Treffpunkt Hexeneiche. Claus Karst

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Treffpunkt Hexeneiche - Claus Karst

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und deren Stamm sich majestätisch in den Himmel reckte. Bereits in längst vergangenen Zeiten, so wollen Legenden wissen, soll ihr knorrig ausladendes Astwerk mehr als einem Individuum als Galgen zu einem neuen Lebensabschnitt verholfen haben – der Glaube an ein Leben nach dem Tod vorausgesetzt. Bis in die Gegenwart hielten sich hartnäckige Gerüchte, dass die Geister der zu Tode Gekommenen – besonders in Vollmondnächten – dort ihr Unwesen trieben und jedermann erschreckten, der um diese Tageszeit noch im Wald unterwegs war.

      An einem der gewaltigen Äste des Baumes hing ein Mann mit einem Strick um den Hals. Trotz des schummrigen Lichts, das durch die dichte Belaubung fiel und dem Ort jene gespenstische Ausstrahlung verlieh, um die sich seit Menschengedenken die unzähligen geheimnisumwitterten Geschichten rankten, war unschwer zu erkennen, dass um seinen Hals eine Schlaufe mit einem fachmännischen Henkersknoten verzurrt war.

      Der Mann, so schätzte der Kommissar, war fünfzig bis sechzig Jahre alt, wies eine schlanke Figur auf und trug seine blonden Haare mit Seitenscheitel kurz geschnitten. Aus seinem Gesicht quollen die Augen ungläubig hervor, als hätte er nicht nachvollziehen können, was mit ihm geschah. Bekleidet war er mit einem dunkel gestreiften Maßanzug, dessen Hose sich durch einen biologischen Vorgang verfärbt hatte, der sich beim Erhängen nicht vermeiden lässt, sowie einem offen getragenen weißen Oberhemd und teuren englischen Schuhen.

      Hauptkommissar Cernik betrachtete die Szene eine Weile.

      „Der gehört zweifellos nicht der Gesellschaft armer Leute an“, stellte er nüchtern fest. Darauf richtete er an Kowalski die Frage: „Wer hat ihn gefunden?“

      „Ein Spaziergänger, der seinen Hund Gassi führte, obwohl es hier keine Gassen gibt. Der bringt aber gerade mal den Köter weg, weil der zu unruhig war, meine Männer andauernd ankläffte und ansprang. Er kommt gleich hierher zurück, hat er versprochen, denn er wohnt nicht weit.“

      „Willy soll mit ihm sprechen, wenn er zurück ist“, ordnete Cernik an und rief seinen Kollegen Klein, der wie ein Hund um die Eiche herumschnüffelte, herbei.

      „Fällt dir hier was auf?“

      Die Blässe in Kleins Gesicht war trotz der schummrigen Umgebung nicht zu übersehen. Er hatte gelegentlich Probleme, mit einem Toten konfrontiert zu werden, und starrte gebannt auf den Hängenden. Als sein Chef ihn ansprach, fuhr er zusammen, als wäre er auf frischer Tat bei etwas Verbotenem erwischt worden.

      „Na, was meinst du? Kannst du dir vorstellen, wie dieser Mann den Baum hochgeklettert ist, sich an die Stelle gehangelt hat, wo er jetzt baumelt, sich fachmännisch die Schlinge umgelegt und sich schließlich fallen gelassen hat, damit ihn Gevatter Tod freundlicherweise ins Jenseits beförderte?“

      Cernik grinste ihn bei seiner Frage unverschämt an.

      „Wenn du mich so fragst …“

      „Willy, ich frage dich! Reiß dich mal zusammen! Wo bist du mit deinen Gedanken? Was hier passiert sein muss, das sieht doch sogar ein Blinder!“

      Cernik hatte hin und wieder ein gespaltenes Verhältnis zu seinem engsten Mitarbeiter, den er aber dennoch sehr schätzte. Klein zeichnete sich als hervorragender Schnüffler aus. Wenn er auf jemanden angesetzt wurde, so verfolgte er mit Zähigkeit und Ausdauer sein Ziel. Nur seine Sicht- und Denkweise war häufig zu sehr eingeschränkt, um die Ergebnisse seiner Ermittlungen, die auf der Hand lagen, zu erkennen und, wie bei einem Puzzle, zusammenzufügen. Bei Verhören mimte er gewöhnlich erfolgreich den Bösen, und manchem Befragten fiel unerwartet schnell etwas ein, wenn er mit Klein ein paar Minuten allein gelassen wurde. Cernik wusste jedenfalls die besonderen Fähigkeiten seines Partners stets geschickt einzusetzen und deckte dessen Schwächen. Er sah sich in der Runde um.

      „Ist der Arzt immer noch nicht da?“

      Ein Beamter rief ihm zu: „Er ist auf dem Weg zu uns hoch.“

      „Dann gönnen wir dem Guten dort oben noch einen Moment frische Luft, obwohl ihm das Atmen schwerfallen dürfe. Und bitte unter dem Baum da weg, oder hat die Spurensicherung schon alle Fußabtritte abgenommen?“

      Kommissar Brüggemann von der Spurensicherung, der auf einer Leiter stand, um das Astwerk zu untersuchen, fühlte sich angesprochen und winkte ihm zu.

      „Du sprühst aber heute Morgen schon vor Galgenhumor, Kollege – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Ernst: Es gibt so gut wie keine Spuren. Alle, so scheint mir, sind sorgfältig verwischt worden. Das kann der da oben kaum noch selbst bewerkstelligt haben. Aber merkwürdig ist’s schon, dass rein gar nichts zu entdecken ist. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Profis am Werk waren.“

      Cernik näherte sich behutsam der Eiche und nahm jeden Grashalm, jedes Mooskissen, jedes vermoderte Blatt auf dem Boden mit der ihm eigenen Akribie in Augenschein.

      „Schaut mal her, Leute!“, forderte er seine Kollegen auf, und nachdem Klein und Brüggemann nähergekommen waren, fuhr er fort: „Seht ihr den Eindruck hier? Hier muss doch was gestanden haben. Ein Stuhl vielleicht, eine Leiter oder was weiß ich? Der Tote kann sie kaum noch weggeräumt haben, jedenfalls ist mir ein solcher Fall bisher nicht bekannt geworden. Oder stammen die Eindrücke von der Spurensicherung?“

      Er blickte Brüggemann scharf und fragend an. „Habt ihr sonst was Auffälliges bemerkt? Zigarettenkippen, Abfälle? Was glaubt ihr übrigens, wie der Tote an den Ast gelangt ist, an dem er hängt?“

      Ein Beamter in Uniform kam auf die beiden Kommissare zu und reichte Cernik eine Klarsichthülle mit einem Bogen Papier darin.

      „Hier, das haben wir gefunden, das war an den Baum geheftet.“

      Cernik riss ihm den Fund aus der Hand, verärgert, dass ihm dieses Beweisstück jetzt erst gezeigt wurde, und las, was auf dem Papier geschrieben stand:

       Urteil:

       Tod durch Erhängen wegen Mordes an Kindern.

      Unterzeichnet war das Papier mit:

       Die Musketiere

      Cernik fand bestätigt, dass sein erster Eindruck offensichtlich der richtige war, und gab die Folie zwecks weiterer Untersuchungen zurück.

      „Mahlzeit.“

      Der Rechtsmediziner Dr. Wolfgang Mathes, von Freunden auch Wolf und denen, die des Lateinischen mächtig sind, Lupus genannt, war endlich angekommen. Wie immer ein wenig laut, als wolle er den Toten wieder zum Leben erwecken, um ihm nahezulegen, noch ein wenig weiterzuleben und sich damit die Arbeit einer Obduktion zu ersparen.

      „Konntest dich wohl nicht von deinen toten Patienten trennen? Habt ihr Skat gespielt oder warum erscheinst du jetzt erst?“, grantelte Cernik.

      Der Arzt ignorierte die Bemerkung.

      „Sieht schlecht aus für den da oben. Holt ihn runter, der ist nicht mehr zu retten!“, ordnete er an.

      Cernik nickte. Zwei Polizisten stellten eine Leiter an, kletterten hoch, lösten das Seil und ließen den Toten vorsichtig herunter, wo er von dem Arzt in Empfang genommen und unter dem Baum auf einer Trage abgelegt wurde. Er befühlte die Haut an einigen Stellen, untersuchte die Spuren des Strickes am Hals und schloss dem Toten schließlich die Augenlider. Mathes, seit der Kindheit mit Leo Cernik befreundet, schüttelte seinen Kopf, der im Gegensatz zu dem seines Freundes noch über die Haarpracht seiner Jugend, wenn auch leicht ergraut, verfügte, und flüsterte

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