Düsteres Erbe. Rita Renate Schönig
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Das letzte Wort sprach Helene fast in Zeitlupe aus und schlug sich sodann mit der Hand an die Stirn: „Heiliger Bimbam. Kann das der Ami sein? Sicher, das muss er sein! Der hat sich nicht einfach so aus dem Staub gemacht. Der modert seit annähernd sechzig Jahren auf Häuslers Grundstück dahin. Stell dir das mal vor!“
„Helene. Ich glaube du schaust zu viele Krimis. Nur, weil die Häuslers mit dem Freund von wie hieß sie? Anna ...?“
„Maria.“
„Also, nur weil der Häusler mit dem Verhältnis nicht einverstanden waren, wird er ihn nicht gleich umgebracht und in seinem Garten vergraben haben.“
Helene presste die Lippen aufeinander. „So abwegig finde ich das nicht. Die Leute zerrissen sich buchstäblich die Mäuler über junge Frauen, die sich mit Amerikanern einließen. Ich sag nur, für Johannes Häusler wäre es unvorstellbar gewesen, wenn man seine Schwester als Amiflittchen betitelt hätte. Sein guter Ruf ging dem über alles.“
„Und wie hat diese Maria auf das Verschwinden ihres angeblichen Geliebten reagiert?“
„Keine Ahnung. Einige Monate nachdem er weg war ist sie gestorben.“
„Doch nicht etwa an gebrochenem Herzen?“, fragte Nicole leicht spöttisch.
„Es hieß sie hätte die Schwindsucht gehabt. Kann aber auch sein, dass sie an einem ihrer Anfälle gestorben ist. Die Maria litt an einer Art Epilepsie. Das erzählte mir mein Friedel. Auch die Edeltraud, die Tochter der Häuslers, leidet an dieser Krankheit, jedenfalls war das so in ihrer Kindheit – vermutlich vererbt. Die Edeltraud kam übrigens zwei Monate nachdem die Maria gestorben war zur Welt. Das weiß ich auch vom meinem Friedel. Als ich hierher kam muss die Edeltraud so um die Zwanzig gewesen sein. Aber schon damals sah sie aus, wie eine verschreckte graue dürre Maus, hinten wie vorn nix und immer dunkel gekleidet, mit einem strengen Dutt. Ähnlich wie ein verhärmtes Kinderfräulein aus diesen englischen Filmen.“
Nicole schmunzelte. „Ich denke, du schaust nur Krimis?“
***
Es waren nur wenige Meter, die Nicole und Helene über den angrenzenden Parkplatz, auf dem ihr Auto stand und durch die Wolfstraße zurücklegen mussten, um an den Tatort zu gelangen. Die Straße war durch ein Flatterband und ein quer stehendes blinkendes Polizeiauto gesperrt. Die „Blauen“, die Kollegen von der Schutzpolizei achteten streng darauf, dass keiner dem Tatort zu nahe kam. Nicole zeigte ihren Ausweis und wurde sofort durchgelassen, Helene aber hinter der Absperrung zurückbleiben.
„Hallo, Frau Wegener. Das gingschnell.“ Josef Maier, Oberkommissar der Polizeistation Seligenstadt, ein etwa eins achtzig großer und stämmiger Mann mit grau meliertem lockigem Haar und einem beachtlichen Bauchumfang, reichte Nicole die Hand.
„Eigentlich habe ich Urlaub“, erklärte sie ihr blitzartiges Erscheinen und lächelte. „Aber so ist das, wenn man im gleichen Ort wohnt, wo zufällig gerade dann eine Leiche gefunden wird. Dumm gelaufen, würde ich sagen.“
„Oh, das tut mir leid, Frau Wegener.“ Maier schaute unschlüssig zum Tatort. „Wollen Sie trotzdem schon mal ...?“
„Ja, klar. Die Kollegen stehen noch im Stau, müssten aber gleich hier eintreffen.
Ich riskiere einen Blick, bevor die KTU eintrifft.“ Nicole folgte Maier an den Rand des Aushubs.
„Wenn mich meine Augen nicht täuschen, dann könnten das die Reststücke einer Pilotenmütze sein, und zwar aus dem Zweiten Weltkrieg und amerikanisch.“ Maier deutete auf eine stark zerfledderte Kopfbedeckung, die neben dem Schädel lag. „Und über dem Brustkorb des Toten hängt eine Hundemarke, sehen Sie.“ Jetzt zeigte er auf das Gerippe, das halb aus dem Erdreich herausragte.
Nicole kniff die Augen zusammen. Helenes Vermutung kam ihr in den Sinn. „Sie meinen es könnte sich bei dem Toten um einen amerikanischen Soldaten handeln?“
In diesem Augenblick fuhr ein schwarzer Mercedes S-Klasse vor.
„Oh, Dr. Lechner höchstpersönlich.“
Anstatt ihres Chefs, dem Ersten Kriminalhauptkommissar, Dr. Ludwig Lechner, stiegen ihre Kollegen Lars Hansen und Harald Weinert aus, zückten ihre Ausweise und kamen mit zackigen Schritten auf sie und Maier zu.
Ein schlanker, muskulös gebauter eins fünfundneunzig großer Mann mit dunklen gewellten schulterlangen Haaren, grinste Nicole an. „Gelungener Auftritt, was?“
Sie zog die Augenbrauen hoch. „Das ist doch der Schlitten vom Chef. Wie kommst du …?“
„Auf mich hört der Großmeister nicht. Vielleicht kannst du ihn zur Vernunft bringen“, wurde sie von Harald Weinert, kleiner als sein Kollege aber ebenso sportlich gebaut und mit dunkelblonden kurzen Locken, unterbrochen.
„Mach dich locker, Harry.“ Hansen schlug ihm auf die Schulter. „Der Alte durchleuchtet jahrhundertlang Einbalsamierte in Kairo. Vielleicht kommt er gar nicht mehr wieder – von wegen Fluch des Pharao.“
„Siehst du was ich meine?“ Harald Weinert schüttelte den Kopf.
Nicole drehte den ihrigen zur Seite und verbarg ein Grinsen. „Wir klären das später. Jetzt haben wir hier eine Leiche. Ach ja, das ist Oberkommissar Josef Maier, der Chef der hiesigen Polizeistation.“ Sie deutete auf den neben ihr stehenden Kollegen. „Er hat den Tatort für uns abgesperrt.“
Hansen und Weinert nickten Maier zu.
„Was ist das, was da am Hals des Entseelten baumelt?“, fragte Lars, auf den im Sonnenlicht blinkenden Gegenstand hinweisend.
„Schätze eine militärische Erkennungsmarke“, antwortete Maier. „Und daneben eine amerikanische Pilotenmütze.“
„Sie meinen eine Hundemarke, wie sie Soldaten tragen?“
„Ja“, bestätigte Oberkommissar Maier.
Weinert nickte anerkennend. „Alle Achtung, Kollege, gute Augen.“
„Kann jemand eine Leiter besorgen?“, fragte Lars Hansen jetzt in die Runde der Schaulustigen.
Die sahen sich gegenseitig an, bis Herbert Walter antwortete: „Ich hätt ne Leiter.“
„Holen Sie die bitte?“
Der nickte und ging gemächlich los, um nach gefühlten endlosen Minuten mit einer ausziehbaren Aluminiumleiter zurückzukommen.
Oberkommissar Maier und zwei Männer der inzwischen eingetroffenen KTU, schoben die Leiter über den Rand des Erdlochs und der Trupp stieg nach unten und nahmen sofort die Arbeit auf.
Nicole und ihre Kollegen schauten in einigem Abstand zu. „Ich glaube, Herr Maier hat recht.“ Hansen verrenkte sich beinahe den Kopf. „Es könnte sich tatsächlich um eine militärische Erkennungsmarke handeln.“ Er fischte Einweghandschuhe aus seiner Hosentasche und wollte sich der Leiche nähern.