Violet - Verfolgt / Vollendet - Buch 6-7. Sophie Lang

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Violet - Verfolgt / Vollendet - Buch 6-7 - Sophie Lang Violet

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die ich noch nie zuvor bei ihr gesehen habe, entzwei.

      »Was zum Teufel war das?«, frage ich verblüfft und trete einen Schritt zurück. Sie blickt auf ihre Hände. »Süße, du musst noch so viel lernen«, lacht sie, dann ist sie bei mir, stößt mich mit solcher Kraft von sich, dass ich rückwärts taumle und beinahe zu Boden stürze. Der Schild, der mich sogar vor Gewehrkugeln schützen konnte, ist plötzlich völlig nutzlos.

      Dann schießt sie wieder auf mich zu. Ich erwarte sie mit erhobenen Fäusten, will sie irgendwie abwehren, doch kurz bevor sie auf mich knallt, schert sie unerwartet zur Seite aus, beschreibt einen Halbkreis mit ihrem linken Bein, über das ich es gerade noch schaffe hinwegzuspringen. Sie duckt sich flink unter meinem nächsten Schlag durch, bekommt mein Handgelenk zu fassen, dreht sich und schleudert mich über ihre Schulter. Ich lande dumpf auf dem Waldboden, mein Kreuz beklagt sich, als ich zappelnd wie ein Käfer auf dem Rücken liegen bleibe. Dann ist sie schon wieder über mir, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, rammt sie mir ihr Knie auf die Brust und legt ihre Finger um meine Kehle.

      »Gewonnen«, flüstert sie und pustet sich die wild vom Kopf stehenden Haare aus dem Gesicht. Ihre dunkel umrandeten Augen glühen aufreizend. Ihre Tattoos versprühen Feuer, funkeln böse. Wir schauen uns tief in die Augen. Eine, zwei, drei Sekunden lang.

      Dann prusten wir gleichzeitig los. Ausgelassen. Glücklich lachen wir, bis uns Krämpfe überwältigen. Kugeln uns über den Waldboden wie Hundewelpen. Später, als sich unsere Lachmuskeln wieder halbwegs beruhigt haben, kriechen wir erschöpft zurück zur Anhöhe. Sie schlüpft aus ihren Stiefeln, ich aus meinen Turnschuhen. Dann strecken wir unsere Beine im trockenen Gras nebeneinander aus und lassen nur noch unsere Fußzehen miteinander ringen. Die Sonne strahlt in unsere Gesichter und wärmt uns. Ich empfinde ein wundervolles Gefühl. Ich bin glücklich.

      »Wie hast du meinen Schild durchbrechen können?«, frage ich, während ich die Übungseinheit in meinem Kopf analysiere.

      »Kleine, du sprichst hier mit der Erfinderin dieser Fähigkeit. Wenn du verstehst, wie die Energie des Schildes funktioniert, dann kannst du sie auch überwinden, neutralisieren oder übernehmen.«

      »Mhm«, vernehme ich einen Laut, der aus meiner Kehle kommt. »Ich muss wohl noch viel lernen.«

      »Yip, so ist es.«

      »Hast du dir das alles selbst beigebracht?«

      Plötzlich wird Hope ganz still. Ich habe eine Grenze überschritten, ohne mir darüber im Klaren zu sein. Ich bohre nicht nach. Wenn sie bereit ist, mir mehr aus ihrer Vergangenheit zu erzählen, dann wird sie es schon tun.

      »Du hast dir einen wirklich inspirativen Platz zum Schreiben ausgesucht«, knüpft Hope nahtlos an das Thema vor unserem Training an. »Weißt du, wie man dieses Naturphänomen nennt?«, fährt sie fort und macht eine übertrieben weite Geste mit ihren Armen, die die ganze Aussicht einfasst. Ich schüttle zweimal meinen Kopf und lasse meinen Blick über die tausend Laubbäume schweifen, die man von der kleinen Anhöhe aus überblicken kann. Die Natur ist atemberaubend schön.

      Die Welt hat sich binnen weniger Tage in ein zauberhaftes Gemälde verwandelt. Die Blätter leuchten sanft rot, gelb, orange und der Himmel strahlt seit Tagen unendlich tief und azurblau, so als säßen wir in einem lichtdurchfluteten Tintenglas. Ich habe noch nie einen so schönen Himmel gesehen.

      »Vielleicht wurde es nach einem Künstler oder dem Schöpfer höchst persönlich benannt«, spekuliere ich.

      Hope blickt sinnend hinaus. »Eine alte Freundin nannte diese Jahreszeit den Indian Summer«, sagt Hope sanft und malt mit ihren Fingern faszinierende, unsichtbare Symbole in die Luft. Hopes eigene, für sie typische, Zeichensprache.

      Ich überlege, wer diese Freundin wohl war und ob sie noch lebt, wo sie sich jetzt gerade aufhält, ob Hope jetzt doch etwas preisgeben möchte, während mich das Spiel der Farben in seinen Bann zieht. »Der Sommer der Indianer?«

      Hope ist in Gedanken, beginnt, sich ihr langes, schwarzes Haar mit den Fingern durchzukämmen. Die Blätter und Ästchen, die sich darin verfangen haben, zu entfernen. Ich übernehme diese Aufgabe für sie, während ich sie bitte, mir mehr zu erzählen.

      »Hier im Norden lebten einst Indianer. Irokesen nannte man ihren Stamm. Meine Freundin war ein Nachkomme dieses naturverbundenen Völkchens. Sie hat mir erzählt, dass ihre Urgroßväter große Friedensstifter waren. Ein legendärer Häuptling, sein Name war unaussprechlich, klang für mich, wie wenn sich jemand einen Stock in den Hals steckt und dann die Worte Luft und Wasser sagen will.« Ich muss glucksen. »Nun, also der Häuptling hat den Zusammenschluss des Völkerbundes aller Irokesen bewirkt. Ihrer Geschichte zufolge, lebten sie alle in einem Haus, das siebenhundert Meter lang war. Die Leute vom Großen Hügel bewachten das westliche Tor und die Leute vom Feuerstein das östliche. Niemals waren die Eingänge unbewacht«, erzählt Hope mit ihrer Stimme und ihren Fingern und Gesten.

      »Was tust du mit deinen Händen?«, will ich wissen.

      »Das war ihre Art, sich mit uns zu verständigen«, antwortet Hope und ich weiß, sie spricht von ihrer alten Freundin.

      »War sie stumm?«

      »Ich denke, sie hatte sich einfach dazu entschlossen, sich nicht mit Worten, sondern mit Symbolen Ausdruck zu verschaffen. Ich habe viel von ihr gelernt.«

      Hope hält für einen Augenblick inne, fährt sich mit der Hand über das Gesicht, ihre Augen. »Die Winter hier im Norden sind sehr hart. Die Nahrungsspeicher müssen pünktlich randvoll mit Vorräten sein, damit alle die kalte Jahreszeit unversehrt überstehen konnten. Der Indian Summer läutete in ihrer Tradition die Jagdsaison ein. Die roten Farben waren als Zeichen der Götter zu verstehen und bedeuteten ihnen, dass es an der Zeit war, Vorbereitungen zu treffen, bevor der Winter über das Land hereinbricht. Die Jagdsaison war eröffnet.«

      Ich kämme Hopes Haare der Länge nach mit meinen Fingern durch und lausche ihrer weichen, melodischen Stimme, verfolge die subtilen, einzigartigen Bewegungen ihrer Finger. Sie ist eine wundervolle Geschichtenerzählerin.

      »Du weißt zu allem und jedem etwas zu erzählen. Ich hätte auch gern so ein Superhirn wie du. Woher weißt du nur so viel?«, will ich wissen.

      Hope schaut mich über die Schulter an, ihre Augen funkeln amüsiert. Sie legt ihren Kopf schief. »Das ist einfach zu erklären. Ich bin eben hochintelligent«, lacht sie und dann: »Spaß beiseite, ich hatte das Glück, in einer privilegierten Familie aufzuwachsen. Wie alle Kinder loyaler Familien sollte ich später auf einer Universität der Gesandten studieren, um dann einmal zur Elite zu gehören. Also zu denen, die mehr wissen dürfen als alle anderen. Schon als ich ganz klein war, hat mir mein Vater das Lesen beigebracht. Er meinte, sie können uns alles nehmen, aber nicht das, was wir wissen. Ich hatte damals keine Ahnung, wen er damit meinte.«

      »Wenn dich die Vollstrecker erwischen und löschen, dann nehmen sie dir auch das«, sage ich ernst und denke an die gelöschten Jungs, die, unweit von hier, in unserem Lager versuchen ins Leben zurückzufinden.

      »Sie haben mich aber nie erwischt.« Ich erinnere Hope nicht daran, dass sie von einer Drohne abgeschossen wurde und fast getötet wurde. Als wir uns nach acht Wochen, nach der Zeit im Atombunker, wieder gesehen haben, war ich erstaunt darüber, wie gut es ihr ging. Von ihrer Verletzung war nichts mehr zu sehen und Hope hat auch nie mehr darüber gesprochen. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte so gut wie sie die schrecklichen Erinnerungen verdrängen und nur hoffnungsvoll nach vorne blicken.

      Manchmal?

      Ständig,

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