Wenn die Seelen Trauer tragen. Rose Hardt

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Wenn die Seelen Trauer tragen - Rose Hardt

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schweigend nebeneinander den Strand entlang. Am Ende der Bucht, kurz vor Saint Helier, stoppte er, mit ausgestrecktem Arm verwies er auf eine schicke Wohnanlage gleich neben ihrem Hotel, „ich muss dorthinauf“, meinte er, „meine Zeit ist leider um. Es hat Spaß gemacht schweigend mit Ihnen zu joggen, Frau Goldmund, aber dennoch muss ich mich verabschieden … die Pflicht ruft“, dann drehte er sich um und hastete dem Treppenaufstieg der Kai-Mauer entgegen.

      Ohne ihm zu antworten, sah sie ihm nach, dabei musste sie feststellen, dass seine Beharrlichkeit ihr Interesse geweckt hatte. Eine ganze Weile noch dachte sie mit einem Lächeln, sowie einem wohligen Gefühl in der Bauchgegend über ihn und seine dreiste Art nach. Jedoch mit zunehmender Zeit schlichen ihre Gedanken wieder zu dem Toten und zu einigen E-Mails ihrer Verehrern – die leider nur noch bruchstückhaft in ihrer Erinnerung vorhanden waren – und so sehr sie sich auch anstrengte, sie fand keine Verbindung zu dem Toten. Verärgert über ihre Gedächtnislücken, ihre missliche Lage, in die sie ohne ihr Zutun hineingeraten war – und überhaupt ihr ganzes bescheidenes Leben das nur noch so dahinplätscherte, erhöhte sie ihr Lauftempo, dabei dachte sie, du musst nur schnell genug laufen, dann gelingt es dir vielleicht ALLEM davonzulaufen – was leider, wie sie aus Erfahrung wusste, nur bedingt möglich war. Die Wahrheit war, danach waren ihre Energietanks leer und sie hatte keine Kraft mehr über ihr Leben nachzudenken.

      Ein wenig später kam sie ausgepowert, sowie gedankenleer im Hotel an, nur diesem Mister Weinberg war es seltsamer Weise gelungen sich ein Plätzchen in ihrem Kopf zu verschaffen. Unbewusst pendelten ihre Gedanken immer wieder zu ihm hin, ja, sie entlockten ihr sogar ein Schmunzeln.

      Am frühen Abend ging Nora unschlüssig in ihrem Hotelzimmer auf und ab. Sie überlegte ob sie zum Dinner ins Hotelrestaurant gehen oder sie doch lieber hier bleiben sollte – ach, vielleicht könnte sie im Restaurant anrufen und Sandwiches bestellen? Unentschlossen, nur mit Slip und BH gekleidet, blieb sie am Fenster stehen und sah hinaus. Und wieder einmal bewunderte sie den Ausblick aus der dritten Etage. Ja, sie fand ihn so grandios, dass er wie ein magischer Anziehungspunkt auf sie wirkte, sie nützte jede Gelegenheit um hinauszusehen, ob sie nun im Bett lag, beim Ankleiden war – ja, auch vom Badzimmer aus, war es ihr möglich einen Teilblick zu erhaschen. Verträumt schweifte ihr Blick über die fast menschenleere Bucht, in der nur noch vereinzelt Spaziergänger mit ihren Hunden unterwegs waren. Den ganzen Tag war es diesig gewesen, die Sonne war nur zu erahnen und eine melancholische Stimmung schien sich ganz allmählich auf alle Lebewesen zu übertragen. Auch die Möwen schienen weniger angriffslustig als sonst zu sein und dösten mit eingezogenem Kopf auf der Kaimauer vor sich hin. Während sie immer noch unschlüssig am Fenster stand, pendelten ihre Gedanken langsam aber zielsicher zu den Ereignissen der letzten Tage, und gerade als aus ihrer Erinnerung das Bild des Toten wieder hervorkroch, fühlte sie ein Beobachtet-Werden. Sofort fiel ihr Blick zur eleganten Wohnanlage gleich vis-à-vis. Auf der Dachterrasse einer schicken Penthousewohnung stand ein Mann der in ihre Richtung blickte – jetzt schien er jemandem zuzuwinken. Nora trat noch einen Schritt vor, um besser sehen zu können, dann musste sie feststellen, dass es ihr galt. Etwas irritiert hielt sie sofort die Gardinen vor ihren halbnackten Körper, und beim zweiten Blick erkannte sie schließlich dann diesen aufdringlichen Mister Weinberg. Er gab ihr irgendwelche Zeichen die sie aufgrund der Entfernung nicht so recht deuten konnte. Was tat er nun? Er hielt zwei Sektgläser empor und verwies anschließend mit der Hand mehrmals auf die Terrasse des Hotels.

      „Ah, jetzt verstehe ich, ich soll auf die Hotelterrasse kommen – vergiss es“, zischte sie. Mit einem Ruck zog sie demonstrativ die Gardinen zu, gleichzeitig stellte sich ihr die Frage: Was will er eigentlich von dir? Warum ist er so aufdringlich? Nach einigen Minuten des Hin- und Herüberlegens wurde sie neugierig. „Also gut, ich komme!“, murmelte sie … außerdem wird dir etwas Abwechslung sicherlich ganz guttun, entschuldigte sie sofort ihre Entscheidung. Aber, mein lieber Mister Weinberg, wenn du jetzt glaubst, dass ich mich wegen dir in Schale werfe, muss ich dich enttäuschen. Bewusst griff sie nach einer dünnen khakifarbenen Sommerhose und zu einem farblich passenden Shirt dessen einzige Raffinesse ein geraffter Carmen Ausschnitt war. Während sie in ihre Ballerinas schlüpfte, betrachtete sie noch etwas kritisch ihr Aussehen im Spiegel. „Na, geht doch“, sagte sie, während sie rasch ihre rotblonden Haare zurechtzupfte. Dann trat sie noch etwas näher an ihr Spiegelbild heran. Nur ihre sonst so strahlend grünen Augen wirkten müde, irgendwie auch traurig. Na, ist ja auch kein Wunder bei all den Aufregungen!, dachte sie. Noch ein letzter prüfender Blick, und mit ihm kam wieder die Frage aller Fragen: Warum ist es dir trotz deines attraktiven Aussehens und deiner tollen Ausstrahlung nie gelungen einen Mann langfristig an dich zu binden? Ja, und ganz plötzlich war die Sehnsucht nach menschlicher Nähe, nach Geborgenheit wieder da – ja, das Bedürfnis nach Liebe, nach einem Menschen der sie liebevoll in die Arme nehmen und sagen würde: ich liebe dich. Einen Moment hielt sie inne, sie überlegte, wann sie diese drei kleinen Worte zuletzt gehört hatte, doch mit Entsetzen musste sie feststellen, dass alle – ja, alle die ihr einmal nahestanden, nur umschreibende Worte gebrauchten. Aber warum? Ob es wohl an ihr lag? Seit ihrer letzten großen Liebe – jedenfalls hatte sie geglaubt, dass es die große Liebe war – beschlich sie zuweilen der Gedanke, vielleicht doch mehr von einem Partner zu erwarten, als dass dieser zu geben bereit war. Dabei wollte sie doch nur geliebt werden, ja, nur geliebt! Plötzlich geschah etwas Sonderbares. Sie sah im Spiegel die blutjunge Nora – so wie sie vor dreißig Jahren aussah – sie sah in große Augen die ihr verängstigt entgegenstarrten. Für den Bruchteil einer Sekunde schoss ein Erinnerungsblitz durch sie hindurch: Ein Lichtstrahl durchbrach die Dunkelheit und mit ihm erschien eine Gestalt – aufsteigende Angst schnürte gleichzeitig ihre Kehle zu – und noch bevor sie den Erinnerungsblitz realisieren konnte, war er auch schon wieder erloschen. Leicht irritiert von dieser seltsamen Begebenheit, kreuzte sie intuitiv schützend die Arme vor ihrer Brust, dann sah sie wieder ihr Spiegelbild. Jetzt bloß kein Herztürchen öffnen, den aufkeimenden Seelenschmerz erst gar nicht beachten, ermahnte sie sich selbst – nur nicht sentimental werden, sonst musst du weinen und der Abend ist gelaufen.

      Ein wenig später stand sie Mister Weinberg auf der Hotelterrasse gegenüber. Er musterte sie von Kopf bis zu den Füßen, anschließend zog ein breites Grinsen über sein Gesicht.

      „Was ist … habe ich etwas Absonderliches an mir?“, fragte Nora.

      „Och, ich hätte zumindest das kleine Schwarze erwartet“, aber so führe ich Sie selbstverständlich auch zum Dinner aus.

      Nach dieser Aussage war sie sichtlich verärgert weil sie seiner Zeichensprache gefolgt war. „Ich kann ja wieder gehen“, zischte sie ihm entgegen, anschließend warf sie beleidigt den Kopf in den Nacken, und gerade als sie die Flucht antreten wollte, spürte sie seine warme Hand der ihren Arm umfasste. „Nicht anfassen“, zischte sie ihm sogleich entgegen.

      Er ließ auch sofort los, „ups … ich mag Kratzbürsten, man hat immer das Gefühl, dass man auf der Hut sein muss“, entgegnete er mit einem spitzbübischen Grinsen. „Geben Sie mir noch eine Chance? … Ja? … Bitte!“, gleichzeitig hielt er ihr ein Glas Champagner entgegen. „Hier, als Wiedergutmachung“, sagte er in Begleitung eines verführerischen Lächelns, und dieses Lächeln hatte etwas, dem man sich nicht so leicht entziehen konnte.

      Noch ehe sie etwas sagen oder tun konnte, hielt sie das Glas in ihrer Hand.

      Sanft, stieß er mit seinem Glas gegen das Ihrige, „auf einen erfolgreichen Abend!“, sagte er augenzwinkernd.

      Blödes Spiel, dachte sie, aber auch okay – ganz wie du willst, und so nahm sie innerlich seine Herausforderung an. „Nun denn, Mister Weinberg, darf ich fragen wie Sie sich einen erfolgreichen Abend mit mir vorstellen?“

      Er nahm tief Luft und antwortete: „Hm … während wir den köstlichen Champagner genießen könnten wir ein wenig plaudern, sozusagen uns ein wenig beschnuppern. Jaaa, und danach, wenn unsere Sinne von den Champagnerperlen benebelt sind, könnten wir zu mir, in meine Penthousewohnung gehen, dort werde ich Ihnen, gepaart mit einer traumhaften

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