Düsteres Erbe. Rita Renate Schönig
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„Hä, was?“ Nicole sah ihrer Vermieterin hilflos nach, die schnurstracks an ihr vorbei in den Wohnraum rauschte.
„Eine Lei-hei-che und mausetot.“
„Sind sie meistens“, kommentierte Nicole gähnend und folgte Helene.
„Ist das nicht aufregend?“
Die Kriminalbeamtin zuckte mit den Schultern.
„Ja, ja. Du hast ja tagtäglich damit zu tun. Für dich ist so etwas das Natürlichste der Welt.“
„Natürlich ist das keineswegs und glücklicherweise habe ich nicht jeden Tag mit Toten zu tun“, widersprach Nicole. „Und außerdem…“
„Sabbel nicht“, wurde sie unterbrochen. „Wir müssen zum Tatort!“
„Ich bin im Urlaub. Schon vergessen? Außerdem bin ich gerade erst aufgestanden.“
„Na umso besser, dann bist du ja ausgeschlafen. Also, komm in die Puschen, Deern.“
Nicole ging zur Küchenzeile, ohne auf die Direktive ihrer Vermieterin einzugehen. „Willst du einen O-Saft oder ein Glas Milch?“
Helene rümpfte die Nase und schielte in Richtung der blubbernden Kaffeemaschine. „Wenn schon, dann Kaffee.“
„Glaubst du dein Blutdruck verträgt noch mehr Aufregung?“
Helenes Blick ließ Nicole augenblicklich verstummen. Sie goss Kaffee in zwei Becher, reichte einen an ihre Vermieterin und setzte sich an den Tresen, der ihre Küchenzeile vom Wohnraum trennte. „Also gut, dann erzähl halt mal.“
Nicole brauchte einen Moment bis sie begriff was Helene ihr, ihren Kaffeebecher in der Hand, hin und her laufend, mitteilte. Ein Leichenfund, in diesem verschlafenen Ort, den sie sich extra deshalb ausgesucht hatte, weil das kapitale Verbrechen hier noch nicht angekommen war? Einbruch, Diebstahl, ok. Nicole wusste sogar von drei Banküberfällen. Über einen schmunzelte damals der gesamte Kreis Offenbach. Der Täter - schon längere Zeit aktenkundig – wohnte monatelang über der Bank, die er später ausraubte. Aber eine Leiche, dazu vergraben in einem verwaisten Gartengrundstück? Das kam einem kulturellen Schock gleich.
„Es kann sich nur um Mord handeln“, stellte Helene mit ernster Miene fest. „Oder warum sonst verbuddelt jemand eine Leiche im eigenen Garten, hm?“ Mit zusammengepressten Lippen und vorgeschobenem Kinn schaute sie Nicole nach Zustimmung fordernd an. Als diese nicht antwortete, fuhr sie fort: „Das hätte ich dem Häusler dann doch wirklich nicht zugetraut, obwohl er schon ein seltsamer Mensch gewesen war.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich wohne jetzt schon mehr als fünfzig Jahre hier. Aber einen Mord hat es in der ganzen Zeit nicht gegeben. Glaub mir, ich wüsste davon. Mein Friedel, Gott sei seiner Seele gnädig, hätte doch als Oberwachtmeister das Verbrechen aufklären müssen. Prügeleien in den Kneipen ja, das kam öfters vor. Bei Festen wie Kirmes, wo die jungen Burschen schon mal einen übern Durst tranken war es sozusagen der krönende Abschluss jeder Feierlichkeiten. Aber vor meinem Friedel hatten die Jungspunte alle Respekt. Er war ja auch ein stattlicher Mann, mein Friedel.“ Helene lächelte versonnen, um umgehend wieder seufzend fortzufahren. „Aber Mord ...? Na ja, irgendwann ist halt immer das erste Mal. Auch wir hier bleiben nicht ewig vor kaltblütigen Verbrechen verschont.“
Abrupt blieb sie vor Nicole stehen. „Also, worauf warten wir noch?“
Schon wieder dieses WIR! Die Kriminalhauptkommissarin hatte sich demnach nicht verhört. „Wie kannst du sicher sein, dass die ehemaligen Eigentümer damit zu tun hatten? Soweit ich weiß ist das Grundstück bereits lange verwildert und das Haus unbewohnt. Jeder hätte dort heimlich eine Leiche vergraben können.“
Energisch schüttelte Helene erneut den Kopf. „Der Tote ist nur noch ein Gerippe, sagt die Gundel.“
Nicole zog die Stirn kraus. Aha, Gundula Krämer, die fossile Ausgabe des heutigen Internets – schnell, informativ und unempfindlich im Umgang von Bezugsquellen.
„Natürlich wollte die Gundel sofort zu dir. Die hat mir fast die Tür eingeschlagen? Dass du das nicht gehört hast? Ich konnte sie gerade noch davon abhalten. Ich wusste doch, dass du Urlaub hast.“
Das hat dich aber nicht abgehalten. Schnell verwarf Nicole den schnöden gedanklichen Vorwurf. Stattdessen sagte sie: „Danke.“
„Was ist jetzt? Können wir los?“
Nicole schnaufte und zeigte auf ihre Socken und die Pyjamahose. „Ich muss mich erst noch anziehen.“
„Ach! Also gut, aber mach hin.“
Widerstrebend setzte sich Helene sich auf die Couch, wippte nervös mit den Beinen und rieb ihre Hände aneinander. „Soll ich schon mal vorgehen und die Lage sondieren?“, rief sie.
„Untersteh dich!“ Nicole streckte den Kopf durch die offene Schlafzimmertür und drohte mit dem Zeigefinger.
Das Telefon klingelte. „Geh doch bitte mal ran.“
„Guten Morgen, hier bei Kriminalhauptkommissarin, Nicole Wegener“, hörte sie Helene in geschäftsmäßigen Ton sagen. „Ja, doch, sie ist zuhause – nein, nicht nötig, sie ist bereits unterrichtet – ja, danke – ja. Lassen Sie sich ruhig Zeit. Der Tote liegt dort schon einige Jahrzehnte, da kommt’s auf eine halbe Stunde auch nicht drauf an. – Ja, wir warten auf Sie. Keine Ursache. Bis gleich.“
Nicole kam aus ihrem Schlafzimmer. „Wer war dran?“
„Dein Kollege, dieser schnieke Lars Hansen.“ Helene rollte schwärmerisch mit den Augen. „Er lässt dir ausrichten, dass sie im Stau stehen und es noch ein bisschen dauert, bis sie hier eintreffen. Und auch, dass es ihm leid täte, dich in deinem wohlverdienten Urlaub stören zu müssen. Ich habe ihm gesagt, dass er sich Zeit lassen soll. Wir sind ja doch gleich vor Ort. Hab ich dir schon gesagt, das ihr gut zueinander passen würdet?“
„Mindestens hundert Mal. Und ich habe dir mindestens sooft erklärt, dass Lars ein Kollege ist und ich nun mal nichts mit einem Kollegen anfange.“ Nicht noch einmal, dachte Nicole. „Außerdem ist Lars kein Mann für eine feste Beziehung und schon gar nicht zum Heiraten. Und ... nicht mein Typ.“
„Heiliger Strohsack. Wer redet denn gleich von heiraten. Ich meine ja nur, du solltest dich auch mal amüsieren. Es ist nicht gesund, immer nur allein rumzuhängen – in deinem Alter.“
„Helene!“ Nicole drohte mit dem Zeigefinger. „Böses Mädchen.“ Sie trat vor den Spiegel in der Garderobe und steckte ihre langen dunkelblonden Haare mit einer großen Klammer am Hinterkopf zusammen.
„Spießerin“, gab Helene zurück.
„Kanntest du die Eigentümer eigentlich näher?“, fragte Nicole, um das heikle Thema zu beenden.
„Ja und nein. Die Häuslers waren eine unauffällige Familie, fast schon absonderlich. Der Johannes Häusler war Richter am hiesigen Gericht und sehr engagiert in der Kirche, Mitglied im Kirchenchor, Organist und Vorsitzender im Kirchenbeirat und in vielen Vereinen war er auch tätig.“
„Solche Leute sind mir immer suspekt“, warf Nicole dazwischen.
„Ja, mir