Wenn die Seelen Trauer tragen. Rose Hardt

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Wenn die Seelen Trauer tragen - Rose Hardt

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auf ihrem Hotelzimmer servieren. Und während sie aß, genoss sie die traumhafte Aussicht von der dritten Etage auf die Bucht von Saint Aubin. Für dieses Zimmer, mit einem gigantischen Ausblick, hatte sie noch einiges drauf zahlen müssen – aber, wie sie jetzt feststellen musste, war es jedes Jersey Pfund wert. Allein schon die Lage des Hotels war perfekt, alles war in nur wenigen Minuten zu Fuß erreichbar: ob nun die City von Saint Helier, der Jachthafen, oder die traumhafte Bucht von Saint Aubin, die bei Ebbe die ideale Gelegenheit für sportliche Aktivitäten bot – oder zu Abendspaziergängen bei traumhaften Sonnenuntergängen einlud.

      Am nächsten Morgen war sie durch lautes Geschrei einiger Möwen erwacht. Sie blinzelte zum offenen Fenster und konnte gerade noch ein paar dieser graugefiederten Vögel erkennen, die dicht an ihrem Fenster vorbeischwebten. Sie blinzelte zur Uhr auf der Konsole – sechs Uhr, viel zu früh um aufzustehen, dachte sie, schlaftrunken vergrub sie ihren Kopf wieder unter der Bettdecke und versuchte nochmals einzuschlafen, doch sobald sie ihre Augen schloss, wanderten ihre Gedanken wieder zu dem dramatischen Ereignis in ihrem Vorgarten: erneut zog das Bild des Toten – der leblose starre Körper – vor ihrem geistigen Auge vorüber, ein Bild das langsam jede einzelne Gehirnzelle in ihrem Kopf zu aktivieren schien. Ach ihr gruselte jetzt, und an Einschlafen war nicht mehr zu denken. Und so beschloss sie an den Strand joggen zu gehen. Vielleicht war es ihr möglich sich freizulaufen, freizulaufen von allem was sie bedrückte, ja, sie innerlich bewegte.

      Kurze Zeit später überquerte sie im Laufschritt die Victoria Avenue. An der Kai-Mauer stoppte sie, um sich eine erste Orientierung zu verschaffen. Zu ihrer linken Seite thronte die Elizabeth Castle, zur rechten lag eine menschenleere Bucht die nicht nur um Beachtung bat, sondern auf faszinierende Weise einlud die noch schlafende Landschaft zu erkunden. Ein kleiner befreiender Seufzer kam kaum hörbar über ihre Lippen. Die morgendliche Ruhe wirkte nicht nur entspannend auf ihren Körper, sondern schmeichelte gleichermaßen ihrer Seele. Horizont und Meer waren kaum voneinander zu unterscheiden – alles vereinte sich in einem violetten Morgendunst. Ein innerer Drang mit der Natur im Einklang zu sein, ja, sich im Laufen darin aufzulösen trieb sie die Stufen zum Strand hinunter. Zurzeit war Ebbe und der versiegelte Sandboden mit den geriffelten Spuren der Wellen erwies sich als optimale Laufqualität. Doch kaum hatte sie ihren Lauf-Rhythmus gefunden, gingen ihre Gedanken wieder auf Wanderschaft. Die Bilder des Toten drangen unverblümt in den Vordergrund, erneut sieht sie den leblosen Körper an der Buche hängen, sie sieht wie Polizeibeamte ihn unter großem Kraftaufwand abschnitten und den erstarrten Körper in den Sarg betteten – nein, es war vielmehr ein Pressen, auch hört sie wie der Reißverschluss des Totensacks mit einem lauten Zischlaut – der durch Mark und Bein ging – zugezogen wurde, gleichzeitig vernahm sie das Blitzlichtgewitter der Reporter, die sich wie eine Meute hungriger Hyänen hinter der Absperrung drängten, um dann das allerletzte Foto noch zu schießen. Verständnislos schüttelte sie darüber den Kopf, weil auch sie – ohne ihr Wollen – in ihre Schusslinie geraten war. Ganz deutlich hört sie noch ihre Fragen – Fragen, die sie so unvermittelt trafen, dass sie nur noch Reißaus nehmen konnte. Warum gab es für diese Presseleute kein Gesetz, das sie in ihre Schranken verwies? „Tsss … so etwas nennt sich dann Pressefreiheit!“, zischte sie. Wie oft wurden unschuldige Menschen durch falsche Interpretationen der Medien vernichtet! Fragen und Gedanken, die sie nur noch mit einem kräftigen Fußtritt in den Sand beantworten konnte. Ja, und weiß der Geier, sie ärgerte sich maßlos darüber, dass sie ungewollt zum Opfer wurde – ja, zur Gejagten, so dass sie die Flucht, die Flucht hierher nach Jersey, antreten musste. Ihr Laufschritt passte sich gemäß ihrer Wut an. Plötzlich blieb sie stehen, die Erinnerung an das Gesicht des Toten war wieder da – ja, das Gesicht hatte Ähnlichkeit mit einem Mann, der bei ihren letzten drei Lesungen zugegen war. Sie presste einen Moment die Hände vor ihre Augen, gleich so, als könnte sie das Bild festhalten – gewiss doch! Ja, er saß bei ihren letzten Lesungen in der hintersten Reihe – fast unscheinbar im Halbdunkel – als wollte er nicht gesehen werden. Aber wer war er? Ein abgewiesener Verehrer? Aber warum sollte er sich gerade in ihrem Vorgarten erhängen? – Nein, das ergab keinen Sinn. Auch wenn sich der ein oder andere Verehrer seit den Veröffentlichungen ihrer Bücher gemeldet hatte, so traten sie alle in irgendeiner Form in Erscheinung. Sie lief weiter und folgte in Gedanken den Spuren dieser Verehrer: jede einzelne E-Mail, auch handgeschriebene Zeilen versuchte sie gedanklich nachzuvollziehen, aber es war nichts dabei, das sie als krankhaft hätte deuten können – oder doch? Vielleicht sollte sie ihre E-Mails nochmals lesen, gegebenenfalls auch zwischen den Zeilen deuten. Mist, da fiel ihr ein, dass sie die Angewohnheit pflegte ihre E-Mails regelmäßig zu löschen. Somit dürften alle Mails vernichtet sein, folglich war es sinnlos sich weiter den Kopf darüber zerbrechen zu wollen.

      „Guten Morgen Goldmündchen“, drang plötzlich eine gutgelaunte Stimme zwischen ihr Gedankenwirrwarr. „Ihnen ist schon klar, dass Sie mich gestern Abend versetzt haben!“, wobei er sie eindringlich von der Seite musterte, „aber zum Glück bin ich ja nicht nachtragend“, fügte er großzügig an. Anschließend joggte er, ohne sie zu fragen, neben ihr her, zwischendurch korrigierte er mehrmals seine Schrittfolge, um mit ihr im gleichen Rhythmus zu joggen.

      Am frühen Morgen, ohne eine Tasse Kaffee getrunken zu haben, auf diese Weise angemacht zu werden – das ging gar nicht, dachte sie.

      „Wie war noch gleich Ihr Name? Ach ja, Mister Weinberg! Nun, Mister Weinberg, um ganz ehrlich zu sein, die pubertierenden Anmachen eines alternden Playboys sind für Damen vielmehr eine Beleidigung, als eine Einladung“, sogleich erhöhte sie ihr Lauftempo um ihn abzuhängen.

      „Meine Güte, sind wir aber mal empfindlich, das mit dem King-Size-Bett war ein Scherz … nichts als ein Scherz! Sie verstehen, Missus Nora Goldmund!“, rief er ihr nach.

      Sie gab ihm keine Antwort, stattdessen rekonstruierte sie in Gedanken den gestrigen Gesprächsablauf. Vielleicht hatte sie ja wirklich überreagiert? Oder gar die Verabredung völlig falsch interpretiert? Vielleicht hätte sie auch schlagfertiger sein sollen! Gleichzeitig war sie verärgert darüber, weil sie wieder einmal die Schuld bei sich selbst suchte – ja, und das Sich-schuldig-Fühlen, war ein unliebsames Anhängsel aus Kindertagen. Während ihren Gedankengängen hatte er sein Lauftempo ebenfalls erhöht und joggte nun, als ob es das Selbstverständlichste auf der Welt wäre, wieder neben ihr her. Zwischendurch korrigierte er abermals, und mit sichtlichem Vergnügen, seine Schrittfolge. Zuerst beobachtete Nora ihn nur aus den Augenwinkeln, dann wandte sie ihren Kopf abrupt um und warf ihm einen strafenden Blick zu.

      „Uuuh … zum Glück konnte dieser Blick nicht töten, sonst wäre ich jetzt mausetot umgefallen“, scherzte er.

      Momentan war sie nicht in der Stimmung ihm zu antworten. Ihre gute Laune hielt sich irgendwo versteckt, und die Erinnerung an den fremden Toten, schien ihren Humor ebenfalls verdrängt zu haben. Erneut sah sie zu ihm hin – Entschlossenheit lag in seiner ganzen Ausstrahlung, wie sie nun erkennen konnte. Ja, dieser unverschämte Kerl besaß auch noch die Dreistheit und lächelte ihr zu.

      Und so liefen sie eine Weile nebeneinander her, und immer wenn sie zum ihm hinsah, lächelte er – er lächelte! Ja, aber wenn sie ehrlich war, dann war es ein offenes Lächeln, das sie mit zunehmender Laufzeit nicht nur versöhnlicher stimmte, sondern auch ein klein wenig ihre Neugier weckte. Eigentlich, dachte sie, mal abgesehen von seiner aufdringlichen Art, sieht er recht passabel aus. Wie alt er wohl sein mag? Fünfzig! Vielleicht etwas darüber – aber nicht viel. Nochmals sah sie zu ihm hin und dieses Mal nahm sie ihn genauer in Augenschein – was er natürlich bemerkte.

      „Na, gefalle ich Ihnen?“, fragte er mit einem breiten Grinsen, wobei er gekonnt eine Pirouette drehte.

      Clown, dachte sie, und lächelte in sich hinein.

      „Sie sind ganz schön hartnäckig, wissen Sie das, Frau Goldmund!“, sagte er nach einer Weile.

      „Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass sich Hartnäckigkeit auszahlt“, konterte sie.

      Woraufhin

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