht früh genug erwarten konnten. Da gab es jene, denen man es nicht zugetraut hatte, die da bereits in aller Herrgottsfrühe dastanden und warteten, nach Norden schielten, vom Süden nicht mehr sprachen, sich auf die Ankunft der neuen Mannschaft eingestellt hatten und schon das neue Fähnchen zum Winken in der Hand hielten, auch wenn es aus taktischen Gründen noch zusammengerollt war. Was während der Apartheid Pretoria im Süden war, das wurde nun das Dorf Oshakati im Norden, als würde hier die schwarze Mannschaft anlegen, sich als Gladiatoren der Freiheit auf dem Platz vor dem 'International Guesthouse' aufstellen und mit Pauken und Trompeten feiern lassen.
Da wurden die Stühle mit den Schreibtischen umgestellt, um einhundertachtzig Grad gedreht und vor die Nordfenster gerückt, die weit geöffnet wurden, um den Apartheidsmief rauszukriegen und über die Schreibtischplatten den frischen Nordwind wehen und ziehen zu lassen. Es wurde sich nördlich umorientiert, so gut und so schnell es sich machen liess. Damit war für jene Aufsteher der Süden über Nacht abgehakt, bevor die andern kamen, die es ihnen nachmachten, aber den pretorianischen Südblick später aus ihrem Gesicht wischten und sich deshalb, nördlich gesehen, in der Schlange weiter hinten anzustellen hatten. Da stellten sich nun die Weissen in der Reihe an, die von den oberen Etagen vorn, die von den unteren Etagen hinten, wo die Auslese nun schwarz vorgenommen, sie schwarz getroffen wurde. Das Umsteigen im Dorf vom Auto von Windhoek ins Flugzeug nach Lubango zur frühen Kontaktaufnahme mit den zur Macht Greifenden in spe hatte sich für einige gelohnt, ihnen wurde das frühe Aufstehen mit den Reisestrapazen gut vergolten. So schaffte es einer, der mit seiner Frau Dr. Ferdinand in seiner kleinen Wohnstelle besuchte und ihn in ein stundenlanges Gespräch zur Förderung von Informationen über die Lage vor Ort verwickelte, nach vollzogenem Machtwechsel auf den Stuhl eines Ministerstellvertreters.
Die Schwarz-Intellektuellen nahmen das mit der künftigen Postenverteilung aufgrund des Melanozytenreichtums in der Haut gelassener. Sie rechneten sich gleich zu Anfang die besseren Chancen aus. Wenn auch die Bildung sich in den Grenzen des Durchschnittlichen hielt, so kam doch die nötige Einbildung mit der Portion überproportionaler Selbstsicherheit dazu, was beides oft nicht balanciert war, um sich schon auf einem Stuhl in der oberen Etage mit geräuschloser Klimaanlage und Sekretärin, dem hoch dotiertem Gehalt und den Extra-Zulagen, den vielen Annehmlichkeiten und Vergünstigungen sitzen zu sehen. Bei einem sah Dr. Ferdinand die Brust schon