Wenn die Seelen Trauer tragen. Rose Hardt
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„Guten Morgen Goldmündchen. Na wie hast du in meinem King-Size-Bett geschlafen?“, grinste Clemens übers ganze Gesicht, „es ist ein herrlicher Tag und der Kaffee ist fertig. Wir warten auf dich.“
„Danke!“ woraufhin sie ihm das Kopfkissen entgegenschleuderte. Aber was meint er mit WIR? Sofort saß sie aufrecht im Bett, und ihre Gedanken kreisten in ihrem dröhnenden Kopf um das WIR! Wer ist bei ihm? Und verflixt, wie sehe ich überhaupt aus? Und wo war noch mal das Bad?
Nach der Einnahme einer Kopfschmerztablette, sowie einem notdürftigen Styling, trat sie kurze Zeit später unsicher dem WIR entgegen. Gleich beim Öffnen der Tür fiel ihr Blick auf Clemens, danach auf eine zierliche männliche Gestalt, die, wie sie erkennen konnte, einen bedrückten Eindruck machte. Beide saßen an der Küchentheke, die Küche und Wohnraum voneinander trennte.
Oh, und wie gerne wäre sie in diesen Sekunden unsichtbar gewesen. „Guten Morgen“, sagte sie mit leiser Stimme, „ich geh dann mal“, hauchte sie den beiden Herren noch im Vorrübergehen zu, dabei verwies sie mit der Hand Richtung Aufzug, ihre Schritte wurden schneller und insgeheim hoffte sie, sie könnte sich so davonstehlen.
„Guten Morgen, Nora“, schallte es durch den ganzen Raum, sogleich hüpfte Clemens vom Hocker, eilte ihr hinterher und zog sie mit resolutem Griff Richtung Küchentheke zurück. „Darf ich dir Jacob vorstellen. Jacob, das ist Nora Goldmund, auch Goldmündchen genannt“, wobei er sehr vertraut seinen Arm um ihre Hüfte legte.
Einen Kosenamen auf nüchternen Magen … das war einfach zu viel. Beherrschung war angesagt!
„Guten Morgen Jacob, es freut mich Sie kennenzulernen“, zeitgleich hielt sie ihm freundlich lächelnd ihre Hand zur Begrüßung entgegen.
Wortlos, ohne eine Emotionsregung, legte er seine schmale kalte Hand in ihre, doch bevor sie zudrücken und die Begrüßung vollziehen konnte, war seine Hand ihrer schon wieder entglitten. Ihr schauderte bei dem Gefühl seiner kalten Hand. Leicht irritiert nahm sie ihn nun etwas genauer in Augenschein. Große dunkle Augen, die mit einem schwarzen Kajal umrandet waren, blickten ihr traurig entgegen, sein ebenmäßiges Gesicht war von schwarz-glänzendem Haar umhüllt und seine äußerst gepflegte Haut schimmerte bronzen. Er wirkte verlassen und irgendwie schutzbedürftig. Wer er wohl war? Und in welcher Verbindung stand er zu Clemens? Und während sie darüber nachdachte, wechselte ihr Blick mehrmals zwischen den beiden Herren.
„Jetzt trinkst du zuerst einmal einen Espresso mit uns, danach darfst du dich gerne verabschieden“, drängten Clemens Worte mitten in das Bild das sie sich gerade von den beiden Herren zurechtzusetzen versuchte.
Widerwillig gehorchte sie, dann ließ sie sich in den Dunstkreis zweier merkwürdiger Herren, die eigentlich Fremde für sie waren, nieder. Danach folgte eine befremdliche Stille. Nochmals wechselte ihr Blick zwischen den beiden Männern. Starke Parfümdüfte stiegen ihr in die Nase: ein schwerer süßer Duft konkurrierte mit einem herben Männerduft. Eine Duftkombination die erneut ihr Interesse weckte und eine erste Mutmaßung formte.
Jacob war es, der das Schweigen unvermittelt brach. „Alle, die ich je geliebt habe, haben mich verlassen. Ist das nicht traurig?“, fragend sah er zu Nora, doch sein Blick schien durch sie hindurchzugehen. Seine Worte klangen klar, seine Augen wirkten nun, nachdem er sie ausgesprochen hatte, beängstigend leer. Eine nüchterne Mitteilung die nackt im Raum stand und Unbehagen bei Nora verursachte.
„Er will damit sagen, dass alle, die ihm, in seinem Leben etwas bedeutet haben, verstorben sind“, versuchte Clemens die Worte des jungen Mannes zu verdeutlichen.
„Oh, Sie sind in Trauer, das tut mir leid“, antwortete Nora und rührte verlegen in ihrem schwarzen doppelten Espresso.
Erneut stellte er einen Satz in den Raum. „Meine Eltern kommen mir heute, nachdem sie tot sind, lebendiger vor als zu Lebzeiten – in meiner Erinnerung sehe ich sie als eine Art Zweigespann, das nichts und niemanden trennen konnte! Ja, und ich war nur der Zweitgeborene, ein nicht mehr gewolltes Nebenprodukt ihres spießigen Lebens … der durch seine Andersartigkeit ihre kleine perfekte Familien-Idylle störte.“ Mit dem letzten Halbsatz warf er Clemens einen verächtlichen Blick zu.
Fragend sah Nora zu Clemens, der sogleich betroffen seine Augenlidern senkte und im nächsten Moment seine Hand tröstend auf Jacobs Hand legte. Eine Geste die erneut Fragen aufwarf: Sind beide anders? Sollte sie sich in Clemens so getäuscht haben! War sie schon so lange alleine, dass sie nicht einmal mehr in der Lage war, diesen kleinen feinen Unterschied zu erkennen? Ein Gedanke der sie innerlich schmerzlich berührte.
Die eigenartige Stille, die sich mittlerweile zwischen ihnen aufgebaut hatte, empfand Nora als äußerst unangenehm, ja, irgendwie peinlich. Ich muss hier weg, schoss es ihr durch den Kopf, und just in dem Moment wo sie aufstehen wollte, erhob Jacob wieder seine Stimme …
„Aber jetzt wo ER tot ist, tauchen auch SIE wieder aus meinem Unterbewusstsein auf, SIE durchkreuzen meine Gedanken und quälen mich – besonders in der Nacht, wenn ich nicht schlafen kann, dann kommen SIE und stoßen mich mit anschuldigenden Blicken hinab in die Tiefen meiner Erinnerungen“, dann sah er zu Nora und fragte: „Glauben Sie, dass Tote sich rächen können?“
Oh mein Gott, ich muss hier weg! Wieso stellte er ausgerechnet ihr diese Frage? Und wieso gerade jetzt? Wo sie doch selbst mit quälenden Fragen zu kämpfen hatte!
Im Grunde erwartete er keine Antwort, sondern beantwortete seine Frage selbst. „Nie hatte ich ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern, sie konnten meinen Lebenswandel – so wie sie ihn missbilligend bezeichneten – nie verstehen“, fügte er überspitzt an. „Und später, als sie kurz hintereinander verstarben, war es mir nicht möglich um sie zu trauern, denn zu tief hatten sie meine Gefühle verletzt. Ja, zu tief! Doch jetzt, wo ich um meine Liebe trauere, drängen sie wieder in meine Gedanken und spielen sich mit Ermahnungen in den Vordergrund“, kurz hielt er inne, „ich glaube das ist ihre Rache – ja, ihre Rache!“ Kopfnickend, mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen stand er auf, dann huschte sein ganz in schwarz gekleideter schlanker Körper geräuschlos, fast wie ein Schatten, durch den Wohnraum Richtung Aufzug. Er drehte sich nicht mehr um, auch dann nicht, als er bereits im Fahrstuhl stand. Mit einem Zischlaut ging die Aufzugstür hinter ihm zu. Das einzige was zurückblieb, war sein schwerer süßer Parfümduft der im Raum verharrte.
Jacobs Abgang erinnerte Nora an ein Theaterstück: … der Teufel, der sich auf Erden eine menschliche Regung erlaubt hatte, ist danach reumütig in den Hades zurückgekehrt, um sich seiner Bestrafung hinzugeben. Ein mulmiges Gefühl kroch in ihr hoch, hastig trank sie ihren Espresso. „Es ist besser wenn ich jetzt gehe“, sagte sie zu Clemens ohne ihn nochmals anzusehen, denn zu sehr schämte sie sich jetzt für ihr zärtliches Geflüster in der Nacht – wo er doch vielleicht anders war!
„Aber